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Straßenbäume und Regenwasserbewirtschaftung in der Stadtentwicklung

In urbanen Gebieten werden sich extreme Wetterereignisse in Zukunft immer stärker bemerkbar machen. Abhilfe könnte eine Kombination aus Straßenbäumen und gezielter Regenwasserbewirtschaftung bieten. Ein aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich mit verschiedenen Maßnahmen für ein ausgeglichenes Stadtklima.

Straßenbäume und Regenwasserbewirtschaftung in der Stadtentwicklung
Kombination von Straßenbäumen und Versickerungsmulden in Berlin Rummelsburg. | Foto: Sieker
Hitze- und Trockenperioden wie im Jahr 2015 sowie Starkniederschläge, wie sie im Sommer 2016 deutschlandweit auftraten, werden aufgrund von klimatischen Veränderungen in ihrer Häufigkeit vielerorts zunehmen. Von den Folgen sind vor allem die Bewohner in urbanen Gebieten betroffen. Zum Schutz der Städte vor Überflutungen und Hitzestress werden besondere Anpassungsstrategien benötigt. Einerseits muss zusätzlicher Speicherraum für Niederschlagswasser generiert, andererseits kann durch erhöhte Verdunstung und stärkere Verschattung der urbane Hitzestress reduziert werden. Eine Kopplung dieser Lösungsansätze kann durch Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung (RWB) mit Baum-Rigolen, z.B. im Straßenraum, erreicht werden.

Blue-Green-Infrastructure

Die Notwendigkeit mehr Vegetations- und Wasserflächen in die Städte zu bringen, wurde in den letzten Jahren zunehmend erkannt: Unter dem Schlagwort „Blue-Green-Infrastructure“ werden vielerorts Konzepte zur Entwicklung von Grünflächen, häufig in Kombination mit Versickerungsflächen erarbeitet. Die regionalen Klimaanpassungskonzepte, wie z.B. der Stadtentwicklungsplan (StEP) Klima in Berlin fordern deutlich mehr Bäume für Städte. Gleichzeitig wächst der Bedarf an Speichervolumen für Regenwasser. Nicht nur, weil vielerorts die Szenarien zum Klimawandel eine Zunahme von Starkregenereignissen beinhalten, sondern vor allem auch, da der Trend zur Nachverdichtung der Städte nach wie vor anhält.

Vor dem Hintergrund beengter Platzverhältnisse in den Städten wird gerade die Kombination von Straßenbäumen und Regenwasserbewirtschaftung positiv gesehen. Die gleichzeitige Förderung von Versickerung und Verdunstung folgt aus wasserwirtschaftlicher Sicht dem Ansatz, die Gesamtwasserbilanz von Städten ganzheitlich, unter Berücksichtigung aller Komponenten (Versickerung, Verdunstung, Abfluss) zu betrachten.

Änderung der Wasserbilanz in Folge von Versiegelung. | Quelle: US EPA, 2004
Änderung der Wasserbilanz in Folge von Versiegelung. | Quelle: US EPA, 2004

Klimaadaptive Stadtbäume

Im internationalen Raum existieren bereits zahlreiche Lösungen, welche die Kombination von Stadtbäumen und Regenwasserbewirtschaftung als gemeinsamen Nenner haben. In Apeldoorn, der drittgrößten Gemeinde der Niederlande wurden unter dem Stichwort „klimaadaptive Stadtbäume“ Baumpflanzquartiere gebaut, in die das Regenwasser der angrenzenden Flächen geleitet wird. Über Drainagen wird dort das überschüssige Sickerwasser gedrosselt in die Regenkanalisation abgleitet. Nach dem gleichen Prinzip hat die Stadt Bünde in Nordrhein-Westfalen im Jahre 2010 Teile ihres Straßennetzes mit Pflanzenbeeten ausgestattet – mit dem Ziel die Beete als eine Art „Retentionsbodenfilter“ zu nutzen. Bereits ein Jahr zuvor veröffentlichte die schwedische Stadt Stockholm ein ausführliches Handbuch zur Neupflanzung und Renovierung von Pflanzgruben. Die Aktivierung von Stauraum im Boden zur Zwischenspeicherung von Regenwasser spielt hier eine wesentliche Rolle.
Dipl.-Ing. Mike Post, Ingenieurgesellschaft Sieker, Hoppegarten, m.post@sieker.de
Dipl.-Ing. Mike Post, Ingenieurgesellschaft Sieker, Hoppegarten, m.post@sieker.de

