„Keine Frage mehr der Neigung, sondern ein Muss“
Ob Wohngebäude, Einkaufspassage oder sogar Bunker: Dach- und Fassadengrün soll die Optik hochverdichteter Städte aufpeppen und die Folgen von Hitze und Starkregen entschärfen. Im Interview mit B_I galabau spricht Dr. Gunter Mann, Präsident des Bundesverbandes GebäudeGrün (BuGG), über hartnäckige Vorurteile, Pflegeaufwand und Planungsfehler.
Die deutsche Wirtschaft dümpelt vor sich hin. In diesem Konjunkturklima ist die Neigung, ausgerechnet in Gebäudegrün zu investieren, vermutlich nicht allzu groß, oder?
Wo steht Deutschland eigentlich im weltweiten Gebäudegrün-Ranking?
Mann: Ich würde meinen, ziemlich oder sogar ganz oben. Vor allem bei der Dachbegrünung sehe ich uns als Weltmarktführer, wenn wir alles betrachten: Technisches Know-how, Erfahrung, Richtlinien, Fachleute in Planung und Ausführung, Produkt- und Systemlösungen, begrünte Flächen, kommunale Förderinstrumente. Bei der Fassadenbegrünung sehe ich uns schon im oberen Mittelfeld, wenn nicht auch in der Spitzengruppe.
Der Bundesverband GebäudeGrün besteht seit nunmehr sechs Jahren: Was haben Sie seither bewirkt?
Mann: Als wir am 17. Mai 2018 aus der Fusion vom Deutschen Dachgärtnerverband e.V. (DDV) mit der Fachvereinigung Bauwerksbegrünung e.V. (FBB) entstanden sind, ahnte niemand, welche Dynamik und Fahrt das Thema Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung und der BuGG aufnehmen werden. Von 315 auf heute 537 Mitglieder, von 3 auf heute 16 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen gewachsen, insgesamt etwa 40 Gründach- und Fassadengrün-Foren, 3 Fachkongresse und ein Weltkongress durchgeführt und über 20 Broschüren und sonstige Arbeitshilfen entwickelt – nur um ein paar Zahlen zu nennen.
Unser Wirken hat bestimmt auch beigetragen, beispielsweise zur medialen Aufmerksamkeit, der jährlichen Steigerung der begrünten Dach- und Fassadenflächen und der immer größer werdenden Zahl der direkt oder indirekt fördernden Städte. Ohne unsere Mitglieder und interessierte Medien, Unternehmen, Städte und Personen hätten wir das Vorgenannte nicht erreichen können, und nur mit ihnen allen können wir den gemeinsamen Weg weitergehen und Gebäudebegrünung als selbstverständlich etablieren.
Und woran haben Sie sich bisher die Zähne ausgebissen beziehungsweise welche Ziele verfolgen Sie?
Mann: Ich bin seit 1993 in der Branche tätig und mich wundert es immer wieder, dass ich heute immer noch ganz oft die gleichen Argumente für die Begrünung anbringen und gegen die gleichen Vorurteile ankämpfen muss. Wird denn das vorhandene Wissen nicht von einer zur anderen Generation überliefert? Wir drehen uns immer wieder im Kreis und wollen noch einen Nachweis, noch eine Studie, noch ein Leuchtturmprojekt. Wir begrünen beispielsweise Dächer seit etwa 50 Jahren mit System und Fachleuten und wissen, wie es geht. Warum machen wir es nicht einfach!?
Für uns ist wichtig, noch mehr Städte von der Notwendigkeit von Stadt- und Gebäudegrün zu überzeugen und Lobbyarbeit bei der Kommunalpolitik zu machen. Besonderes Ziel ist dabei, neben artenreichen Begrünungen auch die Kombination Photovoltaik und Begrünung – also Solargründächer – zu etablieren. Dach- und Fassadenbegrünungen müssen ein stückweit selbstverständlich werden und Teil einer blau-grünen Städteinfrastruktur.
Welche Gebäudegrün-Formen sind hierzulande besonders beliebt?
Mann: Wenn wir vom Groben ins Feine herangehen, dann dominieren seit Jahren extensive Dachbegrünungen – diese haben einen Anteil von etwa 86 Prozent der begrünten Dächer 2023. Das wird man im BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2024 nachlesen können, der noch nicht veröffentlicht ist. Aber auch bodengebundene Fassadenbegrünungen, sie machen etwa 79 Prozent der begrünten Fassaden 2022 aus. Dazu findet man Infos im BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2023.
Rasantes Wachstum legen jedoch die wandgebundenen Fassadenbegrünungen sowohl in vertikaler als auch in horizontaler (Regal) Bauweise hin. Und bei den Dachbegrünungen sind es die Biodiversitäts-, Retentions- und nun auch die Solargründächer.
Pflege- und Bewässerungsaufwand gelten ja als relativ groß. Gibt es neue Entwicklungen?
Wie steht es mit der Gefahr von Fassadenschäden? Diese Kritik ist ja immer wieder aus der Baubranche zu hören.
Mann: Diese Gefahr besteht, wie bei vielen anderen Dingen auch, wenn nicht fachgerecht geplant und/oder ausgeführt wird, wenn die „falschen“ – in dem Fall nicht geeignete – Pflanzen an bestimmte Fassadenkonstruktionen gesetzt werden, wie beispielsweise lichtfliehende Selbstklimmer an Holzfassaden und Wänden mit Rissen und Spalten. Wir haben das Wissen und Systeme, dass wir für (fast) jede Fassadenkonstruktion auch die geeignete Kletterhilfe und Pflanze anbringen können – schadensfrei und nachhaltig.
Gibt es kleinere, nicht allzu teure Begrünungsmaßnahmen, mit denen Kommunen und eventuell auch Privathaushalte das Mikroklima verbessern können?
Mann: Mit Pflanzgefäßen (in ausreichender Größe) lassen sich Dächer, (Dach)Terrassen und Wände recht einfach begrünen. Und wo von der Bausubstanz machbar, bieten sich Wandbegrünungen mit Selbstklimmern wie Efeu und Wilder Wein an. Ansonsten würde ich fast jedem die Begrünung der eigenen Garage oder des Carports zutrauen, da gibt es vielfach ein „Garagen-Paket“ zum „Do it yourself“.
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Welches bekannte Bauwerk würden Sie gern mit Gebäudegrün sehen?
Mann: Da hätte ich spontan keines im Kopf, und die Berühmten würden damit womöglich ihren Charme verlieren; es ist eher andersherum, dass neu errichtete Gebäude aufgrund ihrer Dach- beziehungsweise Fassadenbegrünung berühmt wurden, wie zum Beispiel verschiedene Hundertwasserhäuser, der Kö-Bogen II in Düsseldorf, die Calwer Passage, der Flakbunker auf Hamburg-St. Pauli oder auch die begrünten Zwillingstürme Bosco Verticale in Mailand.
Dr. Mann, vielen Dank für das Gespräch.
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