Newsletter abonnieren

Für Sie bauen wir unseren Newsletter mit den relevantesten Neuigkeiten aus der Branche.

Für Sie bauen wir unseren Newsletter mit den relevantesten Neuigkeiten aus der Branche.

Newsletter Anmeldung

Welche Rolle spielen Normen und Standards wirklich bei den Baukosten?

"Runter von den Standards" ist eine der Hauptforderungen, wenn es um die Kosten im Wohnungsbau geht. Aber sind Normen und hohe Standards wirklich die markanten Kostentreiber, oder was steckt tatsächlich hinter den hohen Baukosten in Deutschland? Können alternative Ansätze für kostengünstigeres Bauen den Wohnungsbau wieder in Fahrt bringen - wie etwa der Gebäudetyp E?

Wohnungsbau: Welche Rolle spielen Normen und Standards bei den Baukosten?
"Runter von den Standards" ist eine der Hauptforderungen, wenn es um die hohen Kosten im Wohnungsbau geht. | Foto: Vandersanden
Alle Jahre wieder wird Anfang des Jahres Bilanz gezogen, inwieweit die gesteckten Neubauziele im Geschosswohnungsbau erreicht wurden, oder nicht. Und immer wieder müssen sich die Verantwortlichen eingestehen, dass die erreichten Zahlen wieder unter denen liegen, die geplant waren. So auch im Jahr 2024, sowohl landesweit als auch regional. Statt zum Beispiel den von der vormaligen Ampel-Koalition angestrebten 400.000 Wohnungen wurden deutlich weniger realisiert. Und auch in den Regionen, etwa in Berlin, wurden die Ziele leider wieder klar verfehlt. So rechnete Bausenator Gäbler in einer Prognose für die Deutsche Presse Agentur statt der angestrebten 20.000 für das vergangene Jahr mit nur 15.000 erreichten Einheiten – ein weiterer Rückgang gegenüber 17.300 und 16.000 in den Jahren zuvor. Und auch für 2025 wollte er sich nicht auf eine positivere Voraussicht festlegen, im Gegenteil.

Fragt man nach den Ursachen für die verfehlten Ziele, so wird immer gerne auf die Vielzahl von Normen und Standards, verwiesen, die vom DIN Deutsches Institut für Normung herausgegeben werden. Ein Schuldiger scheint damit leicht gefunden – aber ist dem wirklich so?

Sicherheit und Qualität im Baugewerbe – ohne Normen und Standards geht es nicht

Die Bauwirtschaft zählt mit rund 2,6 Millionen Erwerbstätigen, 80.000 Unternehmen im Bauhauptgewerbe und 240.000 Unternehmen im Ausbaugewerbe sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich zu den wichtigsten Sektoren Deutschlands. Gleichzeitig steht sie aufgrund ihrer hohen CO2-Emissionen und Ressourcenverbräuche in der Kritik und ist mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert: Steigende Baukosten, mangelnde Digitalisierung, Fachkräftemangel und wachsende Anforderungen an den Klimaschutz erfordern neue Lösungsansätze.

Normen und Standards spielen hierbei eine Schlüsselrolle: Sie machen das Bauen sicherer, nachhaltiger, digitaler und wirtschaftlicher. Dies belegt auch eine aktuelle Umfrage vom Herbst 2024, bei der 300 aktive Fach- und Führungskräfte aus der Bauwirtschaft vom Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag von DIN befragt wurden. In der Umfrage wurde deutlich, wie wichtig DIN-Normen in der Praxis sind und welches Vertrauen die Bauwirtschaft in die Institution DIN setzt.

  • 69 % der Befragten halten DIN-Normen beim Bauen für unverzichtbar
  • 72 % betonen die Planungssicherheit, die DIN-Normen bieten, und
  • 63 % sehen in Normen die Garantie für hohe Bauqualität.

Was steckt wirklich hinter den steigenden Baukosten?

