Citan unter Strom
Der neue Citan-Stromer komplettiert das E-Trio der Mercedes-Transporter. Beim Test fährt in Gedanken noch ein Zweiter mit. B_I galabau Fachmann Randolf Unruh hat verglichen und sagt, ob der Stern steiugt oder fällt.
Manchmal errötet selbst ein Mitglied der stolzen Mercedes-Familie ganz sanft. Zum Beispiel beim Preis. Das ist für die Marke generell nicht ungewöhnlich, hat hier aber eine besondere Komponente. 43.102 Euro ruft Mercedes im Netz optimistisch für den einfachsten elektrisch angetriebenen eCitan auf. Doch da steckt die Mehrwertsteuer drin, macht netto 36.220 Euro. Für das in vielen Punkten baugleiche Schwestermodell Kangoo Rapid E-Tech verlangt Renault netto 33.990 Euro.
Prompt zieht Mercedes im Konfigurator von vornherein einen Bar-Nachlass von zehn Prozent ab, dazu einen Bar-Bonus von 2.000 Euro. Macht 30.598 Euro für den eCitan. Ein Mercedes unterhalb von Renault? Das hat was. Prompt legt Renault ein „Aktionsleasing“ auf, bei gleichen Parametern steht der Kurs dann 325 zu 350 Euro netto. Geht da noch was beim Wettbewerb unter den Geschwistern?
Die erste Citan-Generation musste im Unterschied zum Kangoo Rapid ohne ein E-Modell auskommen. Jetzt stromern beide. Gut für den GaLaBau, der beruflich häufig in umweltsensiblen Arealen unterwegs ist. Abseits allfälliger Preisdebatten, was spricht für den Mercedes? Vielleicht passt er besser in den vorhandenen Fuhrpark, liegt die Werkstatt näher, ein sympathisches Angebot lockt oder Mercedes-typische Eigenschaften sind gefragt.
Mercedes Benz setzt beim eCitan auf eigenständiges Design
Denn die gibt es durchaus. Sie bestehen neben dem leuchtenden Lack zunächst in einem eigenständigen Design der tiefen Nase und der Scheinwerfer. Die Verwandtschaft zu A- und B-Klasse ist unverkennbar. Schon weniger markant sind die dezente Falte auf dem Rücken, der andere Stoßfänger hinten und die Grafik der Rückleuchten, geschenkt. Zwischendrin unterstreichen zwei Merkmale das freundliche Erscheinungsbild der gehobenen Ausstattungsvariante namens Pro. Da wäre eine Abdeckung der Schiebetürführung in Wagenfarbe. Und die ansehnlichen Designräder des eCitan. Sie sehen nach Aluminium aus, bestehen aber aus Stahl. Die Alufelgen kann man sich daher getrost sparen.
Drinnen fühlen sich Fans des Sterns sofort zuhause. Runde Luftdüsen in Jet-Optik, klassische analoge Instrumente à la Sprinter inklusive Mittendisplay, ebenso die gewöhnungsbedürftige Klaviatur des Multifunktionslenkrads, die Tasten- und Bedienfelder links und in der Mittelkonsole, der altbekannte, von Eingeweihten gern als Ingenieurshebel bezeichnete Lenkstockhebel für Blinker, Fernlicht und sämtliche Scheibenwischer, auch der Wählhebel in der Mittelkonsole – Mercedes pur. Alles eingepackt in vergleichsweise hochwertige und gut verarbeitete Materialien. Auch MBUX steckt drin und gehorcht aufs Wort – nun ja, meistens. Der Monitor in Cockpitmitte ist von überschaubarer Größe und die Kartendarstellung der Navigation unübersichtlich. Also: „Hey Mercedes, Navigation mit Sprachausgabe“ – na also, schon besser.
