Lieferkettengesetz nimmt Bauunternehmen in die Verantwortung

Das Lieferkettengesetz ist beschlossen, der Bundesrat hat das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten abgesegnet. Doch die Regelungen, auf die sich die Große Koalition geeinigt hat, könnten schon bald von der EU verschärft werden – mit Konsequenzen auch für die Bauwirtschaft.

Lieferkettengesetz nimmt Bauunternehmen in die Verantwortung
Das Lieferkettengesetz kommt: Für die Bauwirtschaft wird es höchst kompliziert, bei jedem verbauten Produkt einen Herkunftsnachweis zu erbringen. | Foto: Michael Gaida/Pixabay

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Die 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages geht zu Ende. Die Bundestagwahl 2021 steht vor der Tür. Da wollte die Große Koalition das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltsplichten in Lieferketten“ doch noch verabschieden. Bereits im Koalitionsvertrag von 2018 hatte sich die Bundesregierung verpflichtet, eine unternehmerische Sorgfaltsplicht per Gesetz zu regeln, sofern nicht die Mehrheit der deutschen Großunternehmen bis zum Jahr 2020 entsprechende Prozesse freiwillig veranlassen würde. Diese Formulierung geht auf den nationalen Aktionsplan „Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung“ aus dem Jahr 2016 zurück.

Auf Vorschlag von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) beschloss die Bundesregierung am 3. März 2021 den Entwurf des Gesetzes. Der Bundestag nahm – nach zwischenzeitlichen Blockaden - schließlich am 11. Juni 2021 das Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten auf. Der Bundesrat hatte zuvor keine Einwände erhoben. Am 25. Juni 2021 hat die Länderkammer das Gesetz über unternehmerische Sorgfaltspflichten in Lieferketten durch Verzicht auf ein Vermittlungsverfahren gebilligt. Es kann jetzt dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet und im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Das Lieferkettengesetz auf nationaler Ebene ist also beschlossen.

Ziel des Lieferkettengesetzes: Weltweit Leben in Würde

Entwicklungsminister Müller hatte frühzeitig die Zielsetzung des Gesetzesvorhabens umschrieben: „Jeder Mensch hat das Recht auf ein Leben in Würde – das gilt nicht nur für Deutschland, sondern weltweit! Kein Kind soll auf den Kakao- oder Baumwollplantagen für unseren Wohlstand schuften müssen. Deswegen umfasst das Gesetz die gesamte Lieferkette – vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt. Das Gesetz wird so Wirkung erzielen und es ist gleichzeitig mit Augenmaß (sic!): Die Verantwortung der Unternehmen ist entlang der Lieferkette abgestuft, und es gibt Übergangsfristen. Dabei berücksichtigen wir besonders die Interessen der Mittelständler. Und besonders wichtig war mir, das Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit wirksam umzusetzen“, so der Minister.

Die 12 Eckpunkte des Lieferkettengesetzes

Die Bundesregierung hatte sich im Bundeskabinett am 3. März 2021 auf folgende Eckpunkte verständigt, die Bestandteil der Einigung in der Großen Koalition waren:

1. Besserer Schutz der Menschenrechtssicherheit für Unternehmen
Durch das Gesetz sollen in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet werden, ihrer Verantwortung der Lieferkette mit Blick auf die Achtung internationaler anerkannter Menschenrechte durch die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten besser nachzukommen. Dadurch sollen zum einen die Rechte der von den Unternehmensaktivitäten betroffenen Menschen in den Lieferketten gestärkt, zum anderen den legitimen Interessen der Unternehmen an Rechtssicherheit und fairen Wettbewerbsbedingungen Rechnung tragen werden.

2. Unternehmensgröße
Das Gesetz soll ab 2023 verbindlich für große Unternehmen mit mindestens 3.000 Beschäftigten in Deutschland und ab 2024 dann für alle Unternehmen mit mindestens 1.000 Beschäftigten in Deutschland gelten. 600 Unternehmen haben in Deutschland mindestens 3.000 Beschäftigte und 2.900 Unternehmen in Deutschland haben mindestens 1.000 Mitarbeiter.

