Lokalen Wasserkreislauf an Klimawandel anpassen
Immer häufiger sind Städte und Gemeinden von Starkregen, Hochwasser und Trockenheit betroffen. Zudem hat das rapide Absinken des Grundwasserspiegels Wissenschaftler und Entscheidungsträger alarmiert, den lokalen Wasserkreislauf an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. Als eine der besten Anpassungsstrategien gilt das Konzept der Schwammstadt: Flächen entsiegeln, Verdunstung erhöhen, Regenwasser zu versickern und zu nutzen.
Das Konzept der Schwammstadt basiert darauf, Wasser nicht abzuleiten, sondern zu speichern, die Lebensqualität der Menschen und die Vegetation der Bäume und Pflanzen zu verbessern. In den Sommermonaten entstehen bei längeren Trockenperioden vor allem in den Städten bei ungünstigen Windverhältnissen Hitzeinseln. Die Dach- und Fassadenbegrünung bei Gebäuden und begrünte Außenflächen schaffen ein besseres Mikroklima – insbesondere in Städten.
Dazu wird der Niederschlag durch urbane Grünzonen, Feuchtgebiete, Wasser- und Überflutungsflächen sowie unterirdische Speicherräume dezentral gespeichert, um in Trockenperioden genügend Wasser zur Verfügung zu haben. Dies fördert zudem die Grundwasserbildung und reduziert die Überschwemmungsgefahr bei Starkregenereignissen.
Schwammstadt - Planung ist alles
Die Anlagen zur Nutzung und Versickerung gilt es bei der Planung der Technischen Gebäudeausrüstung entsprechend zu berücksichtigen und gemeinsam mit der Fachplanung für Städte- und Infrastruktur, Garten- und Landschaftsbau ein Konzept zur Pufferung, Sammlung, Nutzung und Versickerung zu erarbeiten.
Ein wesentliches Instrument zur Umsetzung ist dabei die Wasserhaushaltsbilanz. Ziel ist es, einen naturnahen Wasserhaushalt zu erhalten und die abzuleitenden Niederschlagsmengen über die Kanalisation zu reduzieren. Die Bilanz wird aus Niederschlag, Verdunstung, Abfluss und Speicherung für ein definiertes Gebiet und einen definierten Zeitraum erstellt.
Wasserhaushaltsbilanz Instrument zur Umsetzung
Auf der IFAT 2022 legten Forschende der Uni Kaiserslautern die Studie „Starkregen und urbane Sturzfluten – Agenda 2030“ vor, wie diesen Gefahren in der Baupraxis effektiv begegnen werden kann. Im Fokus der Studie stehen ein kommunales Starkregen-Management. Betroffene Städte und Gemeinden sollten verpflichtet werden, Gefahren- und Risiko-Karten zu erstellen. Zudem haben Wissenschaftler die Schwachstellen von Gebäuden bei Starkregen untersucht und empfehlen ein starkregegeschütztes Musterhaus: von der Dachbegrünungzur Zurückhaltung und Verdunstung von Wasser über Regenbassins und oberirdische Sammelflächen bis hin zu Schutzfunktion von Kellereingängen und Kellerschächten.
„Dies ist eine komplexe Aufgabe, die man lieber heute als morgen beginnen sollte“, betont Prof. Dr. Roland Müller vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig in einem Interview mit dem Graf-Magazin "for a greener Planet" zum Starkregen-Management.
In über 20 Gemeinden und Städten in Deutschland hat eine Umsetzungs- und Verstetigungsphase begonnen, in der die Ergebnisse pilothaft erprobt werden. Der Prozess wird von einem wissenschaftlichen Querschnittsprojekt begleitet, das die inhaltliche Vernetzung, die Kommunikation nach außen und den Transfer in die kommunale Praxis unterstützen soll.
Schwammstadt: Versickerung ist wichtig
Asphalt, Beton oder Pflastersteine können die Oberfläche versiegeln. Um eine möglichst natürliche Bodenfunktion wieder herzustellen sind, ist nach Ansicht der Experten der Rückbau undurchlässiger Flächen zu empfehlen. Durch die Entsiegelung wird der Direktabfluss von Regenwasser gemindert, die Grundwasserneubildung durch Versickerung erhöht und die öffentliche Entwässerung entlastet. Positiver monetärer Nebeneffekt: Für vollständig entsiegelte Flächen sind im Gegensatz zu versiegelten bzw. teilversiegelten Flächen keine Niederschlagswassergebühren zu entrichten.
Bei der Entsiegelung werden die luft- und wasserdichten Oberflächen entfernt und durch einen wasserdurchlässigen Bodenbelag ersetzt. Besonders geeignete wasserdurchlässige Bodenbeläge sind unter anderem Rasen, Schotterrasen, Holzroste, Rasengittersteine oder Pflaster mit offenen Zwangsfugen.
