„Wir möchten Kommunen noch besser beraten und ihnen Mehrwert liefern!“

Wie können wir den klimatischen Veränderungen unserer Tage mit maßgeschneiderten Anpassungsstrategien begegnen? Welche wasserwirtschaftlichen Maßnahmen können ergriffen werden, um Menschen und Infrastrukturen vor Starkregen zu schützen? Zu wichtigen Entwicklungspfaden der Wavin GmbH äußert sich Fabian Brandt, Produktmanager Regenwasserbewirtschaftung, im Interview.

Wavin-Produktmanager Fabian Brandt im Interview
„Wir müssen Wasser anders nutzen. Und genau da möchte Wavin sich stärker engagieren“, sagt Fabian Brandt, Produktmanager Regenwasserbewirtschaftung bei Wavin. | Foto: Wavin

Herr Brandt, eine Anpassung an den Klimawandel nimmt breiten Raum ein in den Zukunftskonzepten der Wasserwirtschaft. Wie positioniert man sich bei Wavin?

Fabian Brandt: Wir beobachten schon seit Jahren klimatische Veränderungen, die auch massive Auswirkungen auf unterirdische Infrastrukturen haben und die Aufenthaltsqualität menschlicher Lebensräume negativ beeinflussen. Gerade in stark besiedelten Gebieten gilt es deshalb, Menschen, Immobilien und Infrastrukturen vor urbanen Sturzfluten und Überschwemmungen zu schützen, damit Städte lebenswerte Orte bleiben. Allerspätestens mit der Hochwasserkatastrophe des vorletzten Sommers ist es mehr als deutlich geworden, wie wichtig es ist, Flächen zu entsiegeln, ausreichende Retentionsflächen zu schaffen und Lebensbereiche wassersensibel zu gestalten.

Vor diesem Hintergrund beschäftigen wir uns auch bei Wavin mit allen relevanten Aspekten einer wassersensiblen Stadtgestaltung. Wie müssen Städte aufgestellt sein, um für die Herausforderungen des Klimawandels gewappnet zu sein? Um hier immer besser zu werden, befassen wir uns mit zunehmender Intensität und immer mehr Manpower mit den planerischen Aspekten eines leistungsfähigen Regenwassermanagements. Unser Ziel ist es, Kommunen dabei zu unterstützen, ihre Klimaresilienz anzupassen und zu erhöhen.

Was sind nach Ihrer Einschätzung in diesem Zusammenhang die wichtigsten Aspekte?

Brandt: Ich denke, es geht heutzutage darum, Regenwasserbewirtschaftung ganzheitlich zu denken. Alle Bausteine müssen miteinbezogen und sinnvoll miteinander verknüpft werden. Es reicht nicht aus, nur auf Rigolen oder weitere Maßnahmen einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung zu setzen. Genauso entscheidend ist es, das städtische Grün zu schützen. Bäume etwa spenden Schatten, sie kühlen und geben Sauerstoff. Der Einsatz von Wurzelkammersystemen wie unser TreeTank kann hier ein wichtiger Schritt sein, um Bäumen ein gedeihliches Wachstum zu ermöglichen und somit das Stadtklima zu verbessern. Nur wenn man alle Puzzleteile sinnvoll miteinander verbindet, ergibt sich am Ende ein überzeugendes Gesamtbild.

Müssen Sie hier viel Überzeugungsarbeit in Richtung kommunaler Entscheider leisten?

Brandt: Nein, tatsächlich ist das nicht der Fall. Dass Handlungsbedarf besteht, ist vielerorts unumstritten. Entscheider in Kommunen sind der Idee einer Schwammstadt oder dem Konzept einer wassersensiblen Stadtgestaltung grundsätzlich positiv gegenüber eingestellt. Oftmals herrscht aber Unsicherheit über die Möglichkeiten einer konkreten Umsetzung. Hier möchten wir Kommunen zukünftig noch besser beraten und auch mit smarten Lösungen unterstützen. Lassen Sie mich aber ein Problem in diesem Zusammenhang näher ausführen: Hierzulande existiert oftmals keine gute Abstimmung oder Verflechtung der einzelnen Entscheidungsebenen. Zu häufig besteht etwa eine Trennung zwischen dem Tiefbauamt, dem Straßenbauamt, dem Grünflächenamt oder beispielsweise der Naturschutzbehörde. Um aber die Klimaresilienz von Städten nachhaltig zu verbessern, muss man interdisziplinär agieren und alle von Anfang an einen Tisch bekommen. Salopp formuliert: Ist die Straße erst geplant, kann man nur schwer nachträglich über eine Entwässerungsmulde in der Mitte sprechen. Ein Umdenken ist wichtig. Wir müssen Wasser anders nutzen. Und genau da möchte Wavin sich stärker engagieren.

Sie erwähnen smarte Lösungen. Welche Rolle können diese vor den genannten Hintergründen übernehmen?

