Kabinettsbeschluss spaltet Bauwirtschaft
Das Bundeskabinett hat das Vergabebeschleunigungsgesetz beschlossen. Während das Baugewerbe von einem fairen Kompromiss spricht, kritisiert die Bauindustrie die Pläne als hinderlich.

Die Bundesregierung hat heute den Gesetzentwurf zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge beschlossen – und damit eine scharfe Debatte innerhalb der Bauwirtschaft ausgelöst. Während der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) von einem „tragfähigen Mittelweg“ spricht, kritisiert der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) das Vorhaben als kontraproduktiv.
ZDB: Schutz für den Mittelstand
Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des ZDB, begrüßt den Beschluss ausdrücklich: Der Gesetzentwurf ermögliche es, die Infrastruktur schneller zu sanieren und dabei alle Kapazitäten der heimischen Bauwirtschaft zu nutzen. Die Öffnung für Gesamtvergaben bei Projekten über 14 Millionen Euro sei vertretbar – solange kleinere Lose weiterhin mittelständischen Betrieben offenstehen.
Aus Sicht des ZDB sei es entscheidend, dass das Vergaberecht nicht zulasten des Mittelstands flexibilisiert wird. „Mit der Beibehaltung der Fach- und Teillosvergabe bleibt ein zentraler Schutzmechanismus erhalten“, so Pakleppa. Dass rund 99 % der Baubetriebe weniger als 100 Beschäftigte haben, sei Grund genug, im parlamentarischen Verfahren die Förderbedingungen für diese Zielgruppe noch klarer zu definieren.
HDB: Kein Turbo, sondern Bremsklotz
Ganz anders fällt das Urteil von René Hagemann, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des HDB, aus. Der Gesetzentwurf sei ein Rückschritt. Statt Beschleunigung drohten neue Bürokratie, mehr Kosten und zusätzlicher Abstimmungsaufwand. „So werden wir den Investitionsstau in Deutschland nicht auflösen“, so Hagemann.
Besonders kritisch sieht der HDB die weiterhin hohen Hürden für Gesamtvergaben. Eine Modernisierung des Vergaberechts – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – bleibe aus. „Stattdessen ist die Abweichung von der Fach- und Teillosvergabe heute jedoch an enorm hohe Hürden geknüpft und erfordert einen erheblichen Dokumentationsaufwand“, so Hagemann. Dabei wäre gerade bei seriellem oder modularem Bauen eine projektweise Gesamtvergabe oft wirtschaftlicher und schneller umsetzbar. Der jetzige Entwurf schränke die Handlungsspielräume öffentlicher Auftraggeber unnötig ein.
BPPP begrüßt flexiblere Losvergabe
Rückendeckung für die geplante Flexibilisierung des Losgrundsatzes kommt vom Bundesverband Public Private Partnership (BPPP). Der Verband begrüßt ausdrücklich, dass das Vergabebeschleunigungsgesetz größere Spielräume bei der Gesamtvergabe eröffnen soll. Monica A. Schulte Strathaus, Vorstandsvorsitzende des BPPP, sieht im bisherigen Vorrang der losweisen Vergabe „unnötige Risiken“ und ein erhebliches Hemmnis für die Effizienz: „Durch losweise Vergaben, bei denen ein Gewerk nach dem anderen vergeben wird, kommt es in aller Regelmäßigkeit zu massiven Verzögerungen, die sich auf den Gesamterfolg eines Projekts auswirken.“
Zugleich widerspricht der Verband der Befürchtung, mittelständische Unternehmen könnten durch Gesamtvergaben benachteiligt werden. Laut BPPP seien gerade im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP) mittelständische Betriebe häufig beteiligt. „Im Schnitt werden 51 Prozent aller ÖPP-Hochbauprojekte von kleinen und mittleren Unternehmen realisiert – bei Projektgrößen unter 25 Millionen Euro ist der Anteil sogar deutlich höher“, so Schulte Strathaus.
Wohnungswirtschaft fordert Kurskorrektur
Eine Nachbesserung des Gesetzentwurfs fordert der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen. „Gesamtvergaben müssen möglich sein – dort, wo sie technisch, wirtschaftlich oder zeitlich sinnvoll sind" so GdW-Präsident Axel Gedaschko. „Das neue Gesetz ignoriert diesen Bedarf und behindert damit nachweislich funktionierende Verfahren. So wird kein einziges Wohnungsbauprojekt schneller realisiert."
Konflikt entbrennt mit dem Sondervermögen
Der aktuelle Streit um das Vergabebeschleunigungsgesetz hat auch mit dem Sondervermögen Infrastruktur zu tun: Schon im Frühjahr sprachen sich Bauwirtschaft und Kommunenfür flexiblere, schnellere Vergabeverfahren aus, verbunden mit der Forderung, dass das Sondervermögen rasch und unbürokratisch vor Ort wirken müsse. Im Gegenzug warnten der Zentralverband Deutsches Baugewerbe und die Bundesarchitektenkammer davor, den bewährten Losvergabe-Grundsatz aufzuweichen. Eine nationale Reform brächte zum jetzigen Zeitpunkt, parallel zur laufenden EU-Vergaberichtlinie, nur Unsicherheit und Wettbewerbsverzerrung.
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Ingenieurkammer wirbt für Kooperation
Lob für den Entwurf kommt von der Bundesingenieurkammer. Präsident Heinrich Bökamp wirbt angesichts der Debatte für Zusammenhalt: „Lassen Sie uns im Bausektor zusammenarbeiten und uns auf die relevanten Probleme mit Hebelkraft wie ineffiziente Genehmigungsverfahren, unzureichende Digitalisierung von Prozessen und den Fachkräftemangel konzentrieren. Wir haben heute in Deutschland grundsätzlich ein gut funktionierendes und produktives Miteinander von Planung und Ausführung. Grundlegende Änderungen hieran schaden am Ende dem Standort Deutschland.“
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