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Gefährlichkeit der Geräte für Igel unterscheiden

Mähroboter stehen in Privatgärten und auf Sportrasen hoch im Kurs. Zugleich verweisen Kritiker auf Gefahren für Igel und andere Kleintiere. Im Interview mit B_I galabau spricht Dr. Anne Berger vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung über Schnittverletzungen, Nachtfahrverbote, Crashtests und eine neue Igel-Erkennung.

Besserer Igel-Schutz bei Mährobotern
Igel in Gefahr? Einige Mähroboter-Modelle, aber nicht alle können für die stacheligen Säugetiere schädlich sein – das zeigen zumindest Forschungsergebnisse. | Foto: Pixabay

Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung hat 370 in Deutschland dokumentierte Fälle von Schnittverletzungen an Igeln analysiert. Alle sollen auf elektrische Gartengeräte zurückzuführen sein – woran lässt sich das überhaupt erkennen?

Dr. Berger: Dies ist eine gute Frage, die wirklich im Einzelfall nicht immer eindeutig zu beantworten war, gerade, wenn die Wunde schon etwas älter war. Die Fälle, bei denen wir uns aber nicht sicher waren, wurden aus der Analyse herausgenommen. Hinein kamen nur Fälle, bei denen langjährig erfahrene Igelpflegestationen und Tierärzte anhand des Wundbildes eindeutig diagnostizieren konnten, dass es sich um Schnittverletzungen handelt. Oft waren die Schnitte großflächig und im Bereich des Rückens oder Hinterkopfes, es gab aber auch viele mehr oder weniger lange einzelne oder vielfache Schnitte, bis hin zu abgetrennten Körperteilen. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass sich Igel Wunden mit solchen Schnittmustern irgend woanders in ihrer natürlichen Umgebung zuziehen. Leider wurde der verletzte Igel nur in Ausnahmefällen unmittelbar am Unfallgeschehen überhaupt vom Menschen wahrgenommen. Dies passierte dann natürlich immer tagsüber, und dann war die Zuordnung zu dem Gartengerät selbst auch wirklich hundertprozentig möglich.

Warum stellen Mähroboter eine so große Bedrohung für Igel dar, wie es viele Tierschützer behaupten?

Dr. Berger:Zum einen kommen die vergleichsweise leisen, automatisch laufenden Mähroboter im Gegensatz zu den handbetriebenen Rasenmähern häufig nachts zum Einsatz. Nachts ist aber die Aktivitätszeit für Igel, sie kommen dann aus ihren Nestern heraus, in denen sie tagsüber schlafen und begeben sich auf Nahrungssuche, wo sie dann auf dem Rasen mit Mährobotern zusammentreffen. Hier zeigt sich dann das zweite Verhängnis für den Igel: Statt dem Mähroboter davon zu rennen, bleiben Igel bei Gefahr stehen und rollen sich zu einer Stachelkugel zusammen. Dies hat Jahrmillionen Jahre gegen natürliche Gefahren wie Füchse super geholfen, aber schützt leider nicht vor den Wirkungen von großen Maschinen. Dem Igel lassen sich nun aber seine Nachtaktivität und sein spezieller Schutzreflex auch nicht abtrainieren, sie sind ihm angeboren und insofern müssen wir Menschen etwas an den Maschinen ändern, um dieses Igel-Mähroboter-Problem zu lösen.

Gibt es aktuell Mähroboter, die für Igel ungefährlich sind?

Dr. Anne Berger: Ich befürchte, diese gibt es nicht. Zumindest haben uns sämtliche Tests noch keinen solchen Roboter zeigen können. Das Team um Frau Rasmussen aus Dänemark (Dr. Sophie Lund Rasmussen, Biologin, Universität Oxford, Anm. d. Red.) testete standardisiert unterschiedliche Mähroboter-Modelle verschiedener Hersteller an bereits toten Igeln verschiedener Größe. Keines dieser Modelle erkannte die Igel ohne sie zu berühren – so wie es wirklich ungefährlich für Igel wäre. Einige stießen den Igel nur um oder schnitten ihm ein paar Stacheln ab, aber die Mehrheit, genau 16 von 19 Modellen, verursachte kleine bis tödliche Schnittverletzungen. Dazu muss ich erwähnen, dass auch kleine Hautverletzungen bei Igeln tödlich enden können, immer dann, wenn der Igel diese Wunden nicht lecken und sauber halten kann, so wie zum Beispiel am Hinterkopf. In solche Wunden setzen dann Fliegen ihre Eier ab und die schlüpfenden Maden zerfressen den Igel bei lebendigem Leib, beziehungsweise kann sich die Wunde leicht entzünden und der Igel stirbt so erst viel später an diesen Folgen.

