Gezielte Zuwanderung als Lösungsweg?

Die deutsche Bauindustrie steht vor einer der größten Herausforderungen ihrer Geschichte: dem Fachkräftemangel. Eine Vielzahl von Faktoren wie die alternde Belegschaft und die zunehmende Komplexität der Bauprojekte haben zu einem gravierenden Mangel an qualifizierten Arbeitskräften geführt. Um diesem Problem zu begegnen, setzen deutsche Baufirmen vermehrt auf die Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland.

Fachkräftemangel am Bau: Deutsche Unternehmen setzen auf ausländische Fachkräfte
Um den Fachkräftemangel zu überwinden setzen deutsche Unternehmen vermehrt auf ausländische Fachkräfte. | Foto: Pixabay/652234

Anzeige
Mit Beutlhauser alle Verbrauchsartikel griffbereit haben

Mit Beutlhauser alle Verbrauchsartikel griffbereit haben

Für gesteigerte Effizienz auf der Baustelle: Beutlhauser stattet einen Container passgenau mit den benötigten Verbrauchsartikeln aus.


Dem Bau fehlen nach Rechnung des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB) 2030 mehr als 100.000 Arbeitskräfte. Das Bauhauptgewerbe hat seit dem Beschäftigten-Tiefpunkt im Jahr 2009 bis 2023 ca. 500.000 Personen eingestellt, abzüglich der Rentenabgänge war dies ein Plus von 222.000 Personen. Für 2024 erwartet der HDB allerdings, erstmals seit 2008 – aufgrund der sich abschwächenden (Wohnungs-)Baukonjunktur und des stetigen Anstiegs der Insolvenzen – einen Rückgang um 10.000 auf 918.000 Beschäftigte im Bauhauptgewerbe, nach einer Stagnation 2023. Tim-Oliver Müller, Hauptgeschäftsführer des HDB bilanziert: „Die Gewinnung von Fachkräften stellt für immer mehr Unternehmen der Branche gleichzeitig das größte Risiko für ihr weiteres Wirtschaften dar“. Daher begrüße der Verband den ressortübergreifenden Ansatz der Bundesregierung, gezielte Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel zu ergreifen.

Ein Problem, das bleibt

Im Bauhauptgewerbe klagen etwas mehr als ein Viertel der Unternehmen über einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Der Fachkräftemangel unter den Unternehmen in Deutschland insgesamt hat laut ifo Konjunkturumfrage etwas abgenommen. „Die schwächelnde Konjunktur verringert die Nachfrage nach Fachkräften kurzfristig“, so ifo-Experte Klaus Wohlrabe. „Das grundlegende Problem ist aber gekommen, um zu bleiben.“ Wenn die Konjunktur wieder anziehe, werde auch der Mangel wieder zunehmen. Zudem werde der demografische Wandel das Problem in den nächsten Jahren weiter verschärfen.

Auch die Bundesvereinigung Mittelständischer Bauunternehmen e.V. (BVMB) hat wiederholt auf die dringende Notwendigkeit hingewiesen, dass die Verfahren zur Anerkennung ausländischer Fachkräfte beschleunigt werden müssen. Die Bürokratie und Komplexität der bestehenden Regelungen seien oft unüberwindbare Hindernisse für Unternehmen, die dringend qualifiziertes Personal benötigen.

Um diesem Missstand entgegenzuwirken, hat die BVMB konkrete Forderungen an die Politik gestellt. Eine schnellere Professionalisierung der Abläufe in den Ausländerbehörden sowie eine Aufstockung des Personals seien dringend erforderlich, um die Verfahren zu beschleunigen und zu vereinfachen. Darüber hinaus müssten die Regelungen transparenter gestaltet und die Unternehmen über die zugrunde liegenden Abläufe aufgeklärt werden. Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Bewältigung des Fachkräftemangels ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Bauindustrie. So werden auch flexiblere Arbeitszeiten und eine Anpassung des Arbeitszeitgesetzes an die Bedürfnisse der Branche von verschiedenen Verbänden gefordert.

Darüber hinaus scheint aber festzustehen, dass auch die Unternehmen ihre Anstrengungen verstärken müssen, um ausländische Fachkräfte erfolgreich zu integrieren und langfristig an sich zu binden. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Stuttgarter Ed. Züblin AG, die für ihr Engagement im Bereich Fachkräftezuwanderung jüngst mit dem Deutschen Fachkräftepreis ausgezeichnet wurde.

