Teamwork an Norderneys Dünen
Vor dem Hintergrund des Ausbaus der Offshore-Windenergie von der Nordsee bis nach Lingen im Emsland realisiert der Übertragungsnetzbetreiber Amprion mit den Projekten DolWin4 und BorWin4 seit 2019 erstmals Offshore-Netzanbindungssysteme zur Anbindung von Offshore-Windparks an das Übertragungsnetz. Diesen Sommer hat die Ludwig Freytag GmbH und Co. KG die Dünen auf Norderney unterquert. Bei den anspruchsvollen Bedingungen war Teamwork gefragt.
Aus den planerischen Vorgaben und einer engen Absprache mit Eigentümern, Pächtern und Fachbehörden ging eine Ausschreibung hervor, die im April 2021 auf den Markt kam und im September 2021 zur Beauftragung des Generalunternehmens Ludwig Freytag führte. Der Auftrag sah vor, dass Ludwig Freytag, vertreten durch die drei nachstehenden Tochterunternehmen, die Kabelschutzrohrbauwerke zur Aufnahme der zukünftigen Energiekabelsysteme unter den Dünen und Deichen im Sinne eines Turnkey-Vertrags ausführt:
- TRNW (Tief- und Rohrleitungsbau Nordwest = Erd- und Rohrbau)
- LMR (Land and Marine Drilling = Horizontalspülbohrungen)
- TAGU (Tiefbau-GmbH Unterweser = Wasserbau)
Von elementarer Bedeutung war dabei die vollumfängliche Einhaltung umfangreicher Auflagen aus dem Küsten-, Umwelt- und Naturschutz sowie die Beachtung von Belangen der lokalen Anlieger. Der Umfang dieser Restriktionen war erheblich und zeigte deutlichen Einfluss auf die Ausführung der Arbeiten.
Bestandteil der Arbeiten war für den hier dargestellten ersten Bauabschnitt „Norderney-Nord“ zur Querung der Dünen auf Norderney, dass – vorbehaltlich einer zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe ausstehenden Genehmigung – das Baufeld im Januar 2022 vorbereitet werden und die eigentliche Ausführung der Arbeiten im Zeitraum vom 15. Juli bis zum 15. September 2022 stattfinden sollte. Dieses Zeitfenster im Sommer ist unter der Prämisse, dass Erdbau-, Rohrbau-, Wasserbau- und HDD-Arbeiten stattfinden und koordiniert werden müssen, ausgesprochen kurz. Vor diesem Hintergrund muss eine komplexe Gemengelage aus Auflagen und einer anspruchsvollen Logistik bewältigt werden.
Vorbereitung der Erdbau-, Rohrbau-, Wasserbau- und HDD-Arbeiten mit Herausforderungen
Mit Eingang der Auftragsvergabe wurde umgehend ein Projektteam aus den verschiedenen Fachbereichen der Firma Ludwig Freytag aktiviert. In enger Zusammenarbeit mit Amprion-Vertretern wurde zunächst die Oberflächenvorbereitung für den Januar 2022 vorbereitet und dann umgesetzt. Diese bestand aus einer Rodung von Büschen, der Entfernung von Wurzelwerk, dem Abziehen und Zwischenlagern von Oberböden, dem Umsetzen einer Mutterbodenmiete sowie dem Aufschottern eines Teilbereichs des zukünftigen Bohrplatzes. Der offene und ehrliche Umgang aller an dieser Teilmaßnahme Beteiligten trug erheblich zum Erfolg bei.
Diesem ersten Arbeitsschritt folgte die Erstellung des Ausführungskonzeptes für die Erdbau-, Rohrbau-, Wasserbau- und HDD-Arbeiten. Umfangreiche Unterlagen wurden erstellt, ausgetauscht, überprüft, revidiert und nach Freigabe durch den Auftraggeber Amprion dem Datenaustauschsystem zugeführt. Dieser Vorgang des Datenaustausches war nicht immer frei von Problemen, insbesondere vor dem Hintergrund eines Hackerangriffs auf die Ludwig Freytag-Gruppe. Es konnten aber alle Planunterlagen und Dokumente innerhalb der vereinbarten Zeit bereitgestellt werden. Das Ausführungskonzept wurde dann gemeinsam mit der Amprion im Juni 2022 den zuständigen Genehmigungsbehörden präsentiert. Diesem Termin folgte zeitnah die behördliche Freigabe der beauftragten Arbeiten: der Errichtung der Kabelschutzrohranlagen.
