Megaprojekt unter Druck – Saudi-Arabien hinterfragt Realisierbarkeit
Saudi-Arabien stellt sein Vorzeigeprojekt „The Line“ auf den Prüfstand. Die geplante Wüstenstadt im Rahmen von Vision 2030 galt als futuristisches Aushängeschild – doch nun mehren sich Zweifel an Machbarkeit, Finanzierung und Priorisierung.

Die saudische Regierung lässt ihr milliardenschweres Zukunftsprojekt „The Line“ offenbar auf Realisierbarkeit und Priorität hin überprüfen – ein Schritt, der international als deutliches Warnsignal gewertet wird. Wie Bloomberg berichtet, hat eine Abteilung des staatlichen Public Investment Fund (PIF) mehrere Beratungsunternehmen mit einer strategischen Bewertung beauftragt. Dabei stehe zur Disposition, ob das Projekt in seiner heutigen Form überhaupt umsetzbar ist. Solche strategischen Überprüfungen seien gängige Praxis und fänden im Laufe eines großen Entwicklungsprojekts mehrmals statt, erklärte dazu Neom in einer Stellungnahme.
Weltweites Staunen – und Skepsis seit Ankündigung 2017
Seit der Präsentation im Jahr 2017 sorgt „The Line“ mit seinen visionären Plänen für Schlagzeilen – und für breite Zweifel. Eine 170 Kilometer lange, schnurgerade Stadt ohne Autos, mit Hochgeschwindigkeitstransport, nachhaltiger Energieversorgung und einem WM-Stadion in über 350 Metern Höhe: Kritiker sprechen von einem techno-urbanistischen Fantasiegebilde. Zahlreiche Expertinnen und Experten halten das Projekt nicht nur für ökologisch und humanitär fragwürdig, sondern schlicht für unrealistisch – technisch wie finanziell.
Neubewertung als Folge von Finanzdruck und Investorenfrust
Saudi-Arabien muss seine wirtschaftlichen Prioritäten neu ordnen. Die Ölpreise sind deutlich niedriger als für die Finanzierung der Megaprojekte erforderlich – laut Bloomberg Economics liegt der Haushaltsausgleich erst ab 96 US-Dollar pro Barrel, aktuell notiert Brent bei rund 71 Dollar. Ziehe man die Ausgaben des PIF hinzu, wären sogar 113 Dollar nötig. Gleichzeitig bleiben laut Bloomberg die erhofften ausländischen Direktinvestitionen bisher weit hinter den Erwartungen zurück.
Vision 2030 droht an Realität zu scheitern
„The Line“ ist das medienwirksamste Symbol von „Vision 2030“, der Transformationsstrategie, mit der Kronprinz Mohammed bin Salman das Land in eine postfossile Wirtschaft überführen will. Doch der ursprüngliche Plan, bis 2030 rund 1,5 Millionen Menschen dort anzusiedeln, wurde schon im vergangenen Jahr stillschweigend revidiert. Bloomberg zufolge rechnet die Regierung inzwischen mit weniger als 300.000 Einwohnern bis zum Ende des Jahrzehnts.

Öffentlichkeitsarbeit statt Baufortschritt
Trotz der strategischen Überprüfung betont Neom, man halte weiter an der Vision fest und arbeite an Effizienz und Umsetzung. COO Giles Pendleton postet regelmäßig auf LinkedIn Fotos von der Baustelle – offizielle Bilder enthalten dagegen kaum Konkretes, meist sind es Visualisierungen. Das lässt Skeptikern viel Raum für weitere Zweifel. Wenn nun selbst die saudischen Behörden inzwischen prüfen lassen, ob ihr eigenes Vorzeigeprojekt überhaupt umsetzbar ist, dürfte das Urteil vieler Beobachter klar sein: „The Line“ bleibt eine Vision – und womöglich nichts weiter.
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Illusorisches WM-Stadion über den Wolken
Ein Beispiel für die Überambitionierung von „Neom The Line“ ist das geplante Stadion, das bis zur Fußball-WM 2034 errichtet werden soll – über 350 Meter über dem Boden und integriert in das Dach der Bandstadt. Angesichts der spärlichen Fortschritte beim Hauptprojekt und den enormen technischen Herausforderungen scheint dieser Zeitplan realitätsfern. Branchenkenner zweifeln offen daran, dass das Stadion überhaupt im vorgesehenen Zeitrahmen 2032 gebaut werden kann – geschweige denn, dass es pünktlich zur WM spielbereit ist.
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