Züblin: Strukturierter Akquise- und Onboarding-Prozess

Die Züblin AG hat ihre Maßnahmen zur Akquise von ausländischen Fachkräften vor rund sieben Jahren professionalisiert und setzt auf einen Akquise- und Onboarding-Prozess. Dieser Prozess gliedert sich in drei Phasen: Preboarding, Onboarding und Postboarding.

Im Preboarding beginnt der Kontakt bereits im Herkunftsland, wo potenzielle Fachkräfte aktiv von Züblin unterstützt werden. Dies beinhaltet die Zusammenstellung der erforderlichen Unterlagen zur Erlangung der Arbeitserlaubnis sowie erste Gespräche. Beim Onboarding übernimmt das Unternehmen die Organisation der Einreise und begleitet die neuen Mitarbeiter bei Behördenterminen. Ein Mentor steht ihnen zur Seite, dazu kommen bedarfsspezifische Weiterbildungen und Deutschkurse. Auch nach der Einarbeitung unterstützt das Unternehmen seine neuen Kolleginnen und Kollegen im Rahmen des Postboardings, etwa beim Netzwerkaufbau und beim Familiennachzug.

Züblin erhält den deutschen Fachkräftepreis in der Kategorie  „Fachkräftezuwanderung"  V.l.n.r.: Nina  Strasser (Mitglied der Jury), Ines Kathe (Züblin Bereich Erfurt), Tetyana  Rudenok (Personaldisponentin), Robert Frank (technischer  Bereichsleiter), Hubertus Heil  (Bundesarbeitsminister) | Foto: Züblin
Züblin erhält den deutschen Fachkräftepreis in der Kategorie „Fachkräftezuwanderung" V.l.n.r.: Nina Strasser (Mitglied der Jury), Ines Kathe (Züblin Bereich Erfurt), Tetyana Rudenok (Personaldisponentin), Robert Frank (technischer Bereichsleiter), Hubertus Heil (Bundesarbeitsminister) | Foto: Züblin

Züblin akquiriert Fachkräfte aus Osteuropa

Tom Löschner, Technischer Direktionsleiter der Züblin Direktion Ost, betont die Bedeutung eines wertschätzenden Miteinanders und die Schaffung attraktiver Arbeitsplätze. Durch den maßgeschneiderten Prozess gelinge es Züblin, neue Fachkräfte optimal zu integrieren und langfristig an das Unternehmen zu binden. Vor allem Stahlbetonbauer, Maurer und Zimmerer stehen ganz weit oben auf der Wunschliste des Konzerns.

Dabei wirbt der Konzern unter anderem aus dem osteuropäischen Raum Fachkräfte an. In Deutschland angekommen, werden ihre handwerklichen Fähigkeiten im Arbeitsalltag auf der Baustelle ermittelt und geschaut, wo gefördert werden soll. Hürden entstehen durch die Bürokratie. „Das größte Problem ist die Planbarkeit“, so Tetyana Rudenok, Personaldisponentin bei Züblin. „Es ist fast unmöglich zu bestimmen, wann die gewonnene Arbeitskraft tatsächlich auf der deutschen Baustelle steht“. Das neu implementierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Vielfalt der Wege für die Einwanderung der Spezialisten und Fachkräfte gewährleisten soll, tue sein Übriges. „Wir wünschen uns viel mehr Kooperation und konstruktive Zusammenarbeit mit den Ämtern, gefühlt herrscht noch eine gewisse Unsicherheit. Die Mitarbeitenden dort wissen noch nicht, wie es angewendet werden muss“. All das führe dazu, dass Verfahren in die Länge gezogen werden.

Storz arbeitet mit der Handwerkskammer zusammen

Winterausbildung bei Storz im Schotterwerk Neuhausen ob Eck. | Foto: STORZ/Beck
Winterausbildung bei Storz im Schotterwerk Neuhausen ob Eck. | Foto: STORZ/Beck

Die Firmengruppe J. Friedrich Storz hat ebenfalls erfolgreich ausländische Arbeitskräfte integriert, insbesondere durch die Aufnahme von Auszubildenden. Mit der Ankunft von sechs Azubis aus Indien und dem Kosovo hat das Verkehrswegebau-Unternehmen ein neues Kapitel in der Firmengeschichte aufgeschlagen. Die jungen Männer treffen in Deutschland auf eine neue Sprache, Kultur und viele neue Gesichter, werden jedoch intensiv unterstützt und in den Arbeitsalltag integriert.

