Gezielte Zuwanderung als Lösungsweg?
Die deutsche Bauindustrie steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte: dem Fachkräftemangel. Eine Vielzahl von Faktoren wie die alternde Belegschaft und die zunehmende Komplexität der Bauprojekte haben zu einem gravierenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geführt. Um diesem Problem zu begegnen, setzen deutsche Baufirmen vermehrt auf die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland.
Das Mischen wird digital
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Ein Problem, das bleibt
Im Bauhauptgewerbe klagen etwas mehr als ein Viertel der Unternehmen über einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Der Fachkräftemangel unter den Unternehmen in Deutschland insgesamt hat laut ifo Konjunkturumfrage etwas abgenommen. „Die schwächelnde Konjunktur verringert die Nachfrage nach Fachkräften kurzfristig“, so ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Das grundlegende Problem ist aber gekommen, um zu bleiben.“ Wenn die Konjunktur wieder anziehe, werde auch der Mangel wieder zunehmen. Zudem werde der demografische Wandel das Problem in den nächsten Jahren weiter verschärfen.
Auch die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) hat wiederholt auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, dass die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Fachkräfte beschleunigt werden müssen. Die Bürokratie und Komplexität der bestehenden Regelungen seien oft unüberwindbare Hindernisse für Unternehmen, die dringend qualifiziertes Personal benötigen.
Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat die BVMB konkrete Forderungen an die Politik gestellt. Eine schnellere Professionalisierung der Abläufe in den Ausländerbehörden sowie eine Aufstockung des Personals seien dringend erforderlich, um die Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Darüber hinaus müssten die Regelungen transparenter gestaltet und die Unternehmen über die zugrunde liegenden Abläufe aufgeklärt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Bewältigung des Fachkräftemangels ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bauindustrie. So werden auch flexiblere Arbeitszeiten und eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Bedürfnisse der Branche von verschiedenen Verbänden gefordert.
Darüber hinaus scheint aber festzustehen, dass auch die Unternehmen ihre Anstrengungen verstärken müssen, um ausländische Fachkräfte erfolgreich zu integrieren und langfristig an sich zu binden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Stuttgarter Ed. Züblin AG, die für ihr Engagement im Bereich Fachkräftezuwanderung jüngst mit dem Deutschen Fachkräftepreis ausgezeichnet wurde.
Züblin: Strukturierter Akquise- und Onboarding-Prozess
Die Züblin AG hat ihre Maßnahmen zur Akquise von ausländischen Fachkräften vor rund sieben Jahren professionalisiert und setzt auf einen Akquise- und Onboarding-Prozess. Dieser Prozess gliedert sich in drei Phasen: Preboarding, Onboarding und Postboarding.
Im Preboarding beginnt der Kontakt bereits im Herkunftsland, wo potenzielle Fachkräfte aktiv von Züblin unterstützt werden. Dies beinhaltet die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen zur Erlangung der Arbeitserlaubnis sowie erste Gespräche. Beim Onboarding übernimmt das Unternehmen die Organisation der Einreise und begleitet die neuen Mitarbeiter bei Behördenterminen. Ein Mentor steht ihnen zur Seite, dazu kommen bedarfsspezifische Weiterbildungen und Deutschkurse. Auch nach der Einarbeitung unterstützt das Unternehmen seine neuen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Postboardings, etwa beim Netzwerkaufbau und beim Familiennachzug.
Züblin akquiriert Fachkräfte aus Osteuropa
Tom Löschner, Technischer Direktionsleiter der Züblin Direktion Ost, betont die Bedeutung eines wertschätzenden Miteinanders und die Schaffung attraktiver Arbeitsplätze. Durch den maßgeschneiderten Prozess gelinge es Züblin, neue Fachkräfte optimal zu integrieren und langfristig an das Unternehmen zu binden. Vor allem Stahlbetonbauer, Maurer und Zimmerer stehen ganz weit oben auf der Wunschliste des Konzerns.
