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„Tendenziell wird viel zu früh wieder gegossen“

Wie lassen sich Schädlinge und Krankheiten in der grünen Idylle ohne Chemiekeule bekämpfen? Gartenbauingenieur Jochen Veser erläutert im Interview mit B_I galabau-Redakteur Jan Torben Budde, wie biologischer Pflanzenschutz gelingt – und was schieflaufen kann. Er spricht über Nützlinge, Bewässerung und Tabus.

Pflanzenschutz in Parks und Gärten: Tipps und Tabus
Gilt als Blattlaus-Gegenspieler und Nützling: ein frisch geschlüpfter, noch nicht vollständig ausgefärbter Siebenpunktmarienkäfer mit leerer Puppenhülle | Foto: Privat

Wie können Landschafts- oder auch Hobbygärtner gegen Schädlinge vorbeugen?

Jochen Veser: Sie müssen, wie auch die Produktionsgärtner, das System des integrierten Pflanzenschutzes verinnerlichen. Das beginnt schon damit, dass nur standortgerechte Pflanzenarten verwendet werden. Sind gegenüber Schaderregern widerstandsfähigere Sorten auf dem Markt vorhanden, so sollten diese bevorzugt gepflanzt werden; insbesondere bei Rosen und Obst, aber auch bei manchen Staudenarten gibt es ein großes Sortenspektrum. Besonders problematische Bodenverhältnisse können vor der Pflanzung relativ leicht durch Einarbeiten von Bodenzuschlagstoffen oder Einbau von Drainagen optimiert werden. Zu dichte (Flächen-)Pflanzungen begünstigen viele Pilzinfektionen – eine reduzierte Pflanzdichte verhindert auch langfristig ein zu feuchtes Mikroklima.

Worauf ist zu achten, wenn die Pflanzung bereits erfolgt ist?

Veser: Bei bestehenden Pflanzungen spielen die bedarfsgerechte Bewässerung und angepasste Düngung eine entscheidende Rolle für die Widerstandskraft der Pflanzen – Bodenuntersuchungen auf Grundnährstoffgehalte kosten nicht viel und bringen einen hohen Erkenntnisgewinn. Wird beim Pflegeschnitt auf physiologisch korrekte Schnittführung und auf scharfe Werkzeugklingen geachtet, trägt dies dazu bei, dass Schwächeparasiten weniger schnell Fuß fassen können. Manchmal ist auch eine Werkzeugdesinfektion ratsam, um Problem-Schaderreger wie Feuerbrand nicht versehentlich zu verbreiten. Regelmäßige Anwendung von Stärkungsmitteln oder Biostimulanzien können die Vitalität der Pflanzen steigern. Natürliche Gegenspieler vieler Pflanzenschädlinge besiedeln rasch die Pflanzungen: Lernen Sie die Arten kennen, nur so können Sie diese auch schonen. Mit etwas Geduld werden viele anfänglich als dramatisch eingeschätzte Schädlingspopulationen in erstaunlich kurzer Zeit vertilgt, wenn man der Natur ihren Lauf lässt.

Zur Person

Jochen Veser aus Korntal-Münchingen in Baden-Württemberg ist diplomierter Gartenbauingenieur. Er ist seit 1997 freiberuflich tätig. Der „Pflanzendoktor“ bietet individuelle Beratung für GaLaBau-Betriebe, Gartencenter, Privatkunden und Kommunen an. Auf Anfrage leitet er Seminare und hält Vorträge. So bietet Veser anerkannte „Sachkunde Pflanzenschutz“-Fortbildungen im Auftrag des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg sowie der Gartenakademie Baden-Württemberg an. Zudem gibt er Pflanzenschutzunterricht an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) Heidelberg.

Gartenbauingenieur Jochen Veser. | Foto: Privat
Gartenbauingenieur Jochen Veser. | Foto: Privat

Welche sind die größten Fehler, sodass trotz aller Bemühungen dann doch Probleme in der grünen Idylle auftreten?

Veser: Nach vielen Jahren Beratung in den Gärten hat sich gezeigt, dass viele Gartenprobleme durch eine vom Bedarf der Pflanzen abweichende Wasserversorgung begünstigt oder sogar allein dadurch verursacht werden. Auch die zunehmend verbauten Bewässerungsanlagen lösen dieses Problem nicht grundsätzlich – viele Anlagen sind schlicht falsch programmiert.

Wozu raten Sie?