Erhöhung der Verdunstung
Eine erhöhte Verdunstungskühlung durch Dach- und Fassadenbegrünungen bei Gebäuden, durch Begrünung von Außenflächen und auch durch Bäume reduzieren bei längeren Trockenperioden das Risiko, dass sich urbane Hitzeinseln bilden. Dadurch wird das Mikroklima in Städten verbessert.
Schwammstadt: Dachbrünung - welchen Normen geleten?
Dachbegrünungen haben in den vergangenen Jahrzehnten aus ökologischen, funktionalen und gestalterischen Gründen erheblich an Bedeutung gewonnen. Für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Dachbegrünungen gelten die „FLL-Dachbegrünungsrichtlinien“, Ausgabe 2018. Diese gelten für Intensivbegrünungen (Dachgärten), einfache Intensivbegrünungen und Extensivbegrünungen auf Dächern und Decken, beispielsweise von Tiefgaragen, mit einer Überdeckungshöhe bis zwei Meter.
Die notwendigen Regenentwässerungsanlagen sind in Übereinstimmung mit der DIN 1986‑100 „Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke – Teil 100 Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056“, Ausgabe Dezember 2016 und der DIN EN 12056‑3 „Schwerkraftentwässerungsanlagen innerhalb von Gebäuden – Teil 3: Dachentwässerung, Planung und Bemessung“, Ausgabe Januar 2001, zu planen und auszuführen.
Bei der Intensivbegrünung wird durch den hohen Schichtaufbau ein großer Teil des Regenwassers gespeichert. Dies reduziert den Direktabfluss und verbessert die Verdunstungskühlung. Intensivbegrünungen lassen sich allerdings nur durch eine intensive Pflege mit regelmäßiger Wasser- und Nährstoffversorgung dauerhaft erhalten. Die Pflanzen stellen sehr hohe Ansprüche an den Schichtaufbau der Dachbegrünung.
Extensivbegrünungen sind mit geringem Aufwand zu bepflanzen und zu pflegen. Trotz des niedrigen Schicht-aufbaus wird auch bei Extensivbegrünungen der Direktabfluss gemindert und die Verdunstungskühlung erhöht.
Fassadenbegrünung in der Schwammstadt
Neben der Dachbegrünung ist die Fassadenbegrünung, das Vertical-Greening, im Trend. Dies ist ein planmäßiger und kontrollierten Bewuchs geeigneter Fassaden mit Pflanzen. Für die Planung, den Bau und die Instandhaltung von Fassadenbegrünungen gelten die sogenannten „FLL Fassadenbegrünungsrichtlinien“, Ausgabe 2018.
Bei Fassadenbegrünungen wird zwischen boden- und fassadengebundenen Begrünungen unterschieden. Bei der bodengebundenen Begrünung haben die Pflanzen eine direkte Verbindung zum gewachsenen Boden. Eine regelmäßige Pflege ist notwendig, aber mit relativ geringem Aufwand verbunden.
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Bei der fassadengebundenen Begrünung besteht keine Verbindung zum Boden. Die Pflanzen werden durch automatische Anlagen mit Wasser und Nährstoffen versorgt. Der Pflegeaufwand ist dabei in aller Regel größer als bei bodengebundenen Begrünungen.
Bäume im Wasserhaushalt
Durch das Schwammstadt-Prinzip können Bäume einen erheblichen Beitrag zur Verbesserung des Stadtklimas durch Verdunstungskühlung leisten. Zur Optimierung der Wachstumsbedingungen für Bäume entscheiden sich Kommunen und Städte immer häufiger für den Einsatz von Wurzelkammersystemen. Hiermit können sich die Baumwurzeln frei entfalten, sodass dem Stadtbaum dauerhaft genügend Nährstoffe für ein gesundes und nachhaltiges Gedeihen zur Verfügung stehen. Deshalb empfehlen Experten, Baumgruben als bepflanzbaren Retentionsraum in das Regenwassermanagement zu integrieren.
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Regenwassernutzung - rechtliche Vorschriften
Die Nutzung von Regenwasser gewinnt durch das Konzept der Schwammstadt zusätzliche Bedeutung – vor allem zur Gartenbewässerung. Hierbei wird nicht nur der Direktabflusses durch die Speicherung gemindert, sondern zusätzlich das Stadtklima durch Verdunstungskühlung verbessert. So wird beispielsweise bei dem im Bau befindlichen E-Centers in Offenburg 75.000 Liter Wasser in Graf Flachtanks Platin zur dauerhaften Bewässerung der begrünten Dachfläche gespeichert.
Die Experten empfehlen, dass zur Regenwassernutzung ausschließlich Wasser von Dachflächen oder vergleichbaren Flächen, wie beispielsweise Dachterrassen oder Balkonen, gesammelt werden. Wasser von Parkplätzen und anderen versiegelten Flächen wäre für den Einsatz in der Regenwassernutzungsanlage zu behandeln. Dies ist daher wirtschaftlich nicht zu empfehlen.
