Wenn der Auftraggeber insolvent ist: So sollten Bauunternehmer reagieren
Bauunternehmen, Planungsbüros, Architekten: Die Zahlungsunfähigkeit des Signa-Konzerns hat Folgen für viele Auftragnehmer, die an Bauprojekten der Gruppe beteiligt waren. Doch eine Insolvenz kommt nicht aus dem Nichts. An welchen Alarmzeichen Auftragnehmer eine nahende Insolvenz erkennen und wie sie reagieren können.
Das Mischen wird digital
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Die Insolvenz von Signa hat weitreichendere Folgen als nur das Desaster um den Hamburger Elbtower. Beispielsweise in Berlin sollten am Karstadt-Areal am Kurfürstendamm zwei Hochhäuser durch das im Konkurs befindliche Immobilienunternehmen entstehen. Um das Projekt nicht gänzlich im Sande verlaufen zu lassen, will der Senat nun wenigstens eines der beiden geplanten Gebäude umsetzen. Eine Angabe, welcher Investor dieses Vorhaben nun unterstützt, steht noch aus. Haben die beteiligten Auftragnehmer umsonst gewerkelt? Was war passiert und wer hätte den aufkommenden Sturm vorhersehen können?
Das Benko-Debakel: Kein Einzelfall
Am 29. November 2023 stellte die Signa Holding GmbH Insolvenzantrag beim zuständigen Handelsgericht in Wien. Hinter dieser Notbremse stand eine, tags darauf fällige, 200-Millionen-Euro-Anleihe. Schätzungen zufolge fehlen dem Unternehmen ungefähr eine halbe Milliarde Euro für Kredite mit Fälligkeit zum Ende letzten Jahres.
Leider bilden solche unschönen Projektverläufe aktuell keine Einzelschicksale in den Baubranche. Teure Baupreise und das hohe Zinsniveau tragen dazu bei, dass die Auftragslage für Bauunternehmer schwierig ist und Auftraggeber vermehrt straucheln. Im August 2023 stieg die Anzahl der beantragten Regelinsolvenzen im Vergleich zum August 2022 um 13,8 Prozent. Das Baugewerbe hatte im Juli 2023 mit 7,1 Insolvenzfällen pro 10.000 Unternehmen zudem die zweithöchste Insolvenzrate.
Warnsignale: Drohende Insolvenz am Bau erkennen
Die Zahlungsunfähigkeit des Signa-Konzerns wird Auswirkungen auf viele Auftragnehmer haben, die für die Gruppe an Bauprojekten beteiligt waren wie Planungsbüros, Architekten, Roh- und Tiefbaufirmen. Die Frage ist nun, ob es Warnsignale gab. Woran also erkennen Auftragnehmer eine nahende Insolvenz und wie können sie reagieren?
Externe Warnsignale für Insolvenz des Bau-Auftraggebers
Es sind ganz unterschiedliche Signale, sowohl extern als auch intern, die Rückschlüsse auf anstehende Insolvenzen zulassen. Als externe Warnzeichen gelten beispielsweise ungünstige Umweltbedingungen oder Branchenüberkapazitäten durch Auftragseinbrüche bei den Baustoffherstellern. Auch Änderungen der Verbrauchergewohnheiten üben Einfluss aus, wie die Unklarheiten rund um das Heizungsgesetz oder die Sanierungsförderung zuletzt zeigten. Einen ähnlichen Effekt verbuchen auch wirtschaftliche oder steuerpolitische Maßnahmen der Regierung.
Interne Warnsignale für Insolvenz des Bau-Auftraggebers
Zu den internen Signalen gehören unternehmerische Alarmzeichen wie die grundlose Verlagerung des Firmensitzes, Stundungsersuchen sowie der Wechsel der Gesellschaftsform und letztlich Massenentlassungen.
Als maßgebliche Faktoren für eine Insolvenz gelten vor allem Liquiditätsengpässe. Ohne die Fähigkeit, laufende Zahlungsverpflichtungen jederzeit erfüllen zu können, fällt das Urteil bezüglich der Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens schlecht aus und hat erhebliche Auswirkungen auf die Reputation. Auch Absatzprobleme führen zu einem Konkurs. Das Deutsche Baugewerbe rechnet für das Jahr 2023 mit einem nominalen Umsatzrückgang in Höhe von 2 Prozent und geht bei der veranschlagten Preisentwicklung von 5,5 Prozent aus. Insbesondere im Wohnungsbau herrscht derzeit eine spürbare Unterauslastung. Die Risiken für Insolvenzen steigen also. Wie aber reagieren Auftragnehmer sinnvoll, wenn in der Krise ein tatsächlicher Konkurs droht?
Bauunternehmen sind gut beraten, wenn sie ihre Auftraggeber auf das Vorliegen einer Krise ansprechen. Diese sind zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Krisenmodus zu offenbaren. Bei Schweigen oder wahrheitswidriger Antwort jedoch, haftet die Geschäftsführung unter Umständen persönlich auf Schadensersatz, für den Fall, dass der Gläubiger mit seiner Forderung im Insolvenzverfahren ausfällt.