Veser: Eigentlich kann man die Frage nach der richtigen Bewässerung von Pflanzen recht einfach beantworten: Der Wurzelraum muss zeitweise feucht und dann auch wieder trocken sein, um die Wurzelatmung zu ermöglichen. Notwendige Bewässerungsmengen je Gießvorgang lassen sich unter Berücksichtigung der Bodeneigenschaften und der Vegetation pauschal festlegen – entscheidend ist die von Wurzeln erschlossene Bodenschicht. Für eine ausreichend tiefe Befeuchtung werden zwischen 20 l/m² (Rasen) bis über 60 l/m² (Baumbestand) benötigt. Bis zur nächsten Bewässerung muss der Boden aber auch wieder wurzeltief abtrocknen können; dies lässt sich seriös nur durch Probegrabung oder Einbau von Bodenfeuchte-Messgeräten wie zum Beispiel Tensiometern ermitteln. Testen Sie das mal aus: Tendenziell wird viel zu früh wieder gegossen, lange, bevor der Boden tatsächlich abgetrocknet ist. Natürlich gibt es aber auch Schaderreger, die ohne Rücksicht auf den Zustand der Pflanze massive Schäden anrichten können. Hier spielen neben altbekannten Arten auch immer wieder neu zugewanderte oder eingeschleppte Arten eine große Rolle, insbesondere auch deshalb, weil hier die natürlichen Gegenspieler (noch) fehlen.

Wie gehen Sie als „Pflanzendoktor“ bei der Ursachenklärung und Beratung vor?

Veser: In den allermeisten Fällen ist eine Untersuchung vor Ort notwendig – Ferndiagnosen sind nur in Ausnahmefällen möglich. Bei einer Untersuchung vor Ort muss das Umfeld beachtet, die zeitliche Entwicklung der Symptome erfragt und insbesondere auch die bislang durchgeführten Pflegemaßnahmen berücksichtigt werden. Schaderreger, die sich außen an den oberirdischen Pflanzenteilen befinden, sind manchmal direkt nachweisbar. Im Wurzelbereich oder auch im Pflanzengewebe befindliche Schadorganismen lassen sich nach Anschnitt der Zweige oder Freilagen der Wurzeln finden. Insekten und Milben können mit entsprechender Erfahrung oft ausreichend genau bestimmt werden, bei Bakterien- oder Pilzkrankheiten kann es notwendig werden, eine Labordiagnose anzuschließen. Auch wenn ein Erreger nachgewiesen wurde, muss sich immer eine Bewertung anschließen: Gibt es möglicherweise andere, oft auch nicht-parasitäre Ursachen, die den Befall begünstigt haben?

Was folgt dann?

Veser: Wenn gar keine Pathogene (z. B. Mikroorganismen oder Viren, Anm. der Red.) für den Schaden verantwortlich waren, sondern abiotische Schadfaktoren, also beispielsweise Witterung, Wasser- oder Nährstoffversorgung, zu der Symptomatik geführt haben, ist ein direkter Nachweis oft gar nicht möglich. Dann bleibt nur eine Einschätzung aufgrund des Schadbilds und der besonderen Standortbedingungen sowie der Pflegedaten, um basierend auf Wahrscheinlichkeiten eine Aussage über die Ursache zu treffen.

Blattläuse, durch natürliche Schlupfwespen-Parasitierung abgestorben – erkennbar am Schlupfloch in der Blattlausmumie. | Foto: Privat
Blattläuse, durch natürliche Schlupfwespen-Parasitierung abgestorben – erkennbar am Schlupfloch in der Blattlausmumie. | Foto: Privat

Sie raten zu biologischem Pflanzenschutz: Was steckt genau dahinter und wo besteht der Unterschied zu anderen Maßnahmen?

Veser: Dazu gibt es nun viele verschiedene Definitionen – die Basis bilden aber auch im biologischen Pflanzenschutz alle vorbeugenden Maßnahmen des integrierten Pflanzenschutzes. Streng genommen werden dann zur direkten Bekämpfung nur natürliche Gegenspieler aus dem Tierreich und Pflanzenschutzmittel auf mikrobiologischer Basis eingesetzt. Der entscheidende Unterschied ist das weitgehende Fehlen unerwünschter Nebenwirkungen auf Natur, Boden und Wasser. Und es gibt zumindest bei den tierischen Nützlingen keinerlei Rückstandsproblematik bei Obst oder Gemüse. Probleme mit Auflagen bei Pflanzenschutzmitteln wie zum Beispiel Oberflächengewässerabstandsauflagen und anderen festgeschriebenen Anwendungsbestimmungen treten beim Nützlingseinsatz nicht auf. Rechtlich gesehen unterliegen allerdings auch die mikrobiologischen Pflanzenschutzmittel dem aufwändigen Wirkstoffgenehmigungs- beziehungsweise Präparate-Zulassungsverfahren wie alle anderen synthetischen Pflanzenschutzmittel auch. Nützlinge, sofern sie gebietsheimisch sind, dürfen dagegen ohne weitere Einschränkungen eingesetzt werden.

