Der Stoff der Träume
Wasserstoff gilt als der Kraftstoff der Zukunft. Die Fahrzeughersteller setzen darauf und haben bereits Brennstoffzellen-Lkw und Transporter auf den Markt gebracht. Auch Wasserstoff-Verbrenner werden entwickelt. Doch es fehlt noch der richtige Schub, um diesen Energieträger auf der Straße zu etablieren. Zu viele Hemmnisse bremsen den „Stoff der Träume“ aus.
Wasserstoff-Herstellung verbraucht viel Energie
Das chemische Element H2 muss zuvor erst aus Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas, Biomasse oder Wasser (H2O) sowie mit viel Energie von außen erzeugt werden. Das macht der chemische Prozess Elektrolyse. Sie wandelt elektrische in chemische Energie um, indem sie mit Hilfe von Strom die Ressource Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff trennt. Nachteil: Der Prozess ist mit hohen Energieumwandlungsverlusten verbunden. Zusätzlich ist aufgrund der geringen Dichte von Wasserstoff die Lagerung aufwändig. Zur sicheren Aufbewahrung muss das Gas entweder unter hohem Druck in Spezialbehälter verpresst oder in verflüssigter Form bei minus 253°C zwischengespeichert werden. Verluste bei Transport und Verteilung sind daher immer programmiert. Dafür ist der Energieträger Wasserstoff flexibel einsetzbarer und der Transport trotz hoher Explosivität beherrschbar.
Der hohe Aufwand für Herstellung, Lagerung und Transport hat seinen Preis. Aktuell muss man an Tankstellen in Deutschland je nach Wasserstoffsorte und vorhandenem Liefervertrag zwischen 9,50 und 15,75 €/kg Wasserstoff berappen. An vielen Großtankstellen soll „das Preismodell für die Kompensation gestiegener Beschaffungs-, Liefer- und Stationsbetriebskosten“ für einen stabilen Preis von 13,85 €/kg sorgen. Laut Analyse des britischen Energie-Beratungsunternehmens Aurora Energy Research könnte der Preis für grünen Wasserstoff aber schon bis 2025 auf rund 5,00 €/kg fallen und damit für Transportunternehmen attraktiv werden.
Kleine Farbenlehre: Grüner, blauer und grauer Wasserstoff etc.
Nur wenn der Strom für die Herstellung des Wasserstoffs aus erneuerbaren Energien stammt, spricht man von grünem Wasserstoff und die Bilanz ist am Ende wirklich klimafreundlich. Der meiste heute vorhandene Wasserstoff in Deutschland ist allerdings „Grau“, wird über Dampfreformierung oder Vergasung aus Kohle und Erdgas gewonnen und ist nicht klimaneutral. Auch „blauer“ Wasserstoff basiert auf diesen beiden fossilen Energieträgern. Hier erfolgt im Herstellungsprozess aber noch eine CO2-Abscheidung, was dem Endprodukt die Einstufung „Blau“ einbringt.
Der noch etwas umweltfreundlichere „türkise“ Wasserstoff entsteht durch Pyrolyse aus Erdgas. Bei der Pyrolyse wird das Methangas bei sehr hohen Temperaturen und unter Sauerstoffabschluss in Wasserstoff und festen Kohlenstoff aufgespalten. Der Kohlenstoff lässt sich wieder im Produktionsprozess verwenden oder deponieren. In diesem Verfahren fällt kein Kohlendioxid an. Die Methan-Pyrolyse ist erprobt und kann die noch begrenzten Elektrolyse-Kapazitäten auf sinnvolle Weise ergänzen. Sie benötigt nur ein Fünftel des Stroms bei gleichem energetischem Output in Form von Wasserstoff.
Die Nutzung des Brennstoffes Kohle als Energieträger produziert wiederum „braunen“ Wasserstoff. „Roter“ Wasserstoff ist Wasserstoff, der mithilfe von Kernenergie erzeugt wird. Die Herstellung ist zwar CO2-frei, aber das benötigte Uran bleibt eine fossile und nicht erneuerbare Ressource. Der CO2-Fußabdruck für die Stilllegung von Kernkraftwerken ist schwer abzuschätzen und die Endlagerung ungelöst. „Gelber“ Wasserstoff bezeichnet die Wasserstoffproduktion aus einer Mischung von erneuerbaren Energien und fossiler Brennstoffe. Von „weißem“ Wasserstoff spricht man, wenn er lediglich als Abfallprodukt anderer chemischer Verfahren entsteht. Der „orangene“ Wasserstoff stammt aus Bioenergie – etwa Biomasse, Biokraftstoff, Biogas oder Biomethan, die aus Abfällen und Reststoffen gewonnen wird. Bei der Verbrennung werden die darin gebundenen Treibhausgase freigesetzt. Daher ist die Klimagasbilanz zwar niedriger als die aus fossilen Brennstoffen, aber höher als bei grünem Wasserstoff.
