Wann lösen alternative Antriebe den Verbrenner ab?
Geht es um kleine Baumaschinen, ist der Umstieg auf alternative Antriebe in vollem Gange. Was aber größere Bagger & Co. betrifft, tut sich die Branche noch schwer. Adrian Huber von der Technischen Universität München spricht im Interview mit B_I MEDIEN über Wirtschaftlichkeit, Anreize für Unternehmen, staatliche Förderung und den Ausbau der Ladeinfrastruktur.
Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung hin zu alternativen Antrieben in der Baubranche ein?
Sehen Sie einen Umbruch oder eher einen schrittweisen Übergang?
Huber: Es lässt sich feststellen, dass der Übergang zu alternativ angetriebenen Baumaschinen eher in einem schrittweisen Prozess erfolgt, anstatt sich in Form eines radikalen Paradigmenwechsels zu manifestieren. Dies ist unter anderem auf die langen Investitionszyklen im Baugerätebereich sowie das große Bedürfnis der Anwender nach Zuverlässigkeit und Prozesssicherheit zurückzuführen. Aufgrund der nur allmählichen Steigerung der Konkurrenzfähigkeit alternativ angetriebener Baumaschinen ist davon auszugehen, dass deren weitere Adaption ebenfalls in Etappen erfolgen wird. Ein Paradigmenwechsel könnte jedoch dann stattfinden, wenn politischer Druck und Regulatorik zunehmen und Emissionsanforderungen an den Baubetrieb schärfer werden.
Hohe Investitionskosten
Wo hakt es denn noch bei der Umstellung auf alternative Antriebe in der Baubranche, sowohl technisch als auch wirtschaftlich?
Huber: Unter Berücksichtigung technischer Aspekte lässt sich feststellen, dass eine Vielzahl alternativ angetriebener Baumaschinen bereits ein hohes technologisches Reifestadium erreicht hat. Technisch gesehen stehen sie konventionell angetriebenen Modellen – vorausgesetzt, diese sind vergleichbar – hinsichtlich deren Prozessleistung in nichts nach. Die gegenwärtig wohl einschneidendste Herausforderung für alternativ angetriebene Baumaschinen besteht in deren Wirtschaftlichkeit. Die Höhe der Investitionskosten ist derart hoch, dass selbst unter Verwendung einer „Total Cost of Ownership“-Berechnung, welche auch geringere Aufwendungen für Wartung und Energie mit einbezieht, die Anschaffung meist nicht wirtschaftlich ist. Darüber hinaus ergeben sich Schwierigkeiten, die aus bauspezifischen Gegebenheiten resultieren. Dazu zählen beispielsweise eine oft unzureichende Ladeinfrastruktur vor Ort oder eine unzureichende Schulung des Personals im Umgang und in der Wartung von elektrischen Baumaschinen.
Welche Rolle spielen Elektro-Antriebe für die Zukunft der Baumaschinen?
Kabelelektrische Antriebe
Welche Herausforderungen sehen Sie besonders bei großen und schweren Maschinen?
Huber: In der derzeitigen Situation kann der Betrieb von großen, schweren Maschinen mit hohen Emissionswerten lediglich mittels kabelelektrischer Antriebe oder unter Zuhilfenahme synthetischer Kraftstoffe sinnvoll umgesetzt werden, um deren Emissionen zu reduzieren. Im ersten Fall ist der Wirkungsgrad deutlich höher und die Kosten geringer, jedoch ist dies aufgrund hoher Leistungsbedarfe der Maschinen nur in seltenen Fällen mit der vorhandenen Infrastruktur vor Ort vereinbar. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Arbeitsaufgabe der Maschine sowie die üblicherweise durchgeführten Bauprozesse kaum Mobilität voraussetzen dürfen. Ansonsten wird die Kostenfrage die wahrscheinlich entscheidende Rolle in Bezug auf die langfristige Konkurrenzfähigkeit zwischen E-Fuels, HVO100 und Wasserstoffverbrennungsmotoren spielen.
Gedeiht die grüne Branche?
Aktuelle Nachrichten zu den Entwicklungen im GaLa-Bau erfahren Sie in unserem Newsletter.
Hier abonnieren!
Wie beurteilen Sie das Potenzial von Wasserstoff als Energieträger für Baumaschinen?
