Gemeinsam urbane Aufgaben und Probleme lösen

„smarticipate“ ist ein EU gefördertes Projekt, das mit Hilfe von Bürgerbeteiligung in Pilotstädten den Weg in die „Smart Cities“ bereiten soll. Die B_I galabau sprach mit Dr. Nicole Schubbe, Hamburger Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung, über die Ziele und die Umsetzung in der Hansestadt.

„smarticipate“ in Hamburg: Gemeinsam urbane Aufgaben und Probleme lösen
Die Gruppe im Bild hat ihrer Kreativität auf der Rückseite eines Posters freien Lauf gelassen. Zu speziellen Fragen konnten die Experten Hilfestellung leisten.

"Smart City"

Für den Begriff der “Smart City” gibt es bis dato keine eindeutige und allgemein anerkannte Definition. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wie z.B. Geodaten bilden aber die Basis für die Entwicklung einer „smarten“ Stadt, die dank intelligenter Vernetzung u.a. den Ressourcenverbrauch verringern und die Lebensqualität verbessern soll. Neben ökologischen und ökonomischen Betrachtungen ist darüber hinaus die Integration sozialer Aspekte wie z.B. durch Inklusion ein weiterer Faktor bei der Konzeptentwicklung für die Stadt von morgen.

B_I galabau

: Was waren die Kriterien dafür, dass Hamburg zu den drei „auserwählten“ Städten gehört?

Dr. Schubbe

: In der Projektantragsphase wurden vom Fraunhofer IGD als Koordinator verschiedene Städte angefragt. Basierend auf den Kriterien der Projektausschreibung der Europäischen Kommission, den Zielen des Projektes und dem Interesse und Engagement der Städte erfolgte die Auswahl. Hier konnte Hamburg sich mit der großen Zahl an Open Data, die auf Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes (HmbTG) bereitgestellt werden, den bisherigen Aktivitäten zur Bürgerbeteiligung, wie beispielsweise der Stadtwerkstatt, sowie Erfahrungen aus früheren Projekten in der Auswahl durchsetzen.

B_I galabau

: Die Städte haben jeweils einen anderen Fokus gesetzt. Rom will gemeinsam mit seinen Bürgern u.a. passende Orte für