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Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Verkehrssicherheit

Die Wohlfahrtswirkung von Stadtbäumen und ihre Ökosystemleistung sind allgemein bekannt. An der Art und Weise, Bäume in der Stadt zu schützen, scheinen sich jedoch die Geister zu scheiden.

Stadtbäume im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Verkehrssicherheit
Abb. 1: Beseitigung eines markanten Einzelbaumes kurz nach Entfall der Baumschutzsatzung. | Foto: M. Hoeren | Foto: M. Hoeren
Baumschutzsatzungen gelten im kommunalen Bereich als ein hinreichendes Instrument, um den städtischen Baumbestand zu bewahren und zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund muss die Abschaffung der Baumschutzsatzung in Duisburg als Rückschritt gewertet werden. So war eine Folge des Entfalls der Baumschutzsatzung, dass in kurzer Zeit mutmaßlich tausende von Privatbäumen gefällt wurden. Die Baumfällungen betrafen sowohl einzelne markante Bäume (s. Abb. 1), als auch ganze Siedlungen, es kam also zu Veränderungen des Ortsbildes. Beispielhaft zeigt dies die Margarethensiedlung in Duisburg-Rheinhausen, die sich bis 2016 durch einen Ortsbild-prägenden Baumbestand auszeichnete. Dieser ging nach Abschaffung der Baumschutzsatzung schnell verloren, was den Charakter der Siedlung nachhaltig veränderte (Abb. 2).

Private Baumbesitzer scheuen Kosten

Die Freigabe der privaten Bäume führte zu einer Spaltung der Bürgerschaft. Immer schon gab es Baumfreunde und Baumgegner, die Anzahl von Schiedsverfahren blieb jedoch überschaubar. Nach Abschaffung der Baumschutzsatzung häuften sich Beschwerden bei der Naturschutzverwaltung von beiden Seiten. Ein Thema ist unter anderem die Verkehrssicherheit von Bäumen in Gärten. So klagen die Baumfreunde darüber, dass der Nachbar die Fällung des eigenen Baumes verlange und mit fadenscheinigen Argumenten in Bezug auf eine mögliche Verkehrsgefährdung über den Gartenzaun drohe. Diese Bürger konnten zwar mit Hinweis auf das Eigentumsrecht zunächst einigermaßen beruhigt werden, denn der Nachbar kann a priori nicht die Fällung des fremden Baumes verlangen. Aber es konnte nicht mehr wie früher angeboten werden, dass der Baum kostenfrei durch einen städtischen Mitarbeiter kontrolliert würde. Es wurde die Empfehlung ausgesprochen, sich an einen Baumsachverständigen zu wenden, um den fraglichen Baum auf seine Verkehrssicherheit zu begutachten. Für den „Baumfreund“ mitunter eine kostspielige Angelegenheit. Die entfallene kommunale Dienstleistung mag so den einen oder anderen Privatbaumbesitzer dazu bewogen haben, aus Kostengründen einen alten Baum, dessen Verkehrssicherheit vielleicht nicht ganz eindeutig ohne entsprechendes Expertengutachten feststand, zu fällen.

Fällungen trotz Bundesnaturschutzgesetz

Ein anderer Aspekt betrifft den Naturschutz im Zusammenhang mit Baumfällungen. Oftmals wird angeführt, dass zahlreiche „seltene“ Tiere wie Igel und Eichhörnchen, aber auch Spechte und Fledermäuse vorkommen und aus diesem Grunde die Baumfällung verboten werden müsse. Konkret sind hier die §§ 39 und 44 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) gemeint. § 39 Abs. 5 BNatSchG verbietet die Beseitigung von Bäumen und weiteren Gehölzen (z. B. Hecken, lebende Zäune, Gebüsche) außerhalb von „gärtnerisch genutzten Grundflächen“ in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September. Unter den Begriff gärtnerisch genutzte Grundflächen werden in Duisburg, entsprechend zum Pflanzenschutzrecht, allgemein Gartengrundstücke gefasst.

Weiterhin sind zwar die Verbote des § 44 BNatSchG wirksam und gültig – aber sowohl das Töten von Tieren (z. B. von Küken in einem Nest) als auch das Zerstören von Fortpflanzungs- oder Ruhestätten (also das Nest selbst) muss nachweisbar sein. Das heißt, das bloße Beobachten von Vögeln in einem Baum und die Mutmaßung, dass diese dort brüten, rechtfertigt nicht, dass die Naturschutzbehörde zur Durchsetzung der Verbote des BNatSchG einschreitet und die Fällung unterbindet. Auch ist eine erhebliche Störung grundsätzlich schwer nachzuweisen, so dass zum Beispiel der durch eine Baumfällung verursachte Lärm in der Regel nicht zur Verhinderung einer Baumfällung führen kann. Da entsprechende stichhaltige Be- oder Nachweise nur in seltenen Fällen erbracht werden können, muss dem Baumfreund mitgeteilt werden, dass die Behörde keine rechtliche Handhabe hat, die Baumfällung zu unterbinden.

Keine Pflicht zur Nachpflanzung

Schließlich ist als wesentlichster Aspekt der Entfall der Nachhaltigkeit zu nennen, da keine Pflicht zur Nachpflanzung besteht. Während unter der Ägide der Baumschutzsatzung pro entfallenem Baum je nach Umfang ein bis mehrere Bäume nachzupflanzen waren und diese damit zumindest auf mittlere bis lange Sicht den Verlust nachhaltig wettmachen konnten, wurden seit Abschaffung der Satzung keine Bäume mehr gepflanzt – aber zahlreiche gefällt.

Suche nach alternativen Baumschutz-Möglichkeiten

Der Verlust der Baumschutzsatzung und damit der Verlust zahlreicher Bäume führte auf Seiten des ehrenamtlichen Naturschutzes zur Suche nach alternativen Schutzmöglichkeiten. Neben der Möglichkeit, Bäume grundsätzlich über Festsetzungen in Bebauungsplänen zu sichern oder als Naturdenkmal auszuweisen – beide Möglichkeiten sind in der Praxis nicht geeignet, eine Baumschutzsatzung zu ersetzen – bleibt noch der Alleenschutz gemäß § 29 Abs. 3 BNatSchG sowie des § 41 LNatSchG NRW. § 41 LNatSchG verbietet die Beseitigung oder Beeinträchtigung von Alleebäumen, wobei Maßnahmen zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der Verkehrssicherheit ausgenommen sind. Sofern Alleebäume gefällt werden müssen, ist Ersatz zu pflanzen, das heißt, hier ist der Grundsatz der Nachhaltigkeit verwirklicht. Als Hilfsmittel zur Information von Bürgern und Vorhabenträgern führt das LANUV ein Kataster. Das Alleenkataster entfaltet jedoch keine Rechtswirksamkeit.

Anders als Alleen im Außenbereich bringen Alleen innerhalb von (Groß)Städten eine Reihe von Problemen mit sich. Oftmals wurden Platanen als resistente Baumart gewählt (Abb. 3). Die Reifung solcher Straßenbäume bis zu einem heutigen Alter von etwa 80 bis 100 Jahren führt im Laufe der Zeit zur Verengung von Bürgersteigen, dem Anheben von Platten und Pflaster, dem Aufwerfen von Straßenbelägen und der Schädigung von Leitungen und Gebäudewänden. Zudem beklagen Anwohner Beeinträchtigungen durch Beschattung.

Abb. 3: Allee in einer ehemaligen Zechensiedlung im Duisburger Stadtteil Wehofen. | Foto: Stadt Duisburg
Abb. 3: Allee in einer ehemaligen Zechensiedlung im Duisburger Stadtteil Wehofen. | Foto: Stadt Duisburg

In manchen Straßenzügen sind die Bäume inzwischen so alt und groß geworden, dass ihre Kronen ein Dach über der Straße bilden. Durch diesen Tunneleffekt kann es zu einer Aufkonzentrierung von Luftschadstoffen kommen, so dass der grundsätzlich positive Aspekt eines solch dichten Baumbestandes (Beschattung und Kühlleistung) geschmälert wird und sich nachteilige Wirkungen entfalten können.

Alleenschutz in Großstädten

Da der gesetzliche Alleenschutz bei Fehlen einer Baumschutzsatzung aus Sicht des Naturschutzes im Innenbereich die einzige Möglichkeit zum Baumschutz ist, offenbart sich hier ein weiteres Problem des gesetzlichen Alleenschutzes in Großstädten: Nämlich, dass offenbar Alleenbäume „bessere“ Bäume sind. Heißt, dass der ehrenamtliche Naturschutz den gesetzlichen Alleenschutz und sein Mitspracherecht bei Entscheidungen für Alleebaumfällungen im Naturschutzbeirat dafür nutzt, dass solche Bäume nicht mehr ohne Weiteres gefällt werden dürfen. Es hat sich gezeigt, dass das vom LANUV geführte Alleenkataster quasi als rechtsverbindlich erachtet wird und demnach mit großer Anstrengung die Fällung von in diesem Kataster aufgeführten Bäumen verhindert wird. Es entsteht der Eindruck, dass die Qualität der Einzelbäume wenig zählt, sondern es wichtig ist, dass es Bäume in einer Allee sind.

Diese Einstellung spiegelt sich auch in Forderungen zum Nachpflanzen von Alleen wider. Grundsätzlich besteht hierzu eine gesetzliche Verpflichtung (vgl. § 41 LNatSchG), aber oftmals bestehen in einer innerstädtischen Straße Zwangspunkte, die die Wiederanlage oder die Ausweitung einer Allee verhindern. Vor dem Hintergrund der angeführten Probleme, die Alleebäume in einer Großstadt mit sich bringen können, kann es erforderlich sein, Einzelbäume oder Baumreihen mit entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten zu pflanzen – diese Bäume entwickeln mindestens die gleichen positiven Auswirkungen wie eine Allee. Dennoch scheint es für den Naturschutz eine „Katastrophe“ zu sein, wenn Alleebäume oder Abschnitte von Alleen aus guten Gründen beseitigt werden müssen und keine Alleebäume als Ersatz gepflanzt werden können. Insofern die Frage: Was macht Bäume einer Allee zu „besseren“ Bäumen?

Der Autor, Dr. Randolph Kricke, ist Sachgebietsleiter der Unteren Naturschutzbehörde im Amt für Umwelt und Grün der Stadt Duisburg. Kontakt: r.kricke@stadt-duisburg.de | Foto: Stadt Duisburg
Der Autor, Dr. Randolph Kricke, ist Sachgebietsleiter der Unteren Naturschutzbehörde im Amt für Umwelt und Grün der Stadt Duisburg. Kontakt: r.kricke@stadt-duisburg.de | Foto: Stadt Duisburg

Plädoyer für moderne Baumschutzsatzung

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Bäume insbesondere in Großstädten von großer Bedeutung aus vielerlei Sicht sind. Um nicht nur den kommunalen Baumbestand, sondern auch den wichtigen Baumbestand im Privatbesitz der Bürger zu schützen, ist das Vorhandensein einer modernen Baumschutzsatzung unerlässlich. Als wesentlicher Eckpfeiler einer modernen Baumschutzsatzung ist der Gedanke der Nachhaltigkeit durch die Verpflichtung zur Nachpflanzung von Bäumen zu verankern.

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Unabhängig von einer Baumschutzsatzung sollte der gesetzlich verankerte Alleenschutz mit mehr „Augenmaß“ betrieben werden. Wie dargestellt, sollten Alleebäume in großstädtischen Siedlungsbereichen nicht bessergestellt werden als Bäume, die nicht unter den Alleenschutz fallen. Es sollte möglich sein, Straßenbaumbestände zum Beispiel als Einzelbäume oder Baumreihen mit gleichwertigen ökologischen Wirkungen zu entwickeln, ohne das Prädikat „Allee“ erreichen zu müssen, nur, damit der ehrenamtliche Naturschutz zufrieden gestellt wird.

Stadtbäume im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und Verkehrssicherheit: Weitere Bilder

Abb. 2: Luftbildansicht eines Ausschnittes der Margarethensiedlung in Duisburg-Rheinhausen im Jahr 2018. | Foto: Stadt Duisburg
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