Huber: Im Vergleich zu synthetischen Kraftstoffen weist Wasserstoff entlang der gesamten Prozesskette deutlich höhere Wirkungsgrade auf. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass die Speicher- und Transportlogistik mit einem hohen Aufwand und entsprechenden Kosten verbunden ist. Insbesondere bei einer sehr dezentralen Verteilung von Wasserstoff sind hohe Aufwendungen im Bereich der Versorgungslogistik zu erwarten. Infolge der geringen Energiedichte sind je nach Baustellenkonstellation komplexe Logistikprozesse mit mehreren Versorgungsfahrzeugen erforderlich. Diese stellt Anwender vor signifikante prozessuale Herausforderungen und kann in beträchtlichen zusätzlichen Kosten resultieren. Die Elektrifizierung ist in allen Leistungsklassen, in denen diese batterieelektrisch abbildbar ist, mit Sicherheit einfacher umsetzbar und, gemessen an der Wirtschaftlichkeit des Gesamtprozesses, vorteilhafter. Sofern die Möglichkeit besteht, Baumaschinen kabelelektrisch zu betreiben, sollte diese Variante in Erwägung gezogen werden.
Für welche Leistungsart interessieren Sie sich?
Bauleistungen
Dienstleistungen
Lieferleistungen
Zur Person
Vor seiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Fördertechnik, Materialfluss und Logistik der Technischen Universität München absolvierte Adrian Huber ein Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf der Untersuchung von Möglichkeiten zur Digitalisierung und Vernetzung von Baumaschinen im Bauhauptgewerbe mit dem Ziel einer großflächigen industrieller Adaption digitalisierter Baugeräte. Zudem befasst er sich mit der anwendungsoptimierten Dimensionierung leichter Baugeräte sowie alternativen Antrieben für Baumaschinen und der Umsetzung klimaneutraler Bauprozesse. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Optimierung bauprozessualer Abläufe sowie der energetischen Betrachtung von Baustellen als Gesamtökosysteme. Zusätzlich zur langjährigen Betreuung der Vorlesung „Baumaschinen“ an der Technischen Universität München leitet er die Forschungsgruppe „Smarte Arbeitsmaschinen und Systeme" und ist in Verbänden und Gremien der Baubranche aktiv.
Welche Rolle spielen Brennstoffzellen?
Ausbau der Ladeinfrastruktur
Wie wichtig ist der Ausbau der Ladeinfrastruktur für den Einsatz von E-Baumaschinen, gerade auf Baustellen in ländlichen Regionen?
Huber: Der Ausbau der Ladeinfrastruktur ist eine grundlegende Voraussetzung für die wirtschaftliche Nutzung elektrischer Baumaschinen. Die gegenwärtig häufig langen Genehmigungsverfahren für Baustrom stellen eine Erschwernis für die Planung dar und führen zu einer Beeinträchtigung des Vertrauens in die Technologie. Zudem existieren erhebliche Restriktionen hinsichtlich der Leistungsfähigkeit der Netzanschlüsse auf Baustellen. Dies führt dazu, dass der Energiebedarf auf Baustellen nicht gedeckt werden kann, sollte überwiegend mit elektrischen Baumaschinen gearbeitet werden. In ländlichen Regionen ist die Sicherstellung der Einsatzfähigkeit elektrischer Baumaschinen auf einer Vielzahl von Baustellen aufgrund fehlender Infrastruktur schlichtweg nicht möglich. Folglich wird der Einsatz dieser Art von Maschinen massiv erschwert. Das Problem ist jedoch ein gesamtgesellschaftliches, dessen Lösung weder von den Herstellern von Baumaschinen noch von Generalunternehmern erwartet werden kann.
Welche wirtschaftlichen Anreize sind erforderlich, um die Umstellung auf alternative Antriebe für Unternehmen attraktiver zu machen?
Förderung bei der Anschaffung von Baumaschinen
Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen sind notwendig, um die Umstellung auf alternative Antriebe zu fördern?
Huber: Insbesondere eine staatliche Förderung im Bereich der Anschaffungskosten kann als sinnvoll angesehen werden, um die Umstellung auf alternative Antriebe zu erleichtern. In Anlehnung an die Förderung von Elektrofahrzeugen könnte auch die Anschaffung von Baumaschinen mit alternativem Antrieb bezuschusst werden. Der Vorteil einer solchen Förderung liegt nicht nur in der erleichterten Investitionsentscheidung für Anwender, sondern auch in der Möglichkeit einer signifikanten Steigerung der Absatzzahlen für OEMs. In der Konsequenz können Skaleneffekte in der Produktion genutzt und neue Investitionen in Antriebstechnologien und Produktionsverfahren getätigt werden. Beides resultiert in einer weiteren Reduktion der Kosten, was die Adaption weiter beschleunigt. Es ist zu konstatieren, dass der politische Gestaltungswille im Off-Highway-Bereich deutlich geringer ist als im On-Highway-Bereich. Unter Berücksichtigung der aktuellen Gegebenheiten erscheint die Umsetzung langfristiger, signifikanter Fördermaßnahmen für alternativ angetriebene Baumaschinen deshalb wenig wahrscheinlich.