Dr. Anne Berger vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. | Foto: Leibniz-IZW
Dr. Anne Berger vom Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin. | Foto: Leibniz-IZW

Zur Person

Die Biologin Dr. Anne Berger promovierte in Verhaltensökologie an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Seit 2000 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin tätig. Vor ihrem Biologiestudium an der Humboldt-Universität in der Bundeshauptstadt arbeitete sie von 1987 bis 1988 als Zootierpflegerin im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde. In einem Projekt zur angewandten Igelschutzforschung untersucht sie, wie sich Igel an urbane Lebensbedingungen anpassen. Das Ziel lautet, in engem Dialog mit allen Interessensgruppen verbesserte Schutzmaßnahmen für den Igel zu entwickeln und in der Gesellschaft zu etablieren.

Ihnen schwebt ein standardisierter Igel-Sicherheitstest für Mähroboter vor, der die Geräte hinsichtlich ihrer Verletzungsgefahr für die Säugetiere einordnet. Wie soll das funktionieren und lässt sich das überhaupt durchsetzen?

Dr. Berger: Ganz genauso, wie es auch für andere Geräte wie zum Beispiel Autos und ihre Sicherheitseinrichtungen standardisierte Crashtests gibt, so kann es diese auch für Mähroboter geben. Zurzeit entwickelt die Firma Crashtest-Service mit unserer Hilfe einen Igel-Dummy, damit bei solchen Tests keine bereits verstorbenen Igel mehr verwendet werden müssen und diese Tests auch vielfach standardisiert wiederholt werden können. Diese genormte Igelpuppe wird in einer Testarena fest definiert vor den Mähroboter platziert, und dieser wird in Betrieb gesetzt, alle Tests werden so oft wiederholt, bis zufällige Ergebnisse ausgeschlossen werden können. Ein solcher Test sollte verpflichtend auf europäischer Ebene durch das Komitee für elektrische Normung (CENELEC) für alle auf dem Markt befindlichen oder kommenden Mähroboter-Modelle eingeführt werden, denn nur so werden die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen hinsichtlich ihrer Gefährlichkeit für Igel offenbar und potenzielle Käufer haben die Möglichkeit, Geräte hinsichtlich der Gefährlichkeit für Igel unterscheiden und wählen zu können.

Forderungen nach einem Nachtfahrverbot für Mähroboter werden lauter. Was halten Sie davon und welche Schritte sind Ihres Erachtens jetzt noch nötig?

Dr. Berger: Solange es keine igelerkennenden Mähroboter gibt, ist es für den Schutz dieser Tiere natürlich sinnvoll, Mähroboter nachts nicht fahren zu lassen, denn dann wird zumindest die Mehrheit solcher Unfälle vermieden. Es gibt bereits die Gemeinde Nuthetal in Brandenburg, die ein Nachtfahrverbot verordnet hat, allerdings bleibt es schwierig, eine solche Maßnahme einerseits flächendeckend zu vermitteln und andererseits ihre Umsetzung zu kontrollieren. So kommen noch immer viele Bürger und Bürgerinnen mit einem von ihrem Mähroboter schnittverletzten Igel in die Igel-Pflegestation, die zuvor noch nie etwas von diesem Problem gehört hatten. Und genauso wird es immer Bürger geben, die sich an solche Verbote nicht halten. Ich persönlich finde auch nicht, dass es die Verantwortung der Käufer ist, solchen Unfällen vorzubeugen, sondern dass dies die Aufgabe der Hersteller ist, die ja immerhin an dem Verkauf dieser Maschinen verdienen. Insofern sollten die Hersteller in die Pflicht genommen werden, ihre Geräte so umzubauen, dass sie entweder Igel nicht gefährden oder dass sie nachts gar nicht in Betrieb genommen werden können.