Brandt: Digitalisierung ist ein wichtiger Entwicklungspfad bei Wavin, den wir zielgerichtet vorantreiben. Selbstverständlich stets mit genauem Blick auf die Bedürfnisse des Marktes und die Bezahlbarkeit solcher Lösungen. Exemplarisch möchte ich an dieser Stelle auf unser System Storm Harvester hinweisen, mit dem bereits einige Pilotprojekte initiiert wurden. Die StormHarvester-Technologie regelt den Wasserstand in einem unterirdisch verbauten Rückhaltungssystem, indem sie einen Absperrschieber oder eine Pumpe mit einem hochpräzisen Algorithmus zur Vorhersage des Niederschlags verbindet.

Eine weitere smarte, webbasierte Lösung ist ganz aktuell der Wavin-Regenwasserrechner.

Brandt: Richtig, mit unserem neuen Service unterstützen wir Ingenieure bei der Planung von Versickerungs- und Rückhaltesystemen im Tiefbau, bei der Landschaftsplanung, beim Bau von Siedlungen und Häusern oder im Ingenieurwesen. Nach einer einmaligen Registrierung steht das Tool, das Funktionen des Rainplaner-Online nutzt, allen interessierten Usern kostenfrei zur Verfügung und kann sodann effektiv genutzt werden. Ein meines Erachtens sehr wesentlicher USP unseres Regenwasserrechners besteht nicht zuletzt darin, dass der User am Ende ein ausführliches PDF-Dokument erhält, das als Grundlage für die wasserrechtliche Erlaubnis bei Behörden eingesetzt werden kann. Das spart viel bürokratischen Aufwand und noch mehr Zeit.

Und welche Daten müssen für die Berechnung solcher Anlagen im System zur Verfügung gestellt werden?

Brandt: Für eine exakte Berechnung werden mindestens drei entscheidende Datensätze benötigt: erstens der Ort des Bauvorhabens. Diese Angabe ist wichtig, um die vor Ort gültigen Regendaten einzukalkulieren. Die Nutzer können diese Daten per Hand eingeben. Die meisten nutzen aber die Koordinierten Starkregendaten des Deutschen Wetterdienstes als Grundlage. Die jeweils aktuellsten KOSTRA-DWD-Daten sind auch in unserem System hinterlegt. Es reicht also völlig aus, die Postleitzahl einzugeben oder eine Karte zur Auswahl des Einsatzortes zu nutzen. Dann werden die entsprechenden Werte automatisch als Grundlage herangezogen. Bei den Regendaten arbeiten wir in der Regel mit dem sogenannten Klassenfaktor, der noch eine zusätzliche Sicherheit in die Berechnung einbringt.

Als zweite wichtige Datenbasis müssen alle angeschlossenen Flächen wie Parkplätze und Dächer bestimmt werden. Und last, but not least gibt es noch wichtige Eckdaten, die von der Art der Nutzung abhängen. So ist bei einer geplanten Versickerung der kf-Wert, also der Durchlässigkeitsbeiwert, der die Versickerungsfähigkeit des Bodens bestimmt, anzugeben. Bei einer Rückhaltung dagegen ist der mittlere Drosselabfluss für die Berechnung essenziell: Wieviel Wasser darf in welcher Zeit in den Hauptkanal bzw. Vorfluter eingeleitet werden?

Und dann kann die Planung beginnen?

Brandt: Ja, fast. Ein weiterer wesentlicher Faktor ist der Grundwasserstand. Dies ist dann entscheidend, wenn eine Versickerungsanlage geplant ist. Das ist fast selbsterklärend, denn wenn ich eine Versickerung im Grundwasser verorte, kann kein Wasser mehr versickern. Also ist ein Mindestabstand von einem Meter zwischen Unterkante Versickerung und Grundwasser notwendig (gem. DWA-A 138), damit die Anlage gut funktionieren kann. Darüber hinaus ist es noch relevant, wie groß die zur Verfügung stehende Fläche für das System ist. Hierbei handelt es sich um einen wichtigen Rahmenparameter, für den man aber nach meiner Erfahrung stets eine gangbare Lösung findet.

Wie steht es ums Handling des Regenwasserrechners?

Brandt: Für uns war ein entscheidendes Kriterium, dass der Nutzer gut durch das Programm geführt wird. Das Tool ist sehr übersichtlich gestaltet und bietet eine gute Orientierung. Und die Benutzung ist intuitiv. Zu jedem Eingabefeld gibt es ein Infofeld mit wichtigen Tipps und Hinweisen. Generell stellt das System außerdem Antworten auf die häufig gestellten Fragen sowie nützliche Tipps zur Verfügung. Die Telefonnummer zum Vertrieb ist außerdem stets im Bild zu sehen. Nach der Berechnung hat der User die Möglichkeit, eine Kontaktanfrage an den jeweils zuständigen Außendienstmitarbeiter zu senden, um Planungsunterstützung zu erhalten.

Kurzum: Wir holen den Kunden ab und wollen ihm so viel wie möglich abnehmen. Aber natürlich behält der Kunde seine planerische Freiheit. Und ein weiterer Vorteil besteht darin, dass der Nutzer mit unserer Onlineversion sichergeht, immer up-to-date mit den geltenden Normen und Berechnungsgrundlagen zu sein. Das Programm ist webbasiert, d.h. mit jedem Aufruf ist die Version aktuell. Bei Programmen, die heruntergeladen werden müssen, ist das nicht automatisch der Fall.

Sie sagen, die Anwendung sei kostenlos?

Brandt: Ja, bei dem Service handelt es sich um einen kostenfreien Service von Wavin. Der Nutzer kann Anlagen mit den von uns angebotenen Systemkomponenten berechnen und damit eine zuverlässige, auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung der Regenwasserbewirtschaftung finden. Zudem steht aber auch eine zusätzliche kostenpflichtige Version zur Verfügung, die ein Upgrade auf eine Vollversion des Rainplaner-Online ermöglicht und Erweiterungsmöglichkeiten enthält. Mit dieser Version können zum Beispiel auch Flächen- und Muldenversickerungen, Sickerschächte und-becken, also auch alle natürlichen Regenwasserbewirtschaftungssysteme losgelöst von unterirdischen Rigolenfüllkörpern nach DWA-A138 berechnet werden.

Kurz noch ein Blick in die Zukunft: Mit welchen Weiterentwicklungen von Systemkomponenten und Innovationen beschäftigt man sich bei Wavin derzeit?

Brandt: Wichtige Themen, denen wir uns momentan verstärkt widmen, sind Systeme zur Vor- und Nachbehandlung sowie Drossel- und Reinigungssysteme. Alle unsere Sedimentationsanlagen sind nach dem neuen DWA-A 102 geprüft. Hier stets aktuell zu bleiben, ist besonders wichtig, denn die Anforderungen werden immer schärfer und die Projekte immer größer. Inzwischen ist gemäß den Vorgaben nicht mehr ausschließlich entscheidend, wo das Wasser hingeleitet wird. Es gibt zwar Abstufungen zwischen Kanal, offenem Gewässer und Grundwasser, aber darüber hinaus gibt es immer mehr zu berücksichtigen. Als verantwortungsvolles Unternehmen, für das Nachhaltigkeit besonders wichtig ist, sind wir in dem Bereich Wasseraufbereitung sehr aktiv. Hierfür Systemlösungen zu finden, das ist die Zukunft von Wavin.

Nachhaltigkeit – ein gutes Stichwort – beginnt schon beim Werkstoff. Werden Stoffkreise aktuell schon besser geschlossen?

Brandt: Zur Ressourcenschonung arbeiten wir mit Rezyklaten. Viele verbinden damit immer noch den gelben Sack. Hier hat sich aber enorm viel getan: Der Recyclingprozess hat sich deutlich verbessert. Die Materialien lassen sich heute mit definierten Spezifikationen so aufbereiten, dass sie für Bauprodukte verwendet werden können. Heute verfügt man über einen großen Erfahrungsschatz und weiß, wie sich die Materialien verhalten. Dies kann man in die Entwicklung und Kalkulation einfließen lassen. Es gibt richtig gute Rezyklate, die bestimmte Spezifikationen erfüllen und die man sehr gut für Bauteile nutzen kann, bei denen Statik wichtig ist. AquaCell ist hier ein Beispiel. Die Normungsarbeit öffnet sich derzeit für Rezyklate. In seiner Nachhaltigkeitsbroschüre hat Wavin fest verankert, dass der Anteil Rezyklate bei seinen Produkten bis 2025 bei 25 Prozent liegen soll.

Rohrpost abonnieren!

Wir graben für Sie nach Neuigkeiten. Die Ergebnisse gibt es bei uns im Newsletter.

Jetzt anmelden!

Ich akzeptiere die Datenschutz-Bestimmungen.
Newsletter Anlemdung
Newsletter Anlemdung

Herr Brandt, vielen Dank für das Gespräch!

Quelle: Wavin GmbH


Weiterlesen:


Neueste Beiträge:

Weitere Beiträge

1
2
3

Für welche Leistungsart interessieren Sie sich?

Bauleistungen
Bauleistungen

Bau­leistungen

Dienstleistungen
Dienstleistungen

Dienst­leistungen

Lieferleistungen
Lieferleistungen

Liefer­leistungen

Wo suchen Sie Aufträge?

Ausschreibungs-Radar
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen

Verwandte Bau-Themen:


Aktuelle Termine für unterirdische Infrastruktur

13.05.2024 - 17.05.2024

IFAT

04.06.2024 - 05.06.2024

RegenwasserTage

Jetzt zum Newsletter anmelden:

Leitungsbau, Kanalsanierung, Abwasser – erfahren Sie das wichtigste rund ums Thema unterirdische Infrastruktur.