3. Umfang der Verantwortung in der Lieferkette
Die Verantwortung der Unternehmen erstreckt sich auf die gesamte Lieferkette, wobei die Unternehmensverantwortung nach dem Grad der Einflussmöglichkeiten abgestuft ist. Die Elemente der menschenrechtlichen Sorgfalt gelten zunächst für die Unternehmen selbst, sowie für unmittelbare Zulieferer. Menschenrechtsrisiken bei mittelbaren Zulieferern, d.h. in den tieferen Gliedern der Lieferkette, müssen analysiert und adressiert werden, wenn Unternehmen darüber substantiiert Kenntnis erlangen.

4. Opfer von Menschrechtsverletzungen und Zivilgesellschaft werden gestärkt
Im Sorgfaltspflichtengesetz ist auch der Umweltschutz erfasst, soweit Umweltrisiken zu Menschrechtsverletzungen führen können. Zudem werden umweltbezogene Pflichten etabliert, die sich aus zwei internationalen Abkommen zum Schutz vor dem Gesundheits- und Umweltgefahren durch Quecksilber und langlebige organische Schadstoffe ergeben. Das Gesetz ist damit ein wichtiger Schritt und ein Signal für die Stärkung von Umweltschutz in Lieferketten.

5. Gerichtliche Geltendmachung
Künftig können Betroffene sich vor deutschen Gerichten von Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften vertreten lassen und sie zur Prozessführung ermächtigen, wenn sie sich durch einen Verstoß gegen die unternehmerische Sorgfaltspflicht in überragend wichtigen Rechtspositionen verletzt sehen. Es wird also Prozessstandschaft definiert.

6. Basis für gemeinsames internationales Verständnis für Sorgfaltsplicht
Das Lieferkettengesetz schafft die Grundlage für ein gemeinsames internationales Verständnis der Sorgfaltspflicht. Es wird dazu beitragen, die rechtlichen Anforderungen an die unternehmerische Sorgfaltsplicht zu harmonisieren und die Debatte um eine europäische Union-Gesetzgebung prägen.

7. Risikomanagement
Die betroffenen Unternehmen müssen zur Erfüllung ihrer Sorgfaltspflicht ein Risikomanagement im eigenen Unternehmen einrichten. Auf Basis einer Grundsatzerklärung über die Menschenrechtsstrategie haben sie im Rahmen einer fortlaufenden Risikoanalyse die Lieferketten zu prüfen und geeignete Präventionsmaßnahmen zu treffen.

8. Beschwerden
Zudem müssen die Unternehmen dafür sorgen, dass ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren eingerichtet wird, dass es Personen ermöglicht, bei möglichen Rechtsverletzungen sich zu beschweren.

9. Dokumentations- und Berichtspflicht
Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten ist unternehmensintern fortlaufend zu dokumentieren. Ein Jahresbericht ist zu fertigen und auf der Homepage des Unternehmens zu veröffentlichen.

10. Behördliche Kontrollen
Für die Durchsetzung der gesetzlichen Anforderungen wird erstmals eine Kontrollbehörde sorgen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle bekommt hierfür ein Mandat, die Wirtschaft mit konkreten Informationen für die Umsetzung zu unterstützen und gleichzeitig Kontrollinstanz zu sein. Sie wird entsprechend mit personellen und finanziellen Ressourcen ausgestattet.

11. Buß- und Zwangsgelder
Die Behörde kann bei Verstößen geeignete Buß- und Zwangsgelder verhängen. Der Bußgeldrahmen reicht bei schweren Verstößen bis zu 2 % des durchschnittlichen Jahresumsatzes des weltweiten Konzernumsatzes.