Dabei wirbt der Konzern unter anderem aus dem osteuropäischen Raum Fachkräfte an. In Deutschland angekommen, werden ihre handwerklichen Fähigkeiten im Arbeitsalltag auf der Baustelle ermittelt und geschaut, wo gefördert werden soll. Hürden entstehen durch die Bürokratie. „Das größte Problem ist die Planbarkeit“, so Tetyana Rudenok, Personaldisponentin bei Züblin. „Es ist fast unmöglich zu bestimmen, wann die gewonnene Arbeitskraft tatsächlich auf der deutschen Baustelle steht“. Das neu implementierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Vielfalt der Wege für die Einwanderung der Spezialisten und Fachkräfte gewährleisten soll, tue sein Übriges. „Wir wünschen uns viel mehr Kooperation und konstruktive Zusammenarbeit mit den Ämtern, gefühlt herrscht noch eine gewisse Unsicherheit. Die Mitarbeitenden dort wissen noch nicht, wie es angewendet werden muss“. All das führe dazu, dass Verfahren in die Länge gezogen werden.
Storz arbeitet mit der Handwerkskammer zusammen
Die Firmengruppe J. Friedrich Storz hat ebenfalls erfolgreich ausländische Arbeitskräfte integriert, insbesondere durch die Aufnahme von Auszubildenden. Mit der Ankunft von sechs Azubis aus Indien und dem Kosovo hat das Verkehrswegebau-Unternehmen ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufgeschlagen. Die jungen Männer treffen in Deutschland auf eine neue Sprache, Kultur und viele neue Gesichter, werden jedoch intensiv unterstützt und in den Arbeitsalltag integriert.
Die Anwerbung indischer Auszubildender geschieht vor dem Hintergrund des Projekts der Handwerkskammer (HWK) Freiburg „Aus Indien nach Südbaden – Azubis fürs Handwerk“ (AINS-AH). Im Jahr 2022 starteten 13 indische Auszubildende im Rahmen von „AINS-AH“ ihre Lehre im Fleischer-Handwerk. Im vergangenen Jahr wurde das Projekt auf die Gewerke Betonbauer, Straßenbauer, Maurer, Mechatroniker und Elektroniker übertragen. „Engagierte junge Menschen aus Indien für eine Ausbildung in den Bauberufen zu gewinnen, kann einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten“, sagt Martin Kunst von der Bauwirtschaft Baden-Württemberg.
Azubis aus Indien als Erfolgsfaktor bei Storz
Die Inderinnen und Inder bekämen eine fundierte, berufliche Perspektive und die Betriebe dringend benötigte, engagierte Fachkräfte. Aktuell lernen die jungen Frauen und Männer intensiv Deutsch und bereiten sich auf ihre B1-Prüfung am Goethe-Institut vor. „Wir haben aktuell 140 junge Menschen in Indien, die in diesem Jahr gerne eine handwerkliche Ausbildung in Südbaden beginnen möchten“, sagt Johannes Ullrich. „Das zeigt deutlich: Diese Kooperation läuft hervorragend und wächst stetig.“
Die Ankunft der Azubis erforderte eine gründliche Vorbereitung seitens des Unternehmens, darunter Bewerbungsgespräche per Videokonferenz, Organisation der Reise und Unterstützung bei der Wohnungssuche. Auch nach der Einreise werden die Azubis intensiv begleitet und erhalten Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsalltag sowie bei Behördengängen.
Das positive Feedback der Niederlassungsleiter und die hohe Motivation der ausländischen Azubis zeigen den Erfolg dieser Strategie. Durch die gezielte Anwerbung und Integration von internationalen Auszubildenden stärkt Storz nicht nur sein Team, sondern trägt auch zur Lösung des Fachkräftemangels bei.
Beispiele mit Vorbildcharakter
Die Beispiele von Züblin und Storz zeigen, dass die Anwerbung und Integration ausländischer Fachkräfte ein vielversprechender Ansatz zur Bewältigung des Fachkräftemangels in der deutschen Bauindustrie ist. Durch maßgeschneiderte Prozesse, intensive Betreuung und eine wertschätzende Unternehmenskultur gelingt es diesen Unternehmen, qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen und langfristig zu binden. Diese Strategien könnten als Vorbild für andere Unternehmen dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.
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