Was hemmt die Umsetzung einer blau-grünen Infrastruktur?

Trockenheit und Starkregen zwingen zum Umdenken, vor allem wenn es um das Wassermanagement in urbanen Räumen geht. Die Wassertage Münster standen im Februar 2023 unter dem Motto „Klimawandel – Trockenheit und Starkregen im urbanen Raum“. Warum es immer noch schwierig ist klimaangepasst zu planen und zu bauen, ist eine der Kernfragen, denen sich auch die grüne Branche stellen muss.

Münster Wassertage: WSUD und blau-grüne Infrastruktur
Der Regengarten in Freiburg Vauban ist ein gutes Beispiel für ein wasserbewusstes Gestaltungskonzept, wobei anfallendes Regenwasser nicht abgeleitet, sondern temporär zurückgehalten und der Bepflanzung bedarfsgerecht zugeführt wird. | Foto: Mathias Uhl

Die Wassertage Münster werden im zweijährigen Rhythmus vom Institut für Infrastruktur∙Wasser∙Ressourcen∙Umwelt (IWARU) der Fachhochschule Münster organisiert. Kooperationspartner sind der Landesverband NRW der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA), die Deutsche Gesellschaft für Limnologie (DGL) und der Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfallwirtschaft und Kulturbau (BWK). Die Tagung bringt Wasserfachleute mit Stadt- und Freiraumplanern, Biologen, Geografen und Ökonomen zusammen und ist ein wichtiges Forum für den interdisziplinären Austausch.

Welche Bedeutung hat WSUD fürs Stadtklima?

Auch kleine Regengärten optimieren den Wasserhaushalt, verbessern das Mikroklima und fügen sich nahtlos in die umgebende Architektur ein. | Foto: Mathias Uhl
Auch kleine Regengärten optimieren den Wasserhaushalt, verbessern das Mikroklima und fügen sich nahtlos in die umgebende Architektur ein. | Foto: Mathias Uhl
In seiner Keynote zur Veranstaltung beschreibt Prof. Dr.-Ing. Mathias Uhl die von der Wasserwirtschaft wohlüberlegte Begriffsprägung. „In Deutschland besann man sich vor knapp 50 Jahren auf die traditionelle Versickerung, die Regenwassernutzung und die Dachbegrünung als Alternativen zur Regenwasser-Ableitung. Modellprojekte sowie Forschungs- und Entwicklungsvorhaben sorgten für einen soliden Fundus an Betriebserfahrungen, sowie empirisch fundierte Regelwerke der Fachverbände. Ab etwa dem Jahr 2000 begann ein Paradigmenwechsel vom Ableitungs- zum Retentionsprinzip und Water sensitive urban design (WSUD) überzeugte aufgrund seiner planungstheoretischen Konsistenz. Im Jahr 2020 gründete die DWA die Koordinierungsgruppe 'Wasserbewusste Stadtentwicklung'. Mit einem Positionspapier wurden der konzeptionelle Rahmen von WSUD für die Verhältnisse in Deutschland übertragen und Handlungserfordernisse benannt. Mit 'wasserbewusste Stadtentwicklung' (WBS) wurde nach gründlicher Diskussion ein Begriff gewählt, der den Bedeutungsgehalt von Water sensitive urban design umfassend abbildet und an den in der deutschen Sprache gut eingeführten Begriff 'umweltbewusst' anknüpft. WBS ist ein wasserwirtschaftlich, umweltwissenschaftlich sowie landschaftsarchitektonisch basierter Planungsansatz, der die Bewirtschaftung des Wasserkreislaufs, der ober- und unterirdischen Gewässer sowie die mit Wasser verbundene Daseins- und Klimavorsorge kohärent in die Stadtplanung und den Städtebau einbringt, um die Umwelt- und Gestaltungsqualität funktional und ästhetisch zu erhöhen und soziale Teilhabe zu fördern.“

Blau-grüne Infrastruktur erlebbar machen

Das Rigolensystem Typ Alveus der Firma Humberg wurde in Abstimmung mit der FH Münster und dem Hersteller im Rahmen des BeGrüKlim-Projektes immer wieder optimiert. Es lässt sich individuell an unterschiedliche Standorte und Platzverhältnisse anpassen. | Foto: Fa. Humberg/FH Münster
Das Rigolensystem Typ Alveus der Firma Humberg wurde in Abstimmung mit der FH Münster und dem Hersteller im Rahmen des BeGrüKlim-Projektes immer wieder optimiert. Es lässt sich individuell an unterschiedliche Standorte und Platzverhältnisse anpassen. | Foto: Fa. Humberg/FH Münster
Weiterhin beschreibt Uhl, dass die für Stadtentwicklung verantwortlichen Ministerien Europas mit der Neuen Leipzig-Charta von 2020 ein Rahmendokument für die künftige Entwicklung europäischer Städte verabschiedet haben. Die Charta „schafft die blau-grüne Infrastruktur, dient den Umweltqualitätszielen und der Stadt-Umland-Vernetzung, folgt dem Quartiers- und Partizipationsansatz, stärkt die Resilienz gegenüber Starkregen, Hitze und Dürre zur Klimavorsorge und bringt Wasser positiv erlebbar in die Stadt.“ Zudem verweist er auf das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit herausgegebene „Weißbuch Stadtgrün“, das die herausragende Rolle urbanen Grüns für den Lebensraum Stadt verdeutlicht. „Es benennt zehn Handlungsfelder mit konkreten Maßnahmen und Handlungsempfehlungen für eine gestalterisch und funktional qualitätsvolle Entwicklung urbanen Grüns auch als blau-grüne Infrastruktur.“