Uns interessierte in der Umfrage natürlich ein zentraler Punkt, nämlich, was denn die wahren Treiber der Baukosten, besonders im Geschosswohnungsbau, seien. Dabei waren die Antworten eindeutig:

  • Für mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 54,9 %, stehen die Materialkosten als Kostentreiber an erster Stelle. Dazu gehören die Ausgaben für Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe in der Produktion. So können sich beispielsweise die Preise für Stahl, Zement und andere Baumaterialien erheblich auf die Projektkosten auswirken.
  • An zweiter Stelle wurden mit 41 % wurden die Bauzinsen genannt.
  • Kostensteigerung aufgrund von Normanforderungen lagen in der Umfrage mit 40,6 % der Befragten erst an dritter Stelle.

Auch wenn damit deutlich wird, dass andere Gründe für die Kostensteigerungen maßgeblicher sind , so erkennt DIN den Anteil der Normen und Standards an der Steigerung der Baukosten an und nimmt dieses Ergebnis ernst. Denn es zeigt die Notwendigkeit einer breiten gesellschaftlichen Diskussion, um Anforderungen so zu gestalten, dass Anforderungen an Sicherheit, Qualität, Klimaschutz und an attraktiven Wohnraum mit der Wirtschaftlichkeit beim Bauen in Einklang stehen. Denn im Gegensatz zur allgemeinen Diskussion, sind Normen nicht starr. Sie müssen und werden an sich ändernde Herausforderungen angepasst, damit sie stets relevant bleiben. DIN übernimmt an dieser Stelle eine Moderatorenrolle zwischen Ansprüchen der Nutzer, den sicherheitstechnischen Vorgaben der Bauaufsicht und den praktischen Umsetzungsmöglichkeiten der Baubranche.

Markus Brunner, stellv. Leiter der Geschäftsstelle des Normenausschusses Bauwesen (NABau) in der Gruppe Bauen und Gebäude (BAU) des DIN. | Foto: DIN e.V.
Markus Brunner, stellv. Leiter der Geschäftsstelle des Normenausschusses Bauwesen (NABau) in der Gruppe Bauen und Gebäude (BAU) des DIN. | Foto: DIN e.V.

Normen und Standards ermöglichen Wettbewerb und Innovation

Normen und Standards erleichtern durch die Festlegung gemeinsamer Regeln die Planung und Bauausführung. So bilden sie eine Grundlage für kostengünstiges Bauen. Bauwerke sind zumeist Unikate, bei deren Errichtung zahlreiche Beteiligte zusammenarbeiten. Diese Vielfalt erfordert eine hohe Koordination und birgt ein erhöhtes Risiko für Fehler. Normen definieren die Schnittstellen zwischen den Beteiligten, schaffen ein gemeinsames Verständnis und verringern somit Abstimmungsbedarf. Dadurch lassen sich Abläufe optimieren und Fehler – und damit Kosten – vermeiden.

Die alte Weisheit: “Baue das erste Haus für deinen Feind, das zweite für deinen Freund und das dritte für dich selbst” kommt nicht von ungefähr. In Normen stecken Wissen und Erfahrung – dadurch können Fehler vermieden werden, was Baukosten senkt. Im Jahr 2022 beliefen sich die Fehlerkosten im Bauwesen auf gigantische 43,1 Milliarden Euro! Eine Studie von DIN und DKE belegt, dass die korrekte Anwendung von Normen diese Summe um rund 16,5 Milliarden Euro senken könnte.

Durch Normung werden Produkte untereinander austauschbar. Dies bedeutet, dass Anwender nicht mehr an einen spezifischen Hersteller oder Anbieter gebunden sind, da unterschiedliche Anbieter Produkte gemäß denselben Normen produzieren. Dadurch entsteht ein gesunder Wettbewerb. Hersteller müssen kontinuierlich danach streben, qualitativ bessere und preisgünstigere Produkte anzubieten. Darüber hinaus führt dieser Wettbewerb oft zu Innovationen und Effizienzsteigerungen in der Produktion. Die Möglichkeit, Bauprodukte von unterschiedlichen Herstellern zu kombinieren, erleichtert nicht nur die Planung und Logistik, sondern reduziert insgesamt auch die Baukosten, da Bauherren von den wettbewerbsbedingt günstigeren Preisen profitieren können. So tragen Normen maßgeblich dazu bei, die Transparenz auf dem Markt zu erhöhen und Investitionen in Bauvorhaben wirtschaftlich attraktiver zu gestalten.