Kein digitaler Innenspiegel im eCitan
Angesichts der zahlreichen Stern-Zeichen fällt kaum auf, dass die bequemen, nur etwas kurzen Sitze mit knapper Längsverstellung auch im Parallelmodell zu finden sind, ebenso die Mittelkonsole mitsamt dem klotzigen Ablagekasten und die großen Außenspiegel. Das Thema Sicht verdient genauere Betrachtung. Die nach unten breit auslaufenden A-Säulen behindern den Blick nach schräg vorn. Nach hinten steht der sehr breite Steg zwischen den beiden Fenstern in der Kunststoff-Trennwand zum Laderaum der Aussicht im Weg. Schön wär’s, könnte man einen digitalen Innenspiegel nutzen, wie ihn der französische Partner anbietet, auch Mercedes im größeren Vito. Doch leider nicht für den eCitan. Dabei ist der erste Schritt schon absolviert: Bei Vorwärtsfahrt lässt sich die Rückfahrkamera zuschalten. Allerdings wird der Bildschirm ab 30 km/h wieder dunkel – aus Sicherheitsgründen, meldet ein Text. Also Test des Parkassistenten. Er sucht und findet zuverlässig eine Lücke, lenkt gekonnt rückwärts hinein. Angesichts des Abstands zum Bordstein runzelt der Fahrprüfer allerdings die Stirn. Und lässt den Mercedes danach flink ganz automatisch nach vorne ausparken.
Zurück zu handfesten Themen. Unter der Haube hat ein fremderregter Synchronmotor Platz genommen. Wie erregt dieser Bursche ist, wird beim Tritt aufs Fahrpedal deutlich: Rasant fegt der Mercedes aus den Startlöchern. Kennt auch bei der Zwischenbeschleunigung kein Halten. Fährt seinen Verbrennerkollegen mühelos um die Ohren, um dann bei 132 km/h praxisgerecht sanft abzuregeln.
Erstaunlich Leiser Transporter
Eine gewisse Sanftheit zählt ohnehin zu den Grundzügen des eCitan. Er fährt selbst für einen Elektriker leise wie auf Samtpfoten, kennt kein Pfeifen oder Singen. Bereits leer benimmt sich das Fahrwerk ausgesprochen zivilisiert. Beladen legt der Komfort noch zu, ohne dass der Mercedes verweichlicht. Allenfalls wippt und nickt er ein wenig um die Querachse. Zwar verträgt der eCitan klaglos hohe Kurvengeschwindigkeiten, doch er lädt eher zu gelassener Fahrweise ein.
Dies kommt auch seinem Stromverbrauch zugute. Laut WLTP-Norm schluckt die getestete Variante eCitan Pro in Standardlänge im Schnitt 18,9 kWh. Voll ausgeladen unterbot der eCitan diesen Wert mit 18,0 kWh auf der anspruchsvollen Teststrecke sogar. Mit Extremwerten von nur 12,0 kWh auf der Kurzstreckenetappe und 28 kWh in vollem Galopp auf der Autobahn. In der Regel landet er zwischen etwa 15 und knapp über 20 kWh – Heizung und Klimaanlage abgeschaltet, versteht sich. Wer dem eigenen Temperament nicht traut, drückt auf die Eco-Taste. Das reduziert die Leistung auf 60 kW und auch das Maximaltempo. Zusätzlich lässt sich mit dem Wählhebel die Rekuperation einstellen, vom fast schwerelosen Segelmodus bis zur Einpedal-Fahrweise. Die Normalstellung in Fahrstufe „D“ bremst indes kräftig genug. Und dann wäre da noch der recht dynamische Kriechmodus als Rangierhilfe. Wer den Stromkonsum detailliert verfolgen will, entdeckt neben den Anzeigen im Display weitere Informationen im zentralen Monitor.
eCitan mit und 250 Kilometer Alltagsreichweite
Aus all dem resultiert angesichts einer nutzbaren Batteriekapazität von 45 kWh eine Alltagsreichweite von rund 250 Kilometer, für einen Lieferwagen angemessen. Serienmäßig lädt der eCitan mit 11 kW an der Wallbox. Auf Wunsch lässt sich das Ladetempo auf 22 kW steigern. Schnellladen bedeutet maximal 80 kW. Wobei das Engagement schon nach halber Strecke sehr deutlich und nach etwa dreiviertel gefüllter Batterie stark nachlässt. Für das Ladekabel ist kein Platz vorgesehen, also wird es vom Beifahrer mit Füßen getreten oder fliegt im Laderaum herum.