Probleme bei der Umsetzung der blau-grünen Infrastruktur

Mit der Frage, warum die standardmäßige Umsetzung der blau-grünen Infrastruktur so schwierig ist, beschäftigt sich der Vortrag von Sonja Kramer vom Amt für Mobilität und Tiefbau der Stadt Münster. Sie stellt heraus, dass der Wunsch nach einer klimaangepassten, modernen Stadt nur gemeinsam und integral realisiert werden kann. „Damit das gelingt, müssen die einzelnen Fachthemen wie Stadtplanung, Freiraum- und Verkehrsplanung ebenso wie die Wasserwirtschaft gleichwertig im Gesamtzusammenhang gedacht und erarbeitet werden.“ Und sie richtet den dringenden Appell an die verantwortlichen Stellen: „Wir müssen unsere Aufgaben und konkreten Projekte zum Ausgangspunkt unseres Handelns machen, nicht die Abhandlung altgeprägter Verwaltungsprozesse und Strukturen. Wir alle sollten den Mut haben und den Einsatz zeigen das voranzutreiben, was schon längst überfällig ist: klimaangepasste Lösungen und integrales Handeln zum Standard zu machen.“

BeGrüKlim will Stadtbäumen bei Trockenheit helfen

Sensorgestützte Messungen der Bodenfeuchte ermöglichen Aussagen zur Wirkung der gezielten Baumbewässerung im Rigolensystem. | Foto: Helmut Grüning
Sensorgestützte Messungen der Bodenfeuchte ermöglichen Aussagen zur Wirkung der gezielten Baumbewässerung im Rigolensystem. | Foto: Helmut Grüning

Prof. Dr.-Ing. Helmut Grüning von der FH Münster nahm Stellung zum aktuellen Stand des Wissens im Rahmen des Forschungsprojektes „Entwicklung eines Bewässerungskonzeptes von urbanem Grün während klimatisch bedingter Trockenphasen (BeGrüKlim)“. Als ein Lösungsbaustein werden Baumrigolen angesehen, die die Bewässerung von Stadtbäumen mit gespeichertem Niederschlagswasser gewährleisten. Zusammenfassend erläutert er in seinem Beitrag „Wirkung und Bewirtschaftung von Baumrigolen als Be- und Entwässerungssystem“: „Ergebnisse der Untersuchungen von Rigolensystemen im Nottulmer Gemeindebereich belegen den positiven Effekt im wasserwirtschaftlichen Kontext. Durch Simulationsrechnungen und Messdaten wurden die versickerten und verdunsteten mit den abgeleiteten Abflussanteilen verglichen. Bislang zählen allerdings die Bedürfnisse von Bäumen nicht zu Fragestellungen, die bei der Bemessung wasserwirtschaftlicher Systeme im Fokus stehen. Hier besteht noch erheblicher Klärungsbedarf.“

B_I galabau-Fachredakteurin Sonja Bauer kommentiert:

B_I galabau-Fachredakteurin Sonja Bauer | Foto: B_I MEDIEN
B_I galabau-Fachredakteurin Sonja Bauer | Foto: B_I MEDIEN

Die Klärung der Bedürfnisse von Bäumen in Baumrigolensystemen ist eine von vielen Fragestellungen, deren Beantwortung nicht allein den Forschenden aus der Wasserwirtschaft aufgebürdet werden kann. Hier ist die grüne Branche in der Pflicht, sich mit ihrem Fachwissen in die Diskussion einzubringen.

Gedeiht die grüne Branche?

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Die in obigem Bericht angeführten Zitate sind dem Tagungsband „Wassertage Münster 2023“, herausgegeben 2023 vom IWARU Institut für Infrastruktur∙Wasser∙Ressourcen∙Umwelt (ISBN: 978-3-947263-34-9), entnommen. Er ist eine lesenswerte Lektüre für alle Interessierten, die in irgendeiner Weise an der Gestaltung der wasserbewussten Stadt mitarbeiten. Die Themenfelder umfassen die wasserbewusste Stadtentwicklung, urbanes Grün sowie Aspekte der Smart City, kommunale Klimaanpassungsmaßnahmen, das Abwasser als Ressource, den Umgang mit Starkregen und das Management des Hochwasserrisikos.

Am 13. und 14. Juni 2023 veranstaltet die DWA die RegenwasserTage Mannheim, wo am Ende des ersten Veranstaltungstages auch ein Besuch der Bundesgartenschau geplant ist.


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