Normung ermöglicht es, dass innovative Ideen und Technologien über ihre anfängliche, oft begrenzte Einsatzweise hinaus bekannt und einsetzbar werden. Durch die Etablierung allgemein anerkannter Standards schaffen Normungen einheitliche Rahmenbedingungen, die es unterschiedlichen Akteuren erleichtern, die Innovationen anzunehmen, zu integrieren und breitflächig umzusetzen. Dies fördert nicht nur die Akzeptanz und das Vertrauen, sondern unterstützt auch die Interoperabilität und Kompatibilität mit bestehenden Systemen und Produkten. Letztlich bildet Normung die Brücke, die aus einer vielversprechenden Innovation eine allgemein verfügbare und anerkannte Lösung macht.

Mehr Transparenz bei den Baukosten - die Folgekostenabschätzung kommt

Ab Januar dieses Jahres führt DIN eine Folgekostenabschätzung für Baunormen ein. Dies ist das Ergebnis einer gemeinsamen Initiative zwischen dem Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) und DIN, um die Baukosten im Wohnungsbau zu senken. Mit diesem neuen Prozess unterstützt DIN die Bestrebungen von Bund und Ländern, die Folgekosten von Normen im Geschosswohnungsbau zu begrenzen und so bezahlbaren Wohnraum zu fördern. Durch die Folgekostenabschätzung stellen wir sicher, dass mögliche Einflüsse auf Baukosten bereits während der Normerstellung transparent und ausgewogen berücksichtigt werden. Unvorhergesehene Kostenbelastungen lassen sich so vermeiden und gleichzeitig positive Effekte identifizieren, die Baukosten über den Lebenszyklus eines Gebäudes senken können.

Um besser zwischen sicherheitsrelevanten und darüberhinausgehenden Anforderungen unterscheiden zu können, werden bereits heute auf Grundlage vertraglicher Vereinbarungen zwischen den Bundesländern und DIN die rund 700 bauaufsichtlichen Normen – d.h. die Normen, auf die der Gesetzgeber direkt verweist – so erstellt, dass bauaufsichtliche Mindestanforderungen deutlich von weitergehenden Anforderungen getrennt sind.

Gebäudetyp E: Weißer Ritter für günstigeres Bauen?

Bauen in Deutschland muss einfacher, schneller und günstiger werden. Deshalb gibt es seitens der Bundesregierung eine Vielzahl von Maßnahmen, um kostengünstigeres Bauen zu ermöglichen. Eine dieser Maßnahmen ist die Erarbeitung einer Gesetzesvorlage – das Gebäudetyp-E-Gesetz - die es ermöglichen soll, bei Bedarf und Konsens zwischen den Beteiligten rechtssicher von Normen abweichen zu können. Der Gebäudetyp E geht auf eine Initiative der Bayerischen Architektenkammer zurück und wird von einer breiten Allianz von Vertreterinnen und Vertretern des Bundes, der Länder und aus der Praxis unterstützt. Laut Meinung der Gesetzesbefürworter werden leichter Innovationen und individuelle Lösungen für das klima- und ressourcenschonende, bedarfsgerechte und kostengünstige Bauen ermöglicht.

Dabei wird der gängigen Praxis und insbesondere der Rechtsprechung unterstellt, dass diese dazu tendiert, eine mangelhafte Leistung (Sachmangel) anzunehmen, wenn von Normen abgewichen wurde, weil zunächst einmal vermutet wird, dass Normen (allgemein) anerkannten Regeln der Technik (a.a.R.d.T) sind, die als Mindestanforderung für ein mangelfreies Werk gelten. Das hat in der Praxis angeblich dazu geführt, dass von Normen, die ja eigentlich freiwillig sind, nicht abgewichen wird, um der Gefahr einer Klage wegen mangelhafter Leistung aus dem Weg zu gehen. Das alles hat laut der Initiatoren der Gesetzes-vorlage den Neubau oder auch die Sanierung von Wohnungen verteuert und Investoren und Käufer ausgebremst. Aber ist das wirklich so?