Ist ein Nachtfahrverbot denn überhaupt erforderlich? Es gibt doch schon Softwarelösungen wie eine Tierschutzfunktion, wodurch der Mähroboter von der Abenddämmerung bis zum Morgengrauen ruht.

Dr. Berger: Diese Programmierung der Geräte obliegt allerdings in den meisten Fällen dem Nutzer. Bei einigen Geräten blinkt eine „Igelwarnleuchte“ auf, wenn das Gerät von dem Nutzer auf Nachtbetrieb gestellt wurde, bei anderen gibt es diesbezüglich gar keine Hinweise. Manchmal gibt es in den Sicherheitsanweisungen sogar den Hinweis, dass man das Gerät nicht unbeaufsichtigt fahren lassen sollte oder dass man Tiere aus dem Garten entfernen sollte. Es gibt aber viele Personen, die diese Anleitungen gar nicht erst lesen, die mit solchen Hinweisen nicht wirklich etwas anfangen können oder die ihren Rasen gerade nachts mähen wollen zum Beispiel aus Rücksicht auf ihre Kleinkinder oder Haustiere. Ideal wäre es also, wenn von den Herstellern verlangt wird, dass Mähroboter – vom Werk aus programmiert – nachts gar nicht einschaltbar sind, es sei denn, dass sie bei einem standardisierten Mähroboter-Crashtest zuvor bewiesen haben, dass sie Igeln nicht gefährlich werden können.

Igel mit Schnittverletzungen, die auf elektrische Gartenpflegegeräte zurückzuführen sind: Forschende haben 370 in Deutschland dokumentierte Fälle analysiert. | Foto: Editha Schneider
Igel mit Schnittverletzungen, die auf elektrische Gartenpflegegeräte zurückzuführen sind: Forschende haben 370 in Deutschland dokumentierte Fälle analysiert. | Foto: Editha Schneider

Gibt es keine technischen Möglichkeiten, um die Gefahr für Igel durch Mähroboter zu entschärfen – was ist beispielsweise mit dem Einsatz Künstlicher Intelligenz?

Dr. Berger:Wir arbeiten gerade daran, einen Aufsatz zu entwickeln, der mittels maschineller Bilderkennungsverfahren Igel eindeutig erkennen kann und den Mähroboter dann umlenkt, dem Igel sozusagen ausweicht. Die Schwierigkeiten hier sind unter anderem, dass diese Methode so preiswert sein muss, dass es für potenzielle Käufer erschwinglich bleibt und dass der Aufsatz im besten Falle für viele verschiedene Mähroboter-Modelle kompatibel ist, sodass man zum Beispiel auch ältere Geräte damit aufrüsten kann. Wir arbeiten daran gerade intensiv, aber jede technische Entwicklung und erst recht eine Marktreife dauert viele Monate bis Jahre. Für die Zwischenzeit wäre es daher sinnvoll, eine einfachere Lösung zu finden, wie zum Beispiel die von mir bereits beschriebene Werks-Programmierung, die das Fahren der Roboter nachts unmöglich macht, solange nicht bewiesen wurde, dass das Gerät unschädlich für Igel ist.

Wie lautet Ihr Appell an die Entwickler und Hersteller von Mährobotern?

Dr. Berger:Ich bin fest davon überzeugt, dass auch die Entwickler und Hersteller von Mährobotern ein Herz für Igel haben und an einer Lösung dieses Problems mehr als nur interessiert sind. Ich bin auch fest davon überzeugt, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis es einen igelerkennenden Mähroboter geben wird und Igel und Mähroboter sich nachts unbeschadet gemeinsam den Rasen teilen. Aber bis dahin brauchen wir eine schnelle und einfache Lösung, wie zum Beispiel das vom Hersteller programmierte automatische Abschalten aller Mähroboter in der Nacht. Es gibt bereits einzelne Modelle, bei denen dies so von Herstellerseite aus programmiert wurde. Warum machen das nicht alle so?! So ließen sich wirklich hunderte bis tausende qualvolle Verletzungen und Tode von Igeln vermeiden, und das kann doch eigentlich auch nur im Sinne der Hersteller sein, oder?!

Wie wirkt sich die Gartengestaltung auf die Gefahr für Igel aus?

Dr. Berger:Dazu sind mir ehrlich gesagt keine Studien bekannt. Generell bevorzugen Igel möglichst unaufgeräumte Gärten, sie brauchen Laub und Hecken für ihre Nester, gern auch Holz- oder Reisighaufen, und sie lieben Käfer und Regenwürmer als Nahrung. Insofern ist ein sehr aufgeräumter Garten ohne Verstecke, Artenvielfalt und Insekten für sie nicht sehr attraktiv. Aber Igel kann man durch Futter – für Katzen oder Vögel – und auch durch Wasser an heißen Sommertagen ganz gut anlocken, sodass sich an solchen Plätzen manchmal sogar mehrere Igel treffen, unter Umständen auch mal tagsüber. Wenn man denn also schon einen Mähroboter benutzt, so sollte man ihn sowieso nur tagsüber einsetzen. Das heißt, zwei Stunden nach Sonnenaufgang bis zwei Stunden vor Sonnenuntergang. Und man sollte in seinem Garten kein Futter oder Wasser für Haus- oder Wildtiere anbieten, da dies zur tödlichen Gefahrenstelle für diese Tiere werden könnte.

Gedeiht die grüne Branche?

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Dr. Berger, vielen Dank für das Gespräch.

Forschung zu Schnittverletzungen bei Igeln durch Mähroboter

Wie das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (Leibniz-IZW) mitteilt, haben Forschende 370 in Deutschland dokumentierte Fälle von Schnittverletzungen an Igeln analysiert. Diese sind den Angaben zufolge auf elektrische Gartenpflegegeräte zurückzuführen. Knapp die Hälfte der zwischen Juni 2022 und September 2023 aufgefundenen Igel überlebte demnach die Verletzungen nicht. Die Daten weisen ein ernstes Tier- und Artenschutzproblem für diese besonders geschützten Tiere nach, so das Institut, denn die meisten Igel wurden erst Stunden bis Tage nach den Unfällen gefunden. Das Leibniz-IZW sammelt seit September 2022 über eine geschlossene Facebook-Seite in Zusammenarbeit mit Igel-Auffangstationen Funde von Igeln mit Schnittverletzungen, die auf elektrische Gartenpflegegeräte zurückzuführen sind. Demnach häufen sich die Fälle, was für viele Igelstationen eine enorme Belastung darstellt und wichtige Ressourcen bindet, weil die verletzten Igel oft überdurchschnittlich viel Pflege und Behandlung erfordern.

„Die Auswertung der insgesamt 370 deutschlandweit gemeldeten Fälle zeigte, dass es keine Wochentage gibt, an denen Igel besonders selten oder besonders häufig Schnittverletzungen erleiden“, sagt Dr. Anne Berger vom Leibniz-IZW, die die Sammlung der Fälle wissenschaftlich leitet, „dies ist ein Hinweis darauf, dass oft Mähroboter – deren Absatzzahlen von Jahr zu Jahr steigen – Ursache dieser Verletzungen sind, denn diese Geräte sind die einzigen, die legal auch sonntags benutzt werden dürfen.“

In zwei weiteren Arbeiten analysierten die Forschenden in einem internationalen Team, wie Igel individuell auf einen sich nähernden Mähroboter reagieren beziehungsweise wie verschiedene Mährobotermodelle auf einen vor ihnen liegenden, bereits toten Igelkörper wirken. Die beobachteten Verhaltensreaktionen der Igel sollen Schlüsselinformationen für einen wissenschaftlich fundierten standardisierten Igel-Sicherheitstest für solche Geräte liefern. „Unsere Forschung hat eine potenzielle Bedrohung für die Igel aufgezeigt, da einige Modelle von Roboterrasenmähern – aber nicht alle – für Igel schädlich sein können“, erläutert Dr. Sophie Lund Rasmussen von der Universität Oxford, „daher haben wir uns mit Partnern aus der Industrie zusammengetan, um auf der Grundlage unserer Forschungsergebnisse igelfreundliche Roboterrasenmäher zu entwickeln.“

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