„Tendenziell wird viel zu früh wieder gegossen“
Wie lassen sich Schädlinge und Krankheiten in der grünen Idylle ohne Chemiekeule bekämpfen? Gartenbauingenieur Jochen Veser erläutert im Interview mit B_I galabau-Redakteur Jan Torben Budde, wie biologischer Pflanzenschutz gelingt – und was schieflaufen kann. Er spricht über Nützlinge, Bewässerung und Tabus.
Wie können Landschafts- oder auch Hobbygärtner gegen Schädlinge vorbeugen?
Worauf ist zu achten, wenn die Pflanzung bereits erfolgt ist?
Veser: Bei bestehenden Pflanzungen spielen die bedarfsgerechte Bewässerung und angepasste Düngung eine entscheidende Rolle für die Widerstandskraft der Pflanzen – Bodenuntersuchungen auf Grundnährstoffgehalte kosten nicht viel und bringen einen hohen Erkenntnisgewinn. Wird beim Pflegeschnitt auf physiologisch korrekte Schnittführung und auf scharfe Werkzeugklingen geachtet, trägt dies dazu bei, dass Schwächeparasiten weniger schnell Fuß fassen können. Manchmal ist auch eine Werkzeugdesinfektion ratsam, um Problem-Schaderreger wie Feuerbrand nicht versehentlich zu verbreiten. Regelmäßige Anwendung von Stärkungsmitteln oder Biostimulanzien können die Vitalität der Pflanzen steigern. Natürliche Gegenspieler vieler Pflanzenschädlinge besiedeln rasch die Pflanzungen: Lernen Sie die Arten kennen, nur so können Sie diese auch schonen. Mit etwas Geduld werden viele anfänglich als dramatisch eingeschätzte Schädlingspopulationen in erstaunlich kurzer Zeit vertilgt, wenn man der Natur ihren Lauf lässt.
Zur Person
Jochen Veser aus Korntal-Münchingen in Baden-Württemberg ist diplomierter Gartenbauingenieur. Er ist seit 1997 freiberuflich tätig. Der „Pflanzendoktor“ bietet individuelle Beratung für GaLaBau-Betriebe, Gartencenter, Privatkunden und Kommunen an. Auf Anfrage leitet er Seminare und hält Vorträge. So bietet Veser anerkannte „Sachkunde Pflanzenschutz“-Fortbildungen im Auftrag des Verbandes Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau Baden-Württemberg sowie der Gartenakademie Baden-Württemberg an. Zudem gibt er Pflanzenschutzunterricht an der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau (LVG) Heidelberg.
Welche sind die größten Fehler, sodass trotz aller Bemühungen dann doch Probleme in der grünen Idylle auftreten?
Veser: Nach vielen Jahren Beratung in den Gärten hat sich gezeigt, dass viele Gartenprobleme durch eine vom Bedarf der Pflanzen abweichende Wasserversorgung begünstigt oder sogar allein dadurch verursacht werden. Auch die zunehmend verbauten Bewässerungsanlagen lösen dieses Problem nicht grundsätzlich – viele Anlagen sind schlicht falsch programmiert.
Wozu raten Sie?
Veser: Eigentlich kann man die Frage nach der richtigen Bewässerung von Pflanzen recht einfach beantworten: Der Wurzelraum muss zeitweise feucht und dann auch wieder trocken sein, um die Wurzelatmung zu ermöglichen. Notwendige Bewässerungsmengen je Gießvorgang lassen sich unter Berücksichtigung der Bodeneigenschaften und der Vegetation pauschal festlegen – entscheidend ist die von Wurzeln erschlossene Bodenschicht. Für eine ausreichend tiefe Befeuchtung werden zwischen 20 l/m² (Rasen) bis über 60 l/m² (Baumbestand) benötigt. Bis zur nächsten Bewässerung muss der Boden aber auch wieder wurzeltief abtrocknen können; dies lässt sich seriös nur durch Probegrabung oder Einbau von Bodenfeuchte-Messgeräten wie zum Beispiel Tensiometern ermitteln. Testen Sie das mal aus: Tendenziell wird viel zu früh wieder gegossen, lange, bevor der Boden tatsächlich abgetrocknet ist. Natürlich gibt es aber auch Schaderreger, die ohne Rücksicht auf den Zustand der Pflanze massive Schäden anrichten können. Hier spielen neben altbekannten Arten auch immer wieder neu zugewanderte oder eingeschleppte Arten eine große Rolle, insbesondere auch deshalb, weil hier die natürlichen Gegenspieler (noch) fehlen.
Wie gehen Sie als „Pflanzendoktor“ bei der Ursachenklärung und Beratung vor?
Veser: In den allermeisten Fällen ist eine Untersuchung vor Ort notwendig – Ferndiagnosen sind nur in Ausnahmefällen möglich. Bei einer Untersuchung vor Ort muss das Umfeld beachtet, die zeitliche Entwicklung der Symptome erfragt und insbesondere auch die bislang durchgeführten Pflegemaßnahmen berücksichtigt werden. Schaderreger, die sich außen an den oberirdischen Pflanzenteilen befinden, sind manchmal direkt nachweisbar. Im Wurzelbereich oder auch im Pflanzengewebe befindliche Schadorganismen lassen sich nach Anschnitt der Zweige oder Freilagen der Wurzeln finden. Insekten und Milben können mit entsprechender Erfahrung oft ausreichend genau bestimmt werden, bei Bakterien- oder Pilzkrankheiten kann es notwendig werden, eine Labordiagnose anzuschließen. Auch wenn ein Erreger nachgewiesen wurde, muss sich immer eine Bewertung anschließen: Gibt es möglicherweise andere, oft auch nicht-parasitäre Ursachen, die den Befall begünstigt haben?
Was folgt dann?
Veser: Wenn gar keine Pathogene (z. B. Mikroorganismen oder Viren, Anm. der Red.) für den Schaden verantwortlich waren, sondern abiotische Schadfaktoren, also beispielsweise Witterung, Wasser- oder Nährstoffversorgung, zu der Symptomatik geführt haben, ist ein direkter Nachweis oft gar nicht möglich. Dann bleibt nur eine Einschätzung aufgrund des Schadbilds und der besonderen Standortbedingungen sowie der Pflegedaten, um basierend auf Wahrscheinlichkeiten eine Aussage über die Ursache zu treffen.