Mit dem seriellen Typenhaus zum kostengünstigen Wohnraum

Kaum eine Metropolstadt leidet so unter dem Mangel an bezahlbarem Wohnraum wie Berlin. Die landeseigenen Berliner Wohnungsbaugesellschaften setzen auf Standardisierung und serielles Bauen, um Bauzeiten zu verkürzen und Baukosten zu reduzieren. Wir sprachen mit Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH, über die Entwicklung des Typenhauses.

Wohnungsbau: Mit dem seriellen Typenhaus zum kostengünstigen Wohnraum
Bauprojekt Buckower Felder in Berlin-Neukölln als Visualisierung: Das Typenhaus Plus zeichnet sich durch große Varianz der einzelnen Projekte aus. | Foto: RHA GmbH

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Die Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH ist eine von sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften des Landes Berlin. 1924 gegründet, hat das Unternehmen vier politische Systeme überstanden: Weimarer Republik, Nationalsozialismus, DDR und seit der Wende die Westintegration. Über 50.000 Wohnungen hat die Wohnungsbaugesellschaft im Bestand, die von rund 680 Mitarbeitern verwaltet und betreut werden. Derzeit sind rund 2.200 Wohnungen „unter Kran“, also im Bau. Gemeinnützig ist das Unternehmen nicht, „aber wir sind gemeinnützig orientiert, wir machen keine Gewinne und schütten keine Dividenden aus, die Überschüsse werden in neue Wohnungen investiert“, sagt Geschäftsführer Ingo Malter. Fünfzig Prozent der Wohnungen werden gefördert fertiggestellt, mit Mieten zwischen 6,50 und 6,90 Euro pro Quadratmeter. Frei finanzierte Wohnungen liegen bei 11,50 Euro.

Baukosten im Wohnungsbau verdoppelt

Bis vor Kurzem schaffte es das Unternehmen, einen Quadratmeter Wohnfläche für 2.000 Euro zu bauen, ohne die Kosten für das Grundstück. Durch aktuelle Preis- und Zinssteigerungen könnten das jetzt auch schon mal 4.000 Euro sein. „Weil eine Mieterhöhung nicht infrage kommt, ist diese Entwicklung eine wirtschaftliche Herausforderung für das Unternehmen, aber sie trifft alle gleichermaßen“, erklärt Malter.

Dass überhaupt wieder gebaut wird, war nicht immer selbstverständlich. Bis vor etwa acht Jahren gab es keine Neubauabteilung mehr, weil sie in den 20 Jahren davor abgewickelt worden war. Denn die Prognose der Wendezeit, dass Berlin prosperiert und wächst, war nicht aufgegangen. Das sei erst später eingetreten, vor etwa zehn Jahren, davor habe man sich mit der Leerstandsthematik befassen müssen, so Malter. Die Wohnungswirtschaft war zudem überschuldet, weil sie mit den kommunalen Ortsverwaltungen fusionieren und auch deren Altschulden übernehmen musste. „Das hatte einen Gesundschrumpfungsprozess zur Folge. An Neubau war in jener Zeit nicht zu denken“, so Malter.

„Mit dem Typenhaus Plus können wir auf städtebauliche Anforderungen eingehen.“ Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH | Foto: Stadt und Land GmbH
„Mit dem Typenhaus Plus können wir auf städtebauliche Anforderungen eingehen.“ Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH | Foto: Stadt und Land GmbH

Neue Wohnungen für Berlin durch serielles Bauen

Im Jahr 2016 erging vom Land an die Berliner Wohnungsbaugesellschaften der Arbeitsauftrag, bis zum Jahr 2026 den Bestand an Wohnungen durch Neubau oder Zukauf um etwa 80.000 Wohnungen zu erhöhen und dafür Lösungen für kostengünstiges, schnelles Bauen zu entwickeln. Das war für das Wohnungsbauunternehmen Stadt und Land Anlass, über serielle Standardisierung nachzudenken. Ein Projekt mit fachlicher Begleitung wurde ins Leben gerufen. Man hat sich damals das Bauen in der Gründerzeit, in der Zwischenkriegszeit, in der klassischen Moderne und auch den industriellen Wohnungsbau der DDR angeschaut und analysiert, was nicht gut gelungen und was hervorragend war. „Wir haben versucht, etwas davon abzuleiten. Letztlich haben wir uns für das standardisierte Bauen entschieden, das im Typenhaus seinen Niederschlag fand“ sagt Ingo Malter. Nach dem Typenhaus-Entwurf sollten auch andere Bauwerke in gleicher Weise seriell errichtet werden können. So entstand ein ganzer Katalog von Ost-West und Nord-Süd ausgerichteten Blöcken, von Ecksituationen und verschiedenen Dachformen, um auf viele städtebauliche Herausforderungen reagieren zu können. Nur der Erdgeschossgrundriss und der oberste Grundriss werden den örtlichen Gegebenheiten angepasst. Aus Kostengründen wird häufig auf ein Kellergeschoss verzichtet.