Bau-Auftraggeber insolvent: Sicherungshypothek verlangen
Ist die Insolvenz des Auftraggebers bereits im Gange, stehen dem Auftragnehmer verschiedene Reaktions- und Handlungsmöglichkeiten offen. So kann er die Einräumung einer sogenannten „Bauhandwerker-Sicherungshypothek“ verlangen, um seine Forderungen abzusichern. Ist das Werk noch nicht vollendet, so kann er die Einräumung dieser Sicherungshypothek für seine Vergütung und seine Auslagen verlangen, die der geleisteten Arbeit und den Auslagen entsprechen. Diese Sicherung gewährt dem Auftragnehmer ein Recht auf abgesonderte Befriedigung. Das ist ein wichtiger Punkt, denn Sicherungsrechte wie Hypotheken, Grundschulden oder Pfandrechte, die auf bestimmte Vermögenswerte des Schuldners gelegt werden, bringen Vorteile mit sich: Sie machen den Weg frei für das Recht, Forderungen aus bestimmten Vermögensgegenständen des Schuldners vorrangig vor den Forderungen anderer Gläubiger zu befriedigen.
Doch Achtung! Wurde erst im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag im Wege der Zwangsvollstreckung eine Vormerkung für eine solche Bauhandwerkerhypothek im Grundbuch eingetragen, so wird diese Sicherung mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens unwirksam.
Auftraggeber-Insolvenz: Baustoffe und Bauteile zurücknehmen?
Aus Sicht des Auftragnehmers stellt sich im Fall der Insolvenz des Auftraggebers immer die Frage, inwieweit vom Auftraggeber eingebaute beziehungsweise angelieferte, noch nicht eingebaute Baustoffe und Bauteile in dessen Eigentum verblieben sind und er diese wieder an sich nehmen kann. Hier entscheidet der Status Quo.
Eingebaute Bauelemente
Verbaut und Ende: Sobald der Auftragnehmer die vereinbarten Bauelemente vertragsmäßig in das Bauwerk eingebracht hat, ist der Auftraggeber – soweit er mit dem Grundstückseigentümer identisch ist – Eigentümer. Dem Auftragnehmer steht allerdings auch die vereinbarte Vergütung zu.[1] Daher ist Auftragnehmern dringend abzuraten, die von ihnen bereits montierten Baumaterialien wegen drohender Insolvenz des Auftraggebers zu demontieren und zu entfernen. Sie machen sich dadurch wegen Verletzung des Eigentums des Auftraggebers schadensersatzpflichtig und möglicherweise auch strafbar.[2]
Noch nicht eingebaute Bauteile
Angeliefert und in Eigentum übergegangen? Komplexer gestaltet sich die Frage, ob der Auftragnehmer in der Insolvenz des Auftraggebers lediglich angelieferte und noch nicht eingebaute Baustoffe und Bauteile wieder an sich nehmen kann oder ob diese bereits im Eigentum des Auftraggebers stehen. In der Regel erwirbt der Auftraggeber – sofern er Grundstückseigentümer ist – das Eigentum an den Baustoffen und -teilen erst durch den Einbau. Bei nicht eingebauten Teilen bedarf es dagegen noch eines Übertragungsaktes. In der Anlieferung auf die Baustelle allein ist keine Eigentumsübertragung zu sehen.[3] Insofern ist immer sorgfältig zu prüfen, ob die bereits angelieferten Elemente bereits in das Eigentum des Auftraggebers übergegangen sind.
Bei Insolvenzgefahr: Recht auf Leistungsverweigerung
Wenn der Auftraggeber innerhalb einer gesetzten Nachfrist eine fällige Zahlung nicht leistet, steht dem Auftragnehmer ein Leistungsverweigerungsrecht zu. Dabei ist zu beachten, dass sich dieses Recht nur auf die noch nicht ausgeführten Teile der Leistung bezieht. Berechtigte Mangelbeseitigungsansprüche des Auftraggebers hingegen müssen erfüllt werden, da der Auftragnehmer insoweit vorleistungspflichtig ist.[4] Ein Leistungsverweigerungsrecht besteht für den Auftragnehmer auch dann, wenn nach Vertragsschluss erkennbar wird, dass der Anspruch auf die Gegenleistung durch mangelnde Leistungsfähigkeit des anderen Teils gefährdet wird, was im Falle einer Insolvenz der Fall ist.
Für Alarmzeichen den Markt beobachten
Bauunternehmer, die aktuelle Gutachten und Marktanalysen zur Situation der Baubranche verfolgen, bleiben auch in puncto Bauinsolvenzen gut informiert. Bei ausbleibenden Zahlungen und anderen Alarmzeichen lohnt - neben erhellenden Blicken ins Handelsregister - vor allem der offene Dialog mit dem Auftraggeber, um Risiken einzuschätzen und Sicherheiten nutzbar zu machen.
- [1] Vergl. BGH Urt. v. 23.01.1986 – IX ZR 46/85, NJW 1986, 1681, 1683.
- [2] OLG Düsseldorf Urt. v. 14.09.2001 – 22 U 46/01, BauR 2002, 497.
- [3] Vgl. BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 287/14, BauR 2016, 1012, Rn. 25.
- [4] Vgl. Ingenstau/Korbion/Locher § 16 Abs. 5 VOB/B Rn. 47 ff. m.w.N.
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