Wir von DIN unterstützen die Bestrebungen des Gebäudetyp-E-Gesetzes, da das Gesetz den gesellschaftlichen Diskurs fördert, wo Maß und Mitte liegen sollen. Unserer Meinung nach kann der auch schon bisher im Rahmen privatwirtschaftlicher Verträge mögliche und nunmehr gesetzlich kodifizierte Ansatz, von Normen abweichen zu können, Flexibilität fördern.

DIN-Umfrage zeigt Skepsis gegenüber dem Gebäudetyp E – BGH lehnt Gesetzesentwurf ab

Allerdings: Unsere Umfrage unter 300 Expertinnen und Experten der Bauwirtschaft zeigt eine überwiegende Skepsis gegenüber dem Gebäudetyp E seitens der Bauwirtschaft selbst:

  • Weniger als ein Drittel der Befragten glaubt an die Vorteile dieses Ansatzes. Stattdessen wird eher die föderale Struktur des Bauordnungsrechts vom Großteil der Befragten als hinderlich wahrgenommen.
  • Rund 65 % sind der Ansicht, dass vielmehr ein bundesweit einheitliches Bauordnungsrecht zu effizienteren und kostengünstigeren Bauprozessen beitragen würde. Dies entspricht auch der Forderung der Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jahresgutachten.

Auch die Richter des 7. Zivilsenats des BGH widersprechen der Kernaussage des Gesetzes zum Gebäudetyp E. Sie betonen vielmehr, dass auch durch die bereits bestehende zivilrechtliche Gesetzeslage der Ausschluss von Normen möglich war und ist. So verweisen die Richter sehr deutlich darauf, dass unter Berücksichtigung von Normen und Standards auch schon jetzt Innovationen für einfacheres und günstigeres Bauen möglich waren und sind.

Was der BGH jedoch auch betont, ist, dass es immer wichtig war und es auch bleibt, dass sich die Baubeteiligten mittels zivilrechtlicher Verträge über neue Bauweisen oder die Verwendung neuer Baustoffe eindeutig verständigen. Die durch den Gesetzentwurf zum Gebäudetyp E möglichen Schnellverfahren ohne fachkundige Begleitung und die damit verbundenen tiefgreifenden Änderungen des Bauvertragsrechts lehnen die Richter ab.

Im Bau kennen wir uns aus!

Für Sie bauen wir unseren Newsletter mit den relevantesten Neuigkeiten aus der Branche.

Gleich abonnieren!

Ich akzeptiere die Datenschutz-Bestimmungen.
Newsletter Anmeldung
Newsletter Anmeldung

Die Ergebnisse der Civey-Umfrage zur Baunormung finden sich hier.

Über den Autor

Markus Brunner ist stellv. Leiter der Geschäftsstelle des Normenausschusses Bauwesen (NABau) in der Gruppe Bauen und Gebäude (BAU) des DIN. Er ist seit 2021 beim DIN beschäftigt. Zuvor durchlief er verschiedene Stationen in der Baustoffindustrie im In- und Ausland und verfügt über einschlägige Erfahrung im Bereich Nachhaltiges Bauen.

Lesen Sie auch:

Neueste Beiträge:

Weitere Beiträge

1
2
3

Für welche Leistungsart interessieren Sie sich?

Bauleistungen
Bauleistungen

Bau­leistungen

Dienstleistungen
Dienstleistungen

Dienst­leistungen

Lieferleistungen
Lieferleistungen

Liefer­leistungen

Wo suchen Sie Aufträge?

Ausschreibungs-Radar
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen

Verwandte Bau-Themen:

Jetzt zum Newsletter anmelden:

Lesen Sie Nachrichten zu Bauwirtschaft und Baupolitik aus erster Hand. Plus: Hoch-, Tief- und Straßenbau.