Parallel dazu wurden in den einzelnen Fachabteilungen die entsprechenden auszuführenden Arbeiten vorbereitet. Ein Detail-Engineering fand insbesondere im Rohr- und Wasserbau sowie im Bereich HDD statt.
Im Wesentlichen zielte dieses Engineering auf Prozessoptimierungen ab, mit dem Ziel, möglichst viele Einflüsse auf die Umwelt und die Anlieger im Baustellenbereich zu minimieren. Verschiedene Ansätze für Schweißlösungen, Schallschutzmaßnahmen, Transportlösungen aller Art und eine Weiterentwicklung von Bohrverfahren wurden entwickelt.
Mit den Frühjahrsstürmen ging bekanntermaßen an der Nordküste der Insel Norderney eine erhebliche Oberflächenerosion einher. Daraus resultierte dann im Juli die Erkenntnis, dass der Nordstrand im Bereich der Austrittspunkte der Bohrungen eine signifikant geänderte Höhenlage hatte. Dieses Wissen wurde mit der Amprion geteilt, und es wurde gemeinsam ein Konzept zu der Reduzierung entsprechender Hochwasserrisiken erarbeitet.
Vor dem Hintergrund, dass für diese Maßnahme mit zwei Großbohranlagen (Zugkraft ≥ 250 to) gleichzeitig gearbeitet werden sollte, um das enge Zeitfenster besser zu beherrschen, musste eine umfangreiche Detailplanung für alle Phasen der Horizontalbohrungen durchgeführt werden. Dass dabei signifikante Synergieeffekte erzielt werden können, lässt sich rückblickend nicht bestätigen.
Wie dem auch sei, die Zeit zur Arbeitsvorbereitung wurde effektiv genutzt. Als Herausforderung stellten sich dabei weltweite Lieferengpässe heraus, die als Resultat aus der Covid-19-Pandemie und dem Ukraine-Konflikt entstanden sind. Mit einigem Improvisationsvermögen konnten aber diese Herausforderungen gelöst werden. Rückblickend hat sich die lange Arbeitsvorbereitung ausgezahlt.
Aufbau der Logistik und der HDD-Baustelle
Zunächst wurde ein Logistikstützpunkt im Hafen von Norddeich eingerichtet. Dem folgte die Einrichtung eines Schweißplatzes am südwestlichen Ende der Insel Norderney. Damit einher ging die Lieferung von 4.400 lfm Schutzrohr, das dort in mehreren Teilsträngen verschweißt wurde.
Ab Mitte Juli 2022 konnte der Aufbau auf der Baustelle beginnen. Ein Containercamp wurde zur Baustelle mobilisiert; dem folgte der Aufbau einer umfassenden Schallschutzanlage und der Bau der Widerlager der Bohranlagen. Im Anschluss wurde die Bohrausrüstung zum Bohren der Bohrlöcher zur Aufnahme der Kabelschutzrohranlagen aufgebaut.
Schweiß- und Bohrarbeiten mit Teamgeist
Während der Bohrplatz eingerichtet wurde, begannen die Schweißarbeiten. Der Schweißplatz lag im Bereich einer von insbesondere Hundehaltern stark frequentierten Wiese. Eine umsichtige Schulung und Sensibilisierung der dort tätigen Mitarbeiter und eine umfassende Risikoanalyse, die gemeinsam mit Amprion und der Stadt Norderney durchgeführt wurde, erlaubten ein Arbeiten ohne Gefährdungen und Beeinträchtigungen Dritter. Die durchweg positive Resonanz und das große Interesse an den Bauarbeiten überraschten selbst die lokale Bauleitung.
Mehrere Rohrstränge wurden unter Einhaltung aller DVGW-Regeln in kürzester Zeit vorgefertigt. Diese wurden dann innerhalb weniger Tage zum Nordstrand mit einem Schiff in den Bereich der Strandbaustelle (= der Austrittspunkte der Bohrungen) geschleppt, mit Hilfe vorhandener technischer Hilfsmittel auf den Strand gezogen und dort bis zum Rohreinzug zwischengelagert.
Während der Schleppvorgänge der Teilstränge liefen bereits die Bohrarbeiten, sodass die Rohre, just-in-time, mit der Fertigstellung des Bohrloches angekoppelt und eingezogen werden konnten. Der Bohrprozess wurde kontinuierlich optimiert, sodass es gelang, die Bohrarbeiten zunehmend zu beschleunigen und dabei eine immerzu bessere Bohrlochqualität zu erzielen. Dabei kamen neuartige, von LMR entwickelte Bohrwerkzeuge und Bohrverfahren zum Einsatz.