Seriell bauen mit flexiblem Typenhaus

Von Anfang an wurde Wert auf technologieoffene Bauweisen gelegt. Sowohl in Schottenbauweise als auch in Stützbauweise kann gebaut werden. Es kann auch vorgefertigt oder konventionell gebaut werden. Dabei gibt es einen hohen Grad von Wiederholungen und wenig Abweichungen. Die Bauindustrie schätze das inzwischen und wisse genau, worauf sie sich einlasse. „Grundsätzlich können wir bis zur Hochhausgrenze von 22 Metern bauen. Vom Bungalow bis zu acht Geschossen ist alles machbar. Wir könnten auch über die Hochhausgrenze gehen, das allerdings ist für das Typenhaus nicht sinnvoll, weil die Anforderungen beispielsweise an den Brandschutz zu hoch werden. Sinnvoll für das Typenhaus sind sechs bis acht Geschosse,“ so Malter. Als wesentlichen Vorteil sieht er den verkürzten und kostengünstigen Planungsprozess durch standardisierte Planungsmodule.

Der zweite entscheidende Vorteil der Entwicklung des Typenhaus ist eine sehr hohe Flächeneffizienz. Das Verhältnis von Bruttogeschossfläche zu vermietbarer Wohnfläche ist sehr günstig, mit beispielsweise wenig Treppenhausflächen. Hilfreich ist dabei die recht große Gebäudetiefe von ungefähr 15 Metern.

„Durch weise Beschränkung auf wenige Typen für Wohnbauten steigt ihre Qualität und sinkt ihr Preis, und damit hebt sich das gesamte soziale Niveau.“

- Walter Gropius, 1883-1969

Wohnungsbau: Ausschreibungen an Generalübernehmer

Inzwischen wurde das Typenhaus weiterentwickelt zum „Typenhaus Plus“ mit einem vollständigen Planungskatalog, bei dem - ähnlich einem Baukastensystem - verschiedene Module mit Wohnungsgrundrissen von Ein- bis Sechs-Zimmer-Wohnungen zusammengestellt werden können. Weil alles vor Ort errichtet wird, kann nicht von modularem Bauen gesprochen werden. Eher von seriellem Bauen, weil immer wieder das gleiche gebaut wird. Malter: „Damit können wir auf städtebauliche Anforderungen eingehen.“ Außerdem liege man mit diesem Konzept regelmäßig etwa 400 Euro unter konventionellen Ausschreibungen. Kapazitätsprobleme der Bauwirtschaft gab es bisher noch nicht, weil die Bauwirtschaft sich auf die Anforderungen der öffentlichen Wohnungswirtschaft eingestellt habe. „Wir schreiben nicht gewerkeweise aus, wir schreiben eine Totalübernehmerschaft aus. Wir wollen also von der Planung bis zur Übergabe mit einem Auftragnehmer zu tun haben“, erläutert Malter.

Typenhaus Eco: Nachhaltig, aber bis zu 50% teurer

Grundsätzlich werde nach dem KfW-Standard 55 gebaut. Über eine nachhaltige Energieversorgung werde intensiv nachgedacht. „Am sinnvollsten ist für uns, Fernwärme zu nutzen.“ Um den Anforderungen nach Nachhaltigkeit entgegen kommen zu können, wurde ein weiteres Forschungsprojekt aufgelegt. Ziel war, zirkuläre und erneuerbare Materialien zum Einsatz kommen zu lassen. Aus diesem Forschungsprojekt entstand das „Typenhaus Eco“. Um erste Erfahrungen sammeln zu können, entsteht derzeit ein Projekt im kleinen Rahmen. „Dabei wird unter anderem viel Holz verbaut. Die Preise erhöhen sich dadurch aber noch einmal um gut 20 bis 50 Prozent. Ohne nennenswerte Förderung ist das nicht zu realisieren“, ist Malter überzeugt.

Wohnungsbau: Normen und Regeln entschlacken

Wie sieht Ingo Malter die Zukunft des geförderten Wohnungsbaus, angesichts fehlender Sozialwohnungen? „Wir müssen die Förderlogik ändern. Wir müssen weg von der Objektförderung, hin zur Subjektförderung, zur Haushaltsförderung, so dass eine geförderte Wohnung nicht nach 30 Jahren die Eigenschaft als Sozialwohnung verliert, wie dies im Moment regelmäßig passiert. Menschen ziehen bedürftig ein, etablieren sich, nutzen aber die günstige Miete weiter und blockieren damit diese Wohnung für Bedürftige. Da sollte die Politik umschwenken“, ist Malter überzeugt.

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Darüber hinaus sind für den Unternehmensleiter die überbordenden Normen und Regeln ein Hindernis für den Wohnungsbau insgesamt: „Wir brauchen eine dramatische Entschlackung. Wir haben angefangen beim EU-Recht, über das Bundesrecht zum Landesrecht alles überregelt. Millionen von Berlinern leben in einem Baustandard der 60er Jahre. Das scheint für die Mieter akzeptabel zu sein. Warum bauen wir nicht wie damals, das wäre kostengünstiger?“ Heute werde mit erhöhten Anforderungen argumentiert, für den Brand- oder Schallschutz etc. „Das macht das Bauen teuer.“ Auch hier fordert er ein Umdenken: „Dann wären wir schon sehr viel weiter.“

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