Emissionsfreie Sattelzug-Prototypen auf Testfahrt
Mit drei CO2-neutralen Prototypen rückte Daimler Truck in Tirol an, um den emissionsfreien Mercedes-Lkw in den Alpen auf den Zahn zu fühlen. Bei den Testfahrten der GenH2-Trucks und des eActros 300 haben wir den Versuchsingenieuren über die Schulter geschaut.
Das Mischen wird digital
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Dicker, weißer Rauch bläst die Mercedes-Sattelzugmaschine in die Luft. Wer sich nicht auskennt, könnte meinen, der Lkw auf dem Parkplatz der Bergisel Sprungschanze in Innsbruck brennt gerade ab. Aber was da oberhalb des Fahrerhauses in den blauen Himmel entweicht, ist kein Rauch, sondern purer Wasserdampf. Stellt man sich darunter, fallen einem sogar kondensierte Wassertröpfchen auf den Kopf. Für eine echte Dusche reicht’s aber nicht.
Den Dampf produzieren zwei Brennstoffzellen von Cellcentric, die statt klassischem Verbrenner unter der Kabine des Mercedes-Benz GenH2 Truck werkeln. Sie nutzen Wasserstoff als Energieträger, leisten jeweils 150 kW und liefern den Strom für den elektrischen Antrieb. Den übernehmen zwei E-Motoren nahe der Hinterachse mit je 330 kW Maximalleistung und je 2.071 Nm maximalem Drehmoment.
„Die Gesamtmotorleistung haben wir für unsere Versuchsfahrten elektrisch auf 580 kW gedrosselt. Das reicht für den 40-t-Zug aber aus und steht dem Antriebsstrang eines Verbrenners in nichts nach“, sagt Felix Kaufmann von der Versuchsabteilung bei Daimler Truck und für den Brennstoffzellen-Prototypen samt dreiachsigem Auflieger verantwortlich. Die Daimler-Entwickler stellen beim GenH2 Truck dieselben Anforderungen an die Dauerhaltbarkeit der Komponenten wie an einen vergleichbaren konventionellen Actros. Das bedeutet 1,2 Millionen km Laufleistung, zehn Betriebsjahre und insgesamt 25.000 Betriebsstunden. Daher muss auch der GenH2 Truck anspruchsvolle Tests absolvieren. So hat das Fahrzeug bereits hunderte Kilometer unter Dauerlast auf dem Rollenprüfstand zurückgelegt und zahlreiche Extremsituationen aus der Praxis wie Vollbremsungen oder Bordsteinkantenfahrten auf der Versuchsstrecke durchlaufen.
GenH2 Truck: Mit Volldampf über den Brenner
Jetzt steuert Kaufmann den voll beladen Lastzug ohne Verbrenner über den Brenner und sammelt mittels umfangreicher Messtechnik in der Fahrerkabine Daten für die Entwicklung zum Serienmodell. Auf der rund 70 km langen Autobahn-Strecke zwischen Innsbruck und Brenner-Pass muss der 40-Tonner mehrere Tage lang pendeln, sich unter realen Bedingungen auf immerhin 1.560 m Höhe hochschrauben und wieder talwärts rauschen. Das fordert den Antriebskomponenten wie Brennstoffzellen, E-Motoren, Wechselrichter, Pufferbatterie und Kühlsystemen alles ab. Schließlich gehört der Brenner zu den anspruchsvollsten Routen in Europa.
Von den Brennstoffzellen unter dem Fahrerhaus ist kaum etwas wahrzunehmen. Im Vergleich zum Diesel herrscht Ruhe. Aber so leise wie in einem rein batterieelektrischen Lkw geht es hier nicht zu. Neben Wind- und Reifenabrollgeräusche sind abwechselnd die Lüfter und Pumpen von den verschiedenen Kühlsystemen im Turm hinter der Kabine, der Klima- und Luftkompressor oder der elektrische Turbolader für den Druckaufbau in den Wasserstoffleitungen zu hören. Am ehesten sind die Geräusche mit einer surrenden E-Lok im Bahnhof vergleichbar, nur eben viel leiser.
In der bisherigen Prototyp-Version liefern die E-Motoren ihre Kraft über eine gemeinsame Welle an ein Zweigang-Getriebe, das ab zirka 30 km/h automatisch von Eins in Zwei schaltet. Sämtliche dieser Komponenten sowie das Differenzial, von dem zwei Gelenkwellenstummel zu den Antriebsrädern führen, sind rahmenfest verbaut. Das reduziert die ungefederten Massen und stellt für Kaufmann „eine elegante Lösung“ dar. In der Serie soll es aber die gleiche kompakte E-Achse wie bei den batterieelektrischen Modellen geben.
GenH2 Truck: Pufferbatterie hilft beim Anfahren
GenH2 Truck: Suche nach dem optimalen Ladezustand
GenH2 Truck: Platzierung der Dampfabgabe noch offen
Bis dahin muss auch die optimale Position für die Dampfabgabe gefunden sein. Auf den Boden darf es nicht gehen. Der könnte im Winter durch das kondensierte Wasser vereisen. Die jetzige Lösung über ein Ablassrohr an der hinteren linken Fahrerhauskante scheint ebenso wenig optimal. Während Vollastfahrten wird viel Dampf produziert, der die Sicht nach hinten über die Fahrerhaus-Displays der Mirror-Cam stark einschränkt. Mittig hinter der Kabine angeordnet könnte wiederum zum Vereisen des Trailers führen.
GenH2 Truck mit Flüssigwasserstoff
GenH2 Truck mit Wasserstoff-Gas: 18 Kilo für 200 km
Dritter Prototyp: Batterieelektrischer eActros 300 Sattelzug
eActros 300 Sattelzug ab Herbst in Serie
Die Prototyp-Sattelzugmaschine darf unter Berücksichtigung der maximal zulässigen Gesamtzuglänge alle gängigen europäischen Auflieger ziehen. Das klappt allerdings nur unter Verwendung der halblangen Actros-Kabine, da hinter der Kabinenrückwand Platz für das Kühlsystem der Batterien benötigt wird. Der Serienstart der Sattelzugmaschine eActros 300 ist für Herbst dieses Jahres geplant.
Mit den Prototypen will Daimler Truck unterschiedliche Anwendungsfälle für den emissionsfreien Transport abdecken und hat die strategischen Weichen gestellt: Zur Doppelstrategie bei der Elektrifizierung des Lkw-Portfolios gehören batterieelektrische und wasserstoffbasierte Antriebe. Batterieelektrisch wird es im Verteiler- und planbaren Fernverkehr mit eActros und eActros Long Haul bis 500 km Reichweite gehen. Der Serienstart für den Long Haul ist für 2024 vorgesehen. Für unplanbare Transporte und häufig wechselnde Fernverkehre sieht Daimler Truck die Lösung mit Brennstoffzellen weit vorn und will mit dem GenH2 Truck auf Wasserstoff in beiden Aggregatzuständen – flüssig und gasförmig – vorbereitet sein.
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