Die Anwerbung indischer Auszubildender geschieht vor dem Hintergrund des Projekts der Handwerkskammer (HWK) Freiburg „Aus Indien nach Südbaden – Azubis fürs Handwerk“ (AINS-AH). Im Jahr 2022 starteten 13 indische Auszubildende im Rahmen von „AINS-AH“ ihre Lehre im Fleischer-Handwerk. Im vergangenen Jahr wurde das Projekt auf die Gewerke Betonbauer, Straßenbauer, Maurer, Mechatroniker und Elektroniker übertragen. „Engagierte junge Menschen aus Indien für eine Ausbildung in den Bauberufen zu gewinnen, kann einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Fachkräftemangels leisten“, sagt Martin Kunst von der Bauwirtschaft Baden-Württemberg.

Azubis aus Indien als Erfolgsfaktor bei Storz

Christian Rebmann, Bereichsleiter STORZ Baustoffe, und Werkleiter Matthias Kohli (r.) zeigen den indischen Azubis das Storz-Schotterwerk Neuhausen ob Eck. | Foto: STORZ/Beck
Christian Rebmann, Bereichsleiter STORZ Baustoffe, und Werkleiter Matthias Kohli (r.) zeigen den indischen Azubis das Storz-Schotterwerk Neuhausen ob Eck. | Foto: STORZ/Beck

Die Inderinnen und Inder bekämen eine fundierte, berufliche Perspektive und die Betriebe dringend benötigte, engagierte Fachkräfte. Aktuell lernen die jungen Frauen und Männer intensiv Deutsch und bereiten sich auf ihre B1-Prüfung am Goethe-Institut vor. „Wir haben aktuell 140 junge Menschen in Indien, die in diesem Jahr gerne eine handwerkliche Ausbildung in Südbaden beginnen möchten“, sagt Johannes Ullrich. „Das zeigt deutlich: Diese Kooperation läuft hervorragend und wächst stetig.“

Die Ankunft der Azubis erforderte eine gründliche Vorbereitung seitens des Unternehmens, darunter Bewerbungsgespräche per Videokonferenz, Organisation der Reise und Unterstützung bei der Wohnungssuche. Auch nach der Einreise werden die Azubis intensiv begleitet und erhalten Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsalltag sowie bei Behördengängen.

Das positive Feedback der Niederlassungsleiter und die hohe Motivation der ausländischen Azubis zeigen den Erfolg dieser Strategie. Durch die gezielte Anwerbung und Integration von internationalen Auszubildenden stärkt Storz nicht nur sein Team, sondern trägt auch zur Lösung des Fachkräftemangels bei.

Beispiele mit Vorbildcharakter

Die Beispiele von Züblin und Storz zeigen, dass die Anwerbung und Integration ausländischer Fachkräfte ein vielversprechender Ansatz zur Bewältigung des Fachkräftemangels in der deutschen Bauindustrie ist. Durch maßgeschneiderte Prozesse, intensive Betreuung und eine wertschätzende Unternehmenskultur gelingt es diesen Unternehmen, qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland zu gewinnen und langfristig zu binden. Diese Strategien könnten als Vorbild für andere Unternehmen dienen, die vor ähnlichen Herausforderungen stehen.

Im Bau kennen wir uns aus!

Für Sie bauen wir unseren Newsletter mit den relevantesten Neuigkeiten aus der Branche.

Gleich abonnieren!

Ich akzeptiere die Datenschutz-Bestimmungen.
Newsletter Anlemdung
Newsletter Anlemdung

Lesen Sie auch:


Mehr zum Thema:


Neueste Beiträge:

Weitere Beiträge

1
2
3

Für welche Leistungsart interessieren Sie sich?

Bauleistungen
Bauleistungen

Bau­leistungen

Dienstleistungen
Dienstleistungen

Dienst­leistungen

Lieferleistungen
Lieferleistungen

Liefer­leistungen

Wo suchen Sie Aufträge?

Ausschreibungs-Radar
Baden-Württemberg
Bayern
Berlin
Brandenburg
Bremen
Hamburg
Hessen
Mecklenburg-Vorpommern
Niedersachsen
Nordrhein-Westfalen
Rheinland-Pfalz
Saarland
Sachsen
Sachsen-Anhalt
Schleswig-Holstein
Thüringen

Verwandte Bau-Themen:

Jetzt zum Newsletter anmelden:

Lesen Sie Nachrichten zu Bauwirtschaft und Baupolitik aus erster Hand. Plus: Hoch-, Tief- und Straßenbau.