Alle Bohrungen wurden punkt- und lagegenau zur großen Zufriedenheit von Amprion ausgeführt. Ein mehrfaches Abbohren der Bohrlinie zur Kurskorrektur war zu keinem Zeitpunkt erforderlich. Eine große Hilfe dabei war die angepasste Bohrlinienplanung des HDD-Unternehmers und der Einsatz eigener, sehr erfahrener Bohrgeräteführer. Die große Angst, dass Ausbläser im Bereich der hochsensiblen Dünen oder unzulässige Ungenauigkeiten beim Bohren eintreten, konnte mit Hilfe der neuartig konstruierten Bohrwerkzeuge und Bohrverfahren eliminiert werden.
Zur großen Zufriedenheit aller an diesem Projekt beteiligten Parteien gelang es somit, die Bohrarbeiten innerhalb der geplanten Zeit abzuschließen und in dieser Hinsicht den Minimierungsansatz für Eingriffe im Nationalpark Wattenmeer ganz wesentlich umzusetzen.
Dabei hat der Teamgeist zwischen den Schwesterfirmen und den Bohrmannschaften ganz erheblich zum Gelingen der Maßnahme beigetragen. Außerdem hat die offene und ehrliche Kommunikation mit Behörden und Anliegern und einem gesteigerten Verständnis für deren Anliegen den Erfolg der Maßnahme ermöglicht.
Abbau der Bohrbaustelle
Mit dem Abschluss der Schweißarbeiten wurde der Schweißplatz unverzüglich zurückgebaut. Mit dem Abschluss der jeweils zweiten Bohrung der einzelnen Kabelschutzrohranlagen begann der Rückbau der Bohrbaustelle. Diese wird im Jahr 2023 für die Bohrungen ins Rückseitenwatt noch einmal genutzt. Der Vorsprung, der sich aus der Beschleunigung der Bohrarbeiten ergeben hatte, wurde auch beim Rückbau genutzt und konnte noch verbessert werden. Die Summe an Abtransporten war eine logistische Leistung. Hier zahlte sich erneut die verhältnismäßig lange Zeit aus, die Amprion für die Arbeitsvorbereitung dem AN zugestanden hat.
Entsorgung/Abfuhr
Bereits bei der Arbeitsvorbereitung wurde ein besonderer Fokus auf die Wiederverwertung anstatt Entsorgung von Bohrspülung und Bohrklein gesetzt. Dementsprechend wurden sogenannte High-End-Recyclinganlagen für die Fest-Flüssig-Abtrennung verwendet, um den erbohrten Boden von der Bohrspülung zu trennen. Die Bohrspülung wurde so weit wie möglich wiederverwendet, was sowohl die Kosten als auch den ökologischen Footprint reduzierte.
In Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden wurden auch Möglichkeiten eruiert, den ökologischen Footprint mit Hinsicht auf den erbohrten Boden (Bohrklein) zu reduzieren und somit diesen einer weiteren Verwendung zuzuführen, anstatt, wie sonst üblich, das Bohrklein als Abfall zu entsorgen. Beim Beginn der Bohrarbeiten von einem unabhängigen und akkreditierten Labor gezogene Proben ergaben keine unerwarteten Messwerte, sodass der Wiederverwendung des Bohrkleins nichts im Wege stand.
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Die Abfuhr der Bohrspülung und der erbohrten Feststoffe ließ sich erfolgreich und vertragskonform umsetzen. Dabei gelang es, eine Reduzierung von Flächen und CO2-Emissionen zu erzielen, die mit der Abfuhr und Entsorgung verbunden sind. Durch den schnellen Bohrfortschritt mussten dementsprechend große Mengen pro Tag abgefahren werden. Dieser Prozess wurde während der Maßnahme ständig optimiert.
Baubegleitung
Die Arbeiten für die Kabelschutzrohranlagen in diesem Jahr wurden zur vollsten Zufriedenheit der Amprion GmbH und der Genehmigungsbehörden durchgeführt. Eine intensive Arbeitsvorbereitung, der gute und offene Austausch mit Amprion und den Genehmigungsbehörden und damit verbundene Verfahrens- und Prozessoptimierungen waren der Schlüssel zum Erfolg, sodass es gelang, die Arbeiten deutlich vor der Zeit abzuschließen und dabei den CO2-Abdruck dieser Maßnahme signifikant zu reduzieren.
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Quelle: LMR Drilling
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