Vorreiter New York

Einer der prominentesten Vorreiter für die Kombination von Stadtbäumen und urbaner Regenwasserbewirtschaftung ist jedoch die Stadt New York. Angetrieben von der Umweltschutzbehörde der Stadt New York läuft ein breit ausgelegtes Programm zur Förderung von „green infrastructure“. Hervorzuheben ist, dass in New York die „grüne“ Infrastruktur immer gemeinsam mit der Bewirtschaftung von Regenwasser gedacht wird. Somit wurde hier die sektorale Planung von urbaner Regenentwässerung und Grünflächen aufgehoben. Unter den vielen bereits realisierten Projekten sticht das „9/11-Memorial“, der Gedenkplatz für die Opfer des Terroranschlags vom 11. September 2001 hervor. Hier werden über 400 Eichen mit dem gesammelten Regenwasser des Platzes versorgt. Regenwasser, welches über den Pfad der Verdunstung wieder in den urbanen Wasserkreislauf zurückfließt.
Dipl.-Ing. Matthias Pallasch, Ingenieur- gesellschaft Sieker, Hoppegarten, m.pallasch@sieker.de
Dipl.-Ing. Matthias Pallasch, Ingenieur- gesellschaft Sieker, Hoppegarten, m.pallasch@sieker.de

Zahlreiche Initiativen in Deutschland

In Deutschland steht die Kombination von Straßenbäumen und Maßnahmen der Regenwasserbewirtschaftung noch in den Startlöchern. Derzeit gibt es aber zahlreiche Initiativen, Forschungsprojekte und Bauvorhaben, in denen der Schritt zur Umsetzung gewagt wird. Gerade im Bereich der Platzgestaltung, sei es im öffentlichen Raum oder besonders bei Schulhöfen, werden größere Bestrebungen unternommen. Ein prominentes Beispiel ist die Internationale Gartenausstellung (IGA) in Berlin Marzahn-Hellersdorf, die im April 2017 ihre Pforten öffnet. Ein hier in der Umsetzung befindliches System entwässert ca. 500 m² einer offenen Platzfläche über eine Baum-Rigole. Das System basiert einerseits auf der Versickerung von Niederschlagswasser und andererseits auf der Zwischenspeicherung von Sickerwasser in einem unterirdischen Speicher.
Dipl.-Ing. Daniel Geisler, TU Berlin, FG Siedlungswasserwirtschaft, d.geisler@tu-berlin.de
Dipl.-Ing. Daniel Geisler, TU Berlin, FG Siedlungswasserwirtschaft, d.geisler@tu-berlin.de

Erschwernis Platzmangel

Die wesentliche Motivation der Planer war der Platzmangel, der eine parallele Unterbringung von Baum- und Entwässerungselementen in der Fläche erschwerte. Gleichzeitig ließen die Höhenverhältnisse eine gedrosselte Ableitung des Niederschlagswassers nur bedingt zu. Versickerung und Zwischenspeicherung sind so angelegt, dass langfristig das Wasserdargebot für die Bäume (in diesem Fall der Sumpfeiche, Quercus palustris) verbessert wird, ohne den Wurzelraum durch längere Sättigungsphasen zu belasten. Mit der Umsetzung der Baum-Rigole will die IGA 2017 in ihrer wichtigen Rolle für den GaLaBau auch wegweisend für blau-grüne Infrastruktur wirken.

Aufbau Baum-Rigole im Straßenraum. | Abbildung: Sieker
Aufbau Baum-Rigole im Straßenraum. | Abbildung: Sieker

Fragen des Stoffrückhalts und Schmutzfrachttransports

Die vielen Fragen, die gerade im deutschen Raum bezüglich der Kombination von Straßenbäumen und Versickerungsanlagen aufgeworfen werden, haben sich auch bei den Planungen zur IGA 2017 offenbart. Dabei geht es zum Beispiel um Fragen des Stoffrückhalts und Schmutzfrachttransports, die besonders für die Entscheidungsfindung von Genehmigungsbehörden eine große Rolle spielen. Gleichzeitig müssen die Standortvoraussetzungen klar definiert werden. Dabei besteht z.B. bezüglich des Baumsubstrats die Herausforderung, sowohl den Anforderungen der FLL, als auch den Anforderung der DWA-A 138 gerecht zu werden.

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Wassersensitive Stadtentwicklung

Abhilfe zu diesen Fragen will das im Mai 2016 angelaufene Forschungsvorhaben TREEDRAIN schaffen. Hier wird die Kopplung von Stadtbäumen und Versickerungsanlagen für eine wasser- und klimasensitive Stadtentwicklung untersucht. Das Ziel: innerhalb von drei Jahren wollen Ingenieure des Fachgebiets Siedlungswasserwirtschaft an der TU Berlin und der Ingenieurgesellschaft Sieker die sogenannte Baum-Rigole weiterentwickeln und deren Wirkung auf den urbanen Stoff- und Wasserhaushalt näher untersuchen. Die Bedeutung dieser blau-grünen Kombination wurde vom Bundeswirtschaftsministerium erkannt und durch eine Förderung im Rahmen des zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) unterstützt. Die ersten Ergebnisse werden im Herbst 2018 erwartet.

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