Das Batteriepaket im Untergrund des eCitan wiegt schwer. Daher durfte der Testwagen gerade mal eine halbe Tonne Fracht schleppen, inklusive Fahrer wohlgemerkt. Wer mehr transportieren will, muss zur tragfähigeren Lang-Ausführung greifen. Oder zu einem Anhänger, denn der eCitan darf erstaunliche 1,5 Tonnen ziehen. Zum Vergleich: Der bisherige eSprinter kannte den Begriff Anhängelast nicht einmal.
Hinter der Heckklappe – die serienmäßigen Flügeltüren sind im gewerblichen Einsatz praktischer – verbirgt sich ein Laderaum von 2,5 Kubikmeter. Realistisch gerechnet, das schafft nicht jeder Hersteller. Das Heckportal misst in der Breite 1.260 Millimeter, der Abstand zwischen den Radkästen 1.250 Millimeter. Gutwillige Staplerfahrer zirkeln eine Europalette also quer hinein. Obacht: Die Öffnung im Heck verjüngt sich nach oben, mit hoher Beladung wird’s dann eng.
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Genauso eng wie bei der Kalkulation. Rechnet sich der Stromer? Leistet er, was der Fuhrpark verlangt? Angesichts seiner Performance muss der eCitan dabei nicht erröten.
Technische Daten des Mercedes-Benz eCitan auf einen Blick
Grundpreis | 36.220,00 € |
Motor | Fremderregter Synchronmotor, vorn Nennleistung: 90 kW Drehmoment: 245 Nm |
Kraftübertragung | Vorderradantrieb, feste Getriebeübersetzung, zwei Fahrmodi, drei Rekuperationsstufen |
Batterie | Lithium-Ionen-Traktionsbatterie, nutzbare Kapazität 45 kWh, Nennspannung max. 400 V. Geladen mit 11 kW, optional 22 kW per Wallbox mit Typ 2-Stecker, optional schnellladefähig über CCS-Stecker mit max. 80 kW |
Fahrwerk | Vorderachse: Einzelradaufhängung an McPherson-Federbeinen und unteren Dreiecks-Querlenkern, Stabilisator Hinterachse Verbundlenkerachse mit Längslenkern und Schraubenfedern. Reifen 205/60 R 16 |
Bremsen | Hydraulische Zweikreisbremse, vorn und hinten Scheibenbremsen, ESP mit ABS und ASR, elektronisch geregelte Bremskraftverteilung, Anfahrassistent, Bremsassistent, Seitenwind-Assistent, Aufmerksamkeits-Assistent. Elektrisch betätigte Feststellbremse |
Maße und Gewichte | Länge/Breite/Höhe: 4.498/1.856/1.820 mm Radstand: 2.716 mm Wendekreis: 11.750 mm Ladevolumen: 2,5 m3 Leergewicht: 1.730 kg Nutzlast: 500 kg Zul. Gesamtgewicht: 2.230 kg Zul. Achslast vorn/hinten: 1.170/1.275 kg Anhängelast bei 12% Steigung: 1.450 kg |
Testwerte | Beschleunigung: 0-50/80/100 km/h: 4,0/7,7/11,5 s Elastizität: 60-100 km/h: 6,7 s 80-120 km/h: 9,6 s Höchstgeschwindigkeit: 132 km/h Innengeräusche bei: Stand/50/100 km/h: -/58/64 dB(A) Normverbrauch nach WLTP kombiniert: 18,9 kWh/100 km Verbrauch Teststrecke beladen: 18,0 kWh/100 km |
Reanult oder Mercedes: eCitan im Vergleich zum Kangoo Rapid E-Tech - ein Praxistest: Weitere Bilder
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