Die Verdunstung reduziert, vor allem bei einer Dachbegrünung das Volumen des Niederschlagswassers, das gesammelt wird. Für die Berechnung der Niederschlagsmengen sind ausschließlich die projizierten Flächen relevant. Diese können insbesondere bei steilen Dächern stark von der Dachfläche abweichen. Für die Planung und Bemessung, Einbau, Kennzeichnung, Inbetriebnahme und Wartung von Regenwassernutzungsanlagen gilt die DIN EN 16941‑1 „Vor-Ort-Anlagen für Nicht-Trinkwasser – Teil 1: Anlagen für die Verwendung von Regenwasser“, Ausgabe 2024.
Neben der DIN EN 16941‑1 gelten für Regenwassernutzungsanlagen die Trinkwasserverordnung (TrinkwV) und die „Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV)“. Zudem sind noch zusätzlich die Anforderungen der DIN 1989‑100 „Regenwassernutzungsanlagen – Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 16941‑1“ zu berücksichtigen.
Die für die Regenwassernutzung relevanten Aussagen lassen sich so zusammenfassen: Die Anforderungen an die Wasserqualität von Trinkwasser gelten, jedoch nicht für Wasser aus Regenwassernutzungsanlagen. Voraussetzung hierfür ist, dass Wasser aus derartigen Anlagen nicht in Bereichen angewendet wird, in denen Trinkwasserqualität wie bei der Körperpflege erforderlich ist. Auch der nachträgliche Einbau einer Regenwasser-nutzungsanlage in bestehende Gebäude ist genehmigungsfrei. Wird die Regenwassernutzungsanlage im Rahmen eines Neubaus errichtet, so sind entsprechende Angaben im Entwässerungsgesuch des Bauantrages zu machen.
Versickerung von Niederschlagswasser
Wenn es die geologischen Formationen zulassen, ist nach Meinung der Experten das Niederschlagswasser von öffentlichen Flächen sowie von Grundstücken möglichst vor Ort zu versickern und so auf direktem Weg dem natürlichen Wasserkreislauf zuführen.
Im Arbeitsblatt DWA‑A 138 „Planung, Bau und Betrieb von Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser“, Ausgabe April 2005 (Entwurf im Gelbdruck, DWA-A 138-1 „Anlagen zur Versickerung von Niederschlagswasser – Teil 1: Planung, Bau, Betrieb“, Ausgabe November 2020), sind die Anforderungen an Versickerungsanlagen dargestellt. Zusätzlich sind die Empfehlungen zur mengen- und gütemäßigen Behandlung von Regenwasser gemäß des Merkblatts DWA‑M 153 „Handlungsempfehlungen zum Umgang mit Regenwasser“, Ausgabe August 2007, zu beachten.
Versickerungsanlagen sind in aller Regel behördlich zu genehmigen. Genehmigungsfrei sind Versickerungs-systeme, welche Flächen mit geringen Flächenverschmutzungen entwässern. Dazu zählt beispielsweise die Entwässerung von Gründächern, Gärten, Wiesen, Dach- und Terrassenflächen in Siedlungsgebieten, Rad- und Gehwege außerhalb des Straßenbereichs sowie Hofflächen und Pkw-Stellflächen im Wohnbereich.
Um festzustellen, ob und mit welcher Wasserdurchlässigkeit des Bodens Wasser versickern kann, ist eine hydrogeologische Untersuchung vor Ort zu empfehlen. Um die Versickerungsleistung zu beurteilen, sind Rammkernsondierungen oder Schürfungen in der Nähe des Einbauortes der Rigole notwendig. Das Ergebnis ist ein Schichtenmodell, in dem die Verteilung und Stärke der Bodenschichten bis zur Schürftiefe dargestellt sind. Im hydrogeologischen Gutachten werden detailliert die Boden- und Grundwasserverhältnisse beschrieben.
Die Durchlässigkeit (kf-Wert) des anstehenden Bodens und vorhandenes Grund- oder Schichtenwasser bestimmen wesentlich die Lage und Größe der Rigole. Bei der Regenwasserversickerung liegen die Durchlässigkeitsbeiwerte (kf-Werte) in einem Bereich von 10-3 bis 10-6 m/s. Besonders geeignete Bodenarten sind sandiger Kies, sandiger Schluff sowie Grob-, Mittel- und Feinsande.
Versickerungssysteme dürfen nicht in Schichten eingebaut werden, deren Durchlässigkeit < 10–6 m/s (Ton oder bindige Böden mit Tonanteil) beträgt. Der Boden darf höchstens eine Durchlässigkeit von ≤ 10–3 m/s aufweisen, da eine Mindestverweildauer vor dem Grundwassereintritt erzielt werden soll. Wenn möglich, können mit einem Bodenaustausch die erforderlichen kf-Werte erzielt werden.
Experten empfehlen, dass der Abstand der Sohle der Versickerungsanlage zum mittleren höchsten Grundwasser-stand (MHGW) mindestens ein Meter beträgt. Bei geringer stofflicher Belastung der Niederschlagsabflüsse kann der Abstand auch bis zu einem Abstand von 0,5 Meter verringert werden.
Unser Autor
Andreas Steigert, Leiter Marketing Otto Graf GmbH
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