12. Ausschluss von der Vergabe öffentlicher Aufträge
Sofern Vergabe über Liefer-, Bau- und Dienstleistungsaufträge nach der Regelung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen durchgeführt werden, können Unternehmen bis zur nachgewiesenen Selbstreinigung von den Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. Voraussetzung ist allerdings, dass gegen das Unternehmen ein rechtskräftig festgestellter Verstoß mit einer Geldbuße von mindestens 175.000 Euro gegeben ist.

Haftung für Firmen nicht erweitert

Auf Drängen der Wirtschaftsunion zog die CDU/CSU-Fraktion die Reißleine und blockierte eine weitere Beratung des Gesetzesvorhabens. Erst am 29. Mai 2021 wurde diese Blockade beseitigt. Die im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Haftung für Firmen sollte durch das Gesetz nicht erweitert werden. Die Große Koalition war sich wieder einig.

In den Beratungen des Ausschusses für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestages wurde ergänzend durchgesetzt, dass die Regelungen auch auf Unternehmen anzuwenden sind, die eine Zweigniederlassung im Inland haben oder Tochterfirmen in Deutschland einbezogen werden. In die Mitarbeiterzahl werden ins Ausland entsandte Beschäftigte einbezogen.

Kern der Einigung der Regierungskoalition ist, dass das Gesetz keine zusätzliche Haftung für Unternehmen bei Verstößen gegen Menschenrechte im Ausland bewirken soll. Ferner wurde kritisiert, dass durch das Gesetz einheimischen Firmen Prozesse drohten. Deshalb sollte eine Klarstellung erfolgen, um zivilrechtliche Entschädigungen auf Basis deutschen Rechts zu erschweren. Die Klausel lautet jetzt: „Eine Verletzung der Pflichten aus diesem Gesetz begründet keine zivilrechtliche Haftung. Eine unabhängig von diesem Gesetz begründete zivilrechtliche Haftung bleibt unberührt“. Die ohnehin im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgesehene Haftung für Firmen würde also weiter gelten.

Konsequenzen für die Bauwirtschaft

Während der gesamten Beratungen des Gesetzesvorhabens ist die deutsche Wirtschaft dagegen Sturm gelaufen. In einem Brief von 27 Verbänden hat die deutsche Wirtschaft zwar grundsätzlich die Achtung der Menschenrechte in globalen Lieferketten für gut befunden. Den konkreten Regelungsvorschlag lehnten sie jedoch aus einer Vielzahl von Gründen ab. Auch die Bauverbände, der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes, haben das Vorhaben eindeutig abgelehnt. Die Bauwirtschaft mit ihrer arbeitsteiligen Produktionsweise sei in besonderer Weise von den Lieferkettenregelungen betroffen. Die Verpflichtungen der großen Unternehmen würden automatisch auf die kleinen und mittleren Unternehmen abgewälzt. Die seien überfordert.

Die Bauverbände hatten eine europäische Lösung gefordert. Diese wird schneller kommen als allen Beteiligten dies lieb ist. So hat im März 2021 das Europäische Parlament mit ganz großer Mehrheit einen Legislativvorschlag zur Rechenschafts- und Sorgfaltsplicht von Unternehmen angenommen und die EU-Kommission aufgefordert, zusammen entsprechende Richtlinien vorzuschlagen. Interessanterweise geht die bisherige Überlegung für ein europäisches Lieferkettengesetz über die deutschen Normen hinaus. So soll die EU-Regelung für alle Unternehmen unabhängig von ihrer Größe gelten. Es soll eine Haftung auch für Unternehmen mit Sitz in Drittstaaten bei Bezug zu Wirtschaftsbereichen mit hohem Risiko geben. Ausreichend ist dann eine Geschäftstätigkeit in der Europäischen Union. Zudem soll eine zivilrechtliche Haftung gegebenenfalls mit strafrechtlicher Haftung eingeführt werden. Es ist also ratsam, sich mit dem Thema intensiv zu befassen.

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