Welche Schädlinge oder Krankheiten lassen sich damit bekämpfen – und welche nicht?

Veser: Hier gibt es immer wieder neue Produkte auf dem Markt, auch das verfügbare Nützlingssortiment entwickelt sich stetig weiter. Sicher gibt es mehr erprobte Verfahren zur Begrenzung von tierischen Schädlingen. Biologische Produkte gegen Pilzkrankheiten, wie zum Beispiel Bakterienpräparate zur Begrenzung des Echten Mehltaupilzes, sind erst seit einigen Jahren auf dem Markt. Unbefriedigend ist derzeit noch die Situation bei den mikrobiologischen Präparaten: Da diese dem normalen Zulassungsverfahren unterliegen, muss im Einzelfall geprüft werden, ob das Präparat tatsächlich auch im privaten Garten beziehungsweise auf öffentlichen Flächen eingesetzt werden darf. Gute Erfolge können bei der Begrenzung von Blattläusen auch in Gärten erzielt werden. Aber auch Spinnmilben-Kalamitäten lassen sich durch rechtzeitigen Raubmilben-Einsatz oft verhindern. Sehr erfolgreich lassen sich die Larven des Gefurchten Dickmaulrüsslers in Pflanzungen bekämpfen. Hier werden insektenpathogene Nematoden abgestimmt auf den Zyklus des Schädlings sowie die Bodentemperaturen eingesetzt.

Gedeiht die grüne Branche?

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Der Einsatz welcher Pflanzenschutzmittel ist im Garten überhaupt erlaubt?

Veser: In Kundengärten dürfen ausschließlich solche Präparate eingesetzt werden, die von den Zulassungsbehörden als dafür geeignet erachtet werden; solche Produkte tragen die Kennzeichnung „für die Anwendung durch nicht-berufliche Anwender zugelassen“. Das betrifft auch den sachkundepflichtigen Landschaftsgärtner beim Pflanzenschutzmitteleinsatz im Kundengarten. Einen Überblick kann sich der Gärtner auf der Homepage des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit BVL verschaffen – in der Suchmaske „HuK“ auswählen. Diese Datenbank wird monatlich aktualisiert. Für die Anwendung auf öffentlichen Flächen gelten weitergehende Kriterien. Solche Produkte werden, meist auf Antrag, in eine Excel-Tabelle aufgenommen, die ebenfalls auf der Homepage des BVL abgerufen werden kann. Wichtig: keinesfalls vergessen, dass die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln grundsätzlich nur auf gärtnerisch, landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Flächen erlaubt ist. Der Einsatz von Herbiziden auf Wegen oder Terrassen ist deshalb verboten. Es sei denn, es wurde eine individuelle Ausnahmegenehmigung nach Paragraf 12 erteilt.

Florfliegenei auf transparentem Stiel – die Larven haben Blattläuse zum Fressen gern. | Foto: Privat
Florfliegenei auf transparentem Stiel – die Larven haben Blattläuse zum Fressen gern. | Foto: Privat

Und was geht gar nicht?

Veser: Pflanzenschutzmitteleinsatz ohne sachliche Begründung – das kommt leider öfter vor, als man vermuten würde. Auf Nachfrage kommt dann oft die Erklärung, dass das schon immer so um diese Jahreszeit durchgeführt wurde. Und die Missachtung der Aufwandmenge – leider gibt es immer noch Pflanzenschutzmittel-Anwender, die sich der Problematik dieser Gefahrstoffe für Mensch und Umwelt scheinbar nicht bewusst sind und die deshalb nach dem Prinzip „Viel hilft viel“ arbeiten. Auch die Bekämpfung jeglicher Organismen an Gartenpflanzen, ohne dass eine sachlich fundierte Bewertung des Schädigungspotenzials durchgeführt wurde, geht gar nicht. Ebenso die gedankenlose Anwendung von „Hausmitteln“, deren Schadwirkung auf Boden oder Wasser völlig unterschätzt wird: Salz darf eben nicht zur Unkrautbekämpfung eingesetzt werden. Ausnahme sind solche Stoffe, die als Grundstoff gelistet und für die gewünschte Anwendung genehmigt wurden – seit geraumer Zeit zum Beispiel Essig in begrenzter Anwendungshäufigkeit gegen unerwünschten Bewuchs auf Wegen.

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