Welche Forschungsfelder sind wichtig, um die Entwicklung von alternativen Antrieben in der Bau-Branche voranzutreiben?
Huber: In erster Linie ist hier Forschung im Bereich alternativer Antriebstechnologien, die speziell auf die Bedürfnisse von Baumaschinen ausgelegt sind, zu nennen. Neben batterieelektrischen Konzepten, welche in hohem Maße von der Forschung im Automobilbereich profitieren, werden auch Wasserstoffverbrennungsmotoren und hybride Konzepte zunehmend ausgereifter. Im Gegensatz zum Automobilbereich ist das Aufgabenspektrum sowie die damit einhergehenden Energiebedarfe von Baumaschinen von einer hohen Komplexität geprägt. In Anbetracht der vielfältigen Einsatzbereiche und zahlreichen Maschinenklassen ist die Entwicklung differenzierter Antriebskonzepte unerlässlich, um den spezifischen Anforderungen der jeweiligen Maschinen-Anwendungs-Kombination gerecht zu werden. Daher ist es von essenzieller Bedeutung, Forschung im Bereich typisch durchgeführter Bauaufgaben und Maschinenkompositionen zu betreiben sowie ein Gesamtverständnis für Baustellen als energetische Ökosysteme zu entwickeln. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Baumaschinen prozessoptimal ausgelegt und wirtschaftlich angeboten werden können.
Welche Auswirkungen hat die Umstellung auf alternative Antriebe auf die Beschäftigten in der Bau-Branche?
Huber: Die Beschäftigten in der Bauindustrie sehen sich mit der Anforderung konfrontiert, zunehmend Know-how im Bereich der Bedienung und dem allgemeinen Umgang mit alternativ angetriebenen Baumaschinen aufzubauen. Während bislang lediglich ein Energieträger, Diesel, sämtliche Maschinen versorgte und geringen Planungsaufwand verursachte (immer vorhanden, wenn Maschine leer ist, wird nachgetankt), sind nunmehr teils komplexe Ladestrategien und Energiebedarfsplanungen erforderlich. Dies ist von essenzieller Bedeutung, um sicherzustellen, dass sowohl jede Maschine als auch die Baustelle als Ganzes stets mit ausreichend Energie versorgt ist und es zu keinem Prozessstillstand aufgrund eines Energieengpasses kommt. Ein wesentlicher Aspekt, der von den für den Einkauf verantwortlichen Entscheidungsträgern als kritisch erachtet wird, ist das aktuell noch unzureichende Know-how der Belegschaft im Umgang mit alternativ angetriebenen Maschinen. Dies betrifft sowohl die Verwendung im Bauprozess als auch die Wartung der Maschinen. Diese Defizite müssen durch geeignete Schulungsangebote, auch seitens der OEMs, beispielsweise beim Kauf einer solchen Maschine, schrittweise beseitigt werden.
Alternativer Antrieb als Standard?
Wann rechnen Sie damit, dass alternative Antriebe in der Baubranche den Standard darstellen werden?
Welche ungenutzten Potenziale sehen Sie für mehr Klimaschutz in der Bauindustrie?
Huber: Das größte Potenzial für die Branche als Ganzes liegt in der Verwendung klimafreundlicherer Baumaterialien. Diesbezüglich ist der Hebel zur Reduktion der Emissionen deutlich größer als bei den maschineninduzierten Emissionen im Baubetrieb. Dennoch sind auch diese in einer ähnlichen Größenordnung wie der Luftfahrtsektor oder die globale Schifffahrt. Die Notwendigkeit, klimafreundlicher zu bauen und auch die Emissionen im laufenden Baubetrieb zu reduzieren, lässt sich folglich nicht von der Hand weisen. In Bezug auf die Bauindustrie lässt sich sowohl hinsichtlich wissenschaftlicher Forschungstätigkeiten als auch staatlicher Fördermaßnahmen ein deutlicher Rückstand gegenüber anderen Industriezweigen konstatieren. In diesem Kontext kann auf den potenziellen Nutzen der Förderung von Forschung und Entwicklung alternativer Antriebe speziell für die Bedarfe von Baumaschinen hingewiesen werden. Dadurch könnten bisher ungenutzte Potenziale gehoben und klimapolitische Ziele schneller erreicht werden.
Herr Huber, vielen Dank für das Gespräch.
Lesen Sie auch:
Neueste Beiträge:
Meistgelesene Artikel
Verwandte Bau-Themen:
Top Bau-Themen:
Jetzt zum Newsletter anmelden:
Werden Sie Experte im Garten- und Landschaftsbau. Plus: Kommunaltechnik.