Der Wasserstoff-Bedarf ist immens
Erste Wasserstoff-Trucks und Transporter
Grüner Wasserstoff soll importiert werden
Flächendeckende Infrastruktur für Wasserstoff fehlt
Die Nachteile von grünem Wasserstoff liegen in den derzeit noch hohen Kosten, der fehlenden flächendeckenden H2-Infrastruktur und dem hohen Strom- und Energiebedarf für die Herstellung. Um 1 kg Wasserstoff zu erzeugen, benötigt es rund 53 kWh Strom. Laut Prognosen könnten die Erzeugungskosten von grünem Wasserstoff bis 2030 aber um ein Drittel bis zur Hälfte und bis 2050 um rund zwei Drittel gegenüber dem derzeitigen Niveau sinken. Dafür bedarf es allerdings den zügigen Ausbau von erneuerbaren Energien. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Dafür kommt neben der Elektrifizierung von Prozessen insbesondere grünem Wasserstoff für energieintensive Prozesse eine bedeutende Rolle zu. Bis 2030 soll sich der Anteil der erneuerbaren Energien in weniger als zehn Jahren fast verdoppeln – ausgehend vom Jahr 2021. Die Ausbaugeschwindigkeit müsste sich dafür aber verdreifachen. Das scheint kaum machbar. Deutschland kann grünen Wasserstoff deshalb nicht selbst in der benötigten Menge herstellen. Dazu fehlt es an genügend erneuerbarem Strom. Importe sind daher unumgänglich. Die sollen über Pipelines und Schiffe gedeckt werden. Immerhin will die Bundesregierung bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens 10.000 MW aufbauen und bis 2027/2028 ein rund 1.800 km langes Leitungsnetz in Deutschland aus dem Boden stampfen. Europaweit kommen noch einmal zirka 4.500 km Pipeline hinzu. Nur rund ein Drittel der Leitungen wäre neu zu errichten. Viele existierende Erdgasleitungen lassen sich auf Wasserstoff umrüsten.
Wasserstoff-Herstellung: Viele Akteure im Markt
Klimafreundlicher Kraftstoff aus Schleswig-Holstein
Auch Shell gehörte zu den Ersten, die grünen Wasserstoff in Deutschland herstellten. Im Energy and Chemicals Park Rheinland in Wesseling bei Köln läuft eine 10-MW-Elektrolyseanlage, der pro Jahr 1.300 t Wasserstoff erzeugen kann und für die Industrie sowie für die Mobilität gedacht ist. Und im schleswig-holsteinischem Reußenköge geht es bei GP Joule Hydrogen zur Sache. Das Unternehmen hat beim spanischen Hersteller H2B2 fünf 2-MW-Elektrolyseure bestellt, die 2024 in Betrieb gehen. Damit will das Unternehmen klimafreundlichen Kraftstoff herstellen, eigene Tankstellen mit Wasserstoff beliefern und den Schwerlastverkehr auf der Straße bedienen.
100 H2-Tankstellen in Deutschland
Damit der Wasserstoff in die H2-Lkw kommt, bedarf es eines flächendeckenden Tankstellennetzes. Derzeit kann an 167 Tankstellen in Europa Wasserstoff bezogen werden. 55 weitere befinden sich in Aufbau. Allein in Deutschland gibt es rund 100 Stationen, an denen Wasserstoff getankt werden kann. Die befinden sich vornehmlich in Ballungszentren sowie entlang von Fernstraßen und Autobahnen. Doch nicht alle davon sind auch für schwere Lastwagen geeignet. Während Pkw und Transporter bis zu 8 kg Wasserstoff bei 700 bar pro Tankstopp auftanken, strömen bis zu 80 kg Wasserstoff meistens nur bei 350 bar in die Tanks der Lkw und Busse.
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Daimler setzt auf flüssigen Wasserstoff
Hinzu kommt, dass nicht alle Hersteller auf gasförmigen Wasserstoff setzen. Daimler zum Beispiel favorisiert den tiefgekühlten Flüssigwasserstoff mit hoher Energiedichte, der Reichweiten wie beim Diesel-Lkw verspricht. Doch dafür gibt es derzeit kaum Tankstellen. Eine erste solche öffentliche Tankanlage mit sLH2-Betankungstechnik von Linde Engineering ist nahe dem Daimler Truck Entwicklungs- und Versuchszentrum in Wörth entstanden. Hier speichert ein in den Himmel ragender Gastank rund 4,4 t Flüssigwasserstoff. Das reiche für ein kontinuierliches Betanken über zehn Stunden mit höchstens 7 bis 16 bar Druck, bis wieder ein Tankfahrzeug mit Flüssigwasserstoff an Bord nachlädt. Eine zweite Tankstelle dieser Bauart soll im Raum Duisburg ans Netz gehen. Das US-Unternehmen Air Products nimmt am Praxistest mit den Mercedes-Benz GenH2 Truck teil und kündigt Pläne für ein europäisches Wasserstoff-Tankstellennetz an. Entlang wichtiger Verkehrskorridore soll ein Netz von permanenten, multimodalen Wasserstofftankstellen mit hoher Kapazität, mehrere Betankungsdruckstufen und eine Vor-Ort-Speicherung von Flüssigwasserstoff entstehen.
Wasserstoff-Subventionen auf Eis gelegt
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