FLL Bauweisen und Substrate im Vergleich zum Stockholmer Baumpflanz-Modell
Interview mit dem Sachverständigen und Gutachter Peter Bott zum Thema „Schwammstadt-Prinzip für Bäume“. Derzeit findet eine Überarbeitung der FLL-Empfehlungen für Baumpflanzungen statt. Kann sich das bisherige und bewährte Regelwerk gegenüber den Lösungsvorschlägen des Stockholmer beziehungsweise Wiener Baumpflanz-Modells behaupten?
Herr Bott, Sie leiten ein Sachverständigenbüro für urbanes Grün und wirkten in vielen FLL-Regelwerksausschüssen mit. Welche Schwerpunkte sollten bei der aktuellen Überarbeitung des Regelwerks „Empfehlungen für Baumpflanzungen“ gesetzt werden?
Peter Bott: Wesentlich ist, dass so viel Niederschlagswasser wie möglich zurückgehalten wird. Das wertvolle Wasser sollte nicht einfach in den Kanal geleitet werden, sondern zur Bewässerung von Stadtgrün dienen, wenn dafür Bedarf ist.
Man könnte also sagen, die Städte sollen fit gemacht werden für Extremwetter und das dabei anfallende, viele Niederschlagswasser sollte dem Stadtgrün bereitgestellt werden. Welche Standortanforderungen müssen unbedingt gegeben sein, damit sich ein Stadtbaum unter verschärften klimatischen Bedingungen gesund entwickeln und alt werden kann?
Peter Bott: Ganz wichtig ist ein ausreichend dimensionierter Wurzelraum (nach FLL mindestens 12 m³ und ZTV-Vegtra-Mü mindestens 36 m³ für Bäume erster Ordnung). Bei der Bauweise nach den DIN-Normen wird von offenen Bauweisen ausgegangen, während bei der FLL und der ZTV-Vegtra-Mü auch überbaute Bauweisen unter besonderen Vorgaben möglich sind. Außerdem ist bei allen Bauweisen Voraussetzung, dass das Verformungsmodul, nach Verdichtung auf der Substratoberfläche, jeweils mindestens 45 MN im EV2-Wert bei den überbaubaren Substraten betragen muss. Das entspricht der gleichen Vorgabe wie beim Planum des Straßenbaus, auf dem der Verkehrsoberbau erfolgt. Mehr muss es nicht sein. Aus diesem Grund ist das Verformungsmodul bei der ZTV-Vegtra-Mü auf maximal 60 MN im EV2-Wert begrenzt. Bei der FLL ist angegeben, dass der Wert nur unwesentlich höher sein darf. 60 MN ist noch unwesentlich. Jedoch alles, was darüber hinausgeht, also höher verdichtbar ist und auch verdichtet wird, gehört nicht in eine Baumgrube, sondern auf die Deponie. Die Einhaltung von nicht überverdichtbaren Baum-Substraten ist für die Substrat-Hersteller tatsächlich kein Problem, denn mit einer optimierten Zumischung lässt sich das erzeugen. Zu hohe Verdichtungen verändern das wichtige Porenvolumen für Luft und Wasser äußerst negativ.
Wie beurteilen Sie die bisher vom Regelwerk empfohlenen Bauweisen und Substrate mit Blick auf die Stadt der Zukunft?
Peter Bott: Die bisherigen Bauweisen für Baumstandorte sind schon langjährig bewährt. Störungen gibt es nur, wenn Substrate mit zu hoher Verdichtbarkeit verwendet werden, z.B. wenn von den Herstellern Baum-Substrate angeboten werden mit einer Verdichtbarkeit von einem Verformungsmodul im EV2-Wert von 90, 110 und sogar 120 MN. So etwas schadet den Bäumen nachhaltig und statt zu wachsen, entwickeln sie sich zu Pflegefällen. Auf der Baustelle sind unbedingt Kontrollprüfungen zum Verformungsmodul durchzuführen, um langfristig einen guten Baumbestand zu bekommen.
Empfehlen würde ich, dass die FLL-Empfehlung für Baumpflanzungen Teil 2 derart verbessert wird, dass im Anforderungsprofil die Wasserkapazität von 25 auf mind. 30 Vol-% erhöht wird. Das würde die Substrat-Qualität ohne große Mehrkosten erheblich verbessern.
Die Laborprüfung des Substrates sollte der der Dachbegrünungsrichtlinie angepasst werden, wobei ich insbesondere die Verdichtung im Prüfzylinder anspreche, die dann vergleichbarere Ergebnisse zwischen Bodenmischungen und strukturstabilen Substraten bringen würde.
Was verstehen Sie unter dem „Schwammstadt-Prinzip für Bäume“? Beim Stockholmer Baumpflanz-System handelt es sich ja um eine technische Bauweise, die sich von den hiesigen Vorgaben unterscheidet. Auch die Substrat-Zusammensetzungen sind andere.
In Zahlen: Beim Stockholmer-, oder auch beim Wiener-Modell, speichert ein eingebautes Grobschlag-Substrat je m³ nur < 62,50 l Wasser (verbleibender Hohlraum nach Verdichtung des Grobschlags = 20-25 Vol-% = 200-250 l Hohlraum. Gehen wir von 250 l aus, so speichert erfahrungsgemäß der schlämmbare Boden selbst nur 20-25 Vol-% Wasser. Also rechnen wir großzügig 25 Vol-%, so ergibt sich eine Wasserspeicherung 25 % aus 250 l = 62,5 l). Bei 12 m³ Grobschlag-Substrat je Baum, ergibt das maximal 750 l Wasser.
Beim FLL-Baum-Substrat ist die Mindestanforderung an die Wasserkapazität 25 Vol-% = 250 l im eingebauten lagerdichten Zustand. Rechnen wir nun 12 m³ Baum-Substrat je Baum, ergibt das mindestens 3.000 l Wasser. Das ist ein viel höheres Speichervolumen, welches darüber hinaus völlig frei durchwurzelbar ist, was dem Baum hilft, im urbanen Bereich zu überleben.
Nicht zu vergessen, diese Baum-Substrate gemäß FLL sind nach Bauweise II auch problemlos mit jeder Verkehrslast überbaubar und lassen sich kostengünstiger herstellen und einbauen.
Warum sind aus Ihrer Sicht die derzeitigen Bauweisen nach den Empfehlungen der FLL besser für den Baum als die Lösungen aus Stockholm oder Wien?
Peter Bott: Die derzeitigen Bauweisen nach den Empfehlungen der FLL sind kombinierbar mit Lösungen zur Wasserbevorratung durch entsprechend überbaubare Speicher-Tanks, die Niederschlagswasser gefiltert aufnehmen und damit zur gesteuerten Bewässerung des Stadtgrüns dienen. Diese Tanks können problemlos unter Straßen, Parkplätzen, Geh- und Radwegen und sogar unter Grünflächen eingebaut werden. Über Leitungen kommt das Wasser zum Grün und die Bewässerung kann dann über Feuchtfühler gesteuert werden. Positive Beispiel dazu gibt es schon viele.
Wird der Baumpflanz-Planer der Zukunft noch stärker mit anderen Fachbereichen, wie zum Beispiel dem Tiefbau zusammenarbeiten?
Peter Bott: Ja, das ist eine sehr gute Frage. Für funktionales Stadtgrün, das wir dringend brauchen, um dem Klimawandel Paroli zu bieten, ist es sinnvoll, dass alle Beteiligten zusammenkommen. Dazu eine grobe Übersicht, aus welchen Bereichen Planer und Entscheider notwendig sind. Da haben wir den Hochbauer, denn wir brauchen das Dach- und Hofwasser. Den Tief- und Straßenbauer benötigen wir ebenso, denn wir wollen mit den Bäumen in den Straßenraum und benötigen Boden-Volumen. Dann ist selbstverständlich der Gärtner wichtig, um die richtige Baum- und Standortauswahl zu treffen. Die Ingenieure werden benötigt für Leitungen und Wasser-Speicher-Einrichtungen. Dann noch die Ämter, denn dazu hat dann auch das Wasserwirtschaftsamt etwas zu sagen. Schlussendlich wird noch der Politiker benötigt, für die gewollte Durchführung und um die möglichen Fördermittel zu organisieren. Ein großer runder Tisch ist notwendig, um eindeutige Zukunftslösungen zu finden.
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Vielen Dank, Herr Bott, für diese Einschätzung.
Das Interview führte Sonja Bauer.
Das ist Firma BOTT |
Das Haus BOTT mit Sitz in Bühl hat generationsübergreifend mehr als 75 Jahre Erfahrung mit urbanem Grün. Gegründet vom Garten- und Landschaftsbauer Oswald Bott und der Garten- und Landschaftsarchitektin Lisa Bott-Bächle, hat Peter Bott 1978 die Garten und Landschaftsbau-Firma übernommen und sich gleich auf Dachbegrünung mit eigenem System spezialisiert. 1992 leistete er Pionierarbeit mit der Herstellung eigener Substrate, die patentiert wurden und bei der Dachbegrünung und Neupflanzung von Stadtbäumen eingesetzt worden sind. |
Ab 2003 beschränkte sich sein Unternehmen vorrangig auf den Systemhandel zur Dachbegrünung und Baumpflanzung mit Schwerpunkt Substratherstellung und Vertrieb. Peter Bott wirkte in vielen Regelwerksausschüssen bei der FLL mit. Als Gutachter und Sachverständiger ist er heute tätig und setzt hier sein Fachwissen ein. Nebenbei vertreibt er noch in Deutschland die Software GreenSpaces zur Grünanlagenverwaltung. Mehr Infos unter www.bott-gruen.de |
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