Wenn Technik am Bedarf vorbei entwickelt wird
Maschinen, die im Baustellenalltag versagen, kosten Zeit und Nerven. B2B-Marktforscher Sebastian Gräfe erklärt, wie Bauunternehmen und Handwerker durch frühes Feedback dafür sorgen können, dass Hersteller praxisgerechte und robuste Lösungen entwickeln.

Fehlende Praxistests, überkomplizierte Funktionen, Technik, die im Keller nicht funktioniert – solche Probleme kennt B2B-Marktforscher Sebastian Gräfe aus erster Hand. Er begleitet Bauunternehmen auf Baustellen, um Herstellern zu zeigen, wie ihre Maschinen im Alltag bestehen. Im Interview spricht er darüber, wie Bauunternehmen ihre Erfahrung einbringen und so direkt Einfluss auf bessere Entwicklungen nehmen können.
Herr Gräfe, gibt es typische Missverständnisse zwischen Maschinenentwicklern und Bauunternehmen?
Sebastian Gräfe: Ein typisches Missverständnis ist, dass Maschinenentwickler oft aus der Theorie heraus ansetzen – und Bauunternehmen direkt aus der Praxis heraus handeln. Was auf dem Papier gut aussieht, funktioniert nicht automatisch im Arbeitsalltag. Dort zählt, dass etwas einfach, schnell verständlich und unter realen Bedingungen nutzbar ist. Das Prinzip „Keep it simple“ wird dabei leider oft vergessen.
Ok, nachvollziehbar. Haben Sie noch ein Beispiel?
Sebastian Gräfe: Ein weiteres Beispiel ist die Digitalisierung: Von außen wirkt es manchmal so, als ob Bauunternehmen nicht digital arbeiten wollen. In der Realität scheitert es aber häufig nicht am Willen, sondern daran, dass Zeit, Personal oder praktikable Anwendungsfälle fehlen. Die größte Hürde ist oft die Umsetzbarkeit im Alltag – nicht unbedingt die Einstellung.
Woran merken Sie als Forscher: Hier wurde eine Maschine am Markt vorbei gebaut? Kennen Sie Beispiele aus der Praxis?
Sebastian Gräfe: Klar. Und das wird meist schon in den ersten Gesprächen mit Anwendern deutlich. Bleiben wir am Bau: Warnsignale sind etwa, wenn Funktionen zu kompliziert sind, im Alltag keinen erkennbaren Mehrwert bringen oder nicht zu den tatsächlichen Arbeitsbedingungen passen. Wenn ein Gerät zum Beispiel nur mit perfekter Stromversorgung läuft, in der Praxis aber oft Generatorbetrieb vorherrscht, ist das schnell ein Problem.
Ein anschauliches Beispiel aus einem anderen Handwerksbereich: Apps für Heizungsbauer, die im Heizungskeller nicht funktionierten, weil es dort weder WLAN noch mobile Daten gab. Die Handwerker mussten dann vor die Haustür oder sogar auf die Straße gehen, um die App zu nutzen – sehr zur Verwunderung der Kunden, die ihre Heizungsmonteure draußen am Smartphone „spielen“ sahen. Das zeigt, wie schnell eine an sich gute Idee scheitern kann, wenn reale Arbeitsbedingungen nicht mitgedacht werden.
Wie sehen typische Einsätze aus, wenn Sie auf die Baustelle gehen?
Sebastian Gräfe: Das hängt stark vom Auftraggeber und vom Erkenntnisziel ab. Meist ist es eine Kombination aus teilnehmender Beobachtung, spontanen Gesprächen und gezielten Interviews. Wenn wir Konzepte oder Prototypen testen, tun wir das so realitätsnah wie möglich – gerne direkt auf der Baustelle, manchmal aber auch über begleitete Praxistests, Video-Interviews oder Remote-Beobachtungen. Entscheidend ist, dass wir die echten Arbeitsweisen und Herausforderungen sichtbar machen. Nur wer den Alltag auf der Baustelle wirklich versteht, kann Lösungen entwickeln, die dort auch bestehen – nicht nur auf dem Papier.
Was war Ihr kuriosester Aha-Moment?
Sebastian Gräfe: Wir haben einmal 2,5 Tage lang die Installation eines neuen Heizungssystems begleitet. Beim allerletzten Schritt, der Inbetriebnahme, kam der Elektriker, hat das System verkabelt – und zack: Kurzschluss, Sicherung raus, alles dunkel. Im Keller folgten hitzige Diskussionen zwischen Heizungsbauer, Elektriker und der Hersteller-Hotline. Am Ende hieß es: Heute geht nichts mehr, und dann ist erstmal Feiertag. Skurril – und ein Lehrstück dafür, wie schnell und hart Pläne in der Realität scheitern können.
Aha-Momente sind oft die kleinen Dinge: kurze Sprüche, ein Blick, ein Achselzucken. Solche nonverbalen Signale sagen manchmal mehr als ein langes Interview – und haben oft eine unfreiwillige Komik, die man nur erkennt, wenn man dabei ist.

Wie können Bauunternehmen helfen, dass Maschinen besser werden?
Sebastian Gräfe: Indem sie ihre Erfahrungen offen teilen – nicht nur das Lob, sondern auch die kleinen Alltagshürden. Am wertvollsten ist ehrliches Feedback bereits in frühen Entwicklungsphasen, sei es vor Ort, per Video-Interview oder in Testumgebungen. Wichtig ist, dass nicht nur die Geschäftsführung spricht, sondern auch die Menschen, die täglich mit den Maschinen arbeiten. Sie erkennen am schnellsten, wenn etwas zu komplex, unpraktisch oder nicht alltagstauglich ist. So entstehen Lösungen auf Augenhöhe, die den tatsächlichen Bedarf decken.
Lohnt sich die Zusammenarbeit mit Marktforschern auch für kleinere Firmen?
Sebastian Gräfe: Wir arbeiten zwar oft für große Unternehmen, aber ebenso gerne für den Mittelstand. Für kleinere Betriebe ist Marktforschung oft eine ganz neue Erfahrung – und sie kann helfen, Prozesse zu hinterfragen, Kundenbedürfnisse besser zu verstehen und eigene Ideen zu schärfen. Für sehr kleine Firmen lohnt sich die Zusammenarbeit vor allem als „Beforschte“ und „Befragte“ Partner. Über uns erhalten sie eine starke Stimme gegenüber großen Herstellern, die sie sonst vielleicht nicht hätten. So können sie ihre Erfahrungen und Wünsche einbringen und direkt Einfluss auf Produktentwicklungen nehmen. Am Ende profitieren alle: Hersteller entwickeln praxisgerechter, und die Betriebe bekommen Werkzeuge und Maschinen, die besser zu ihrem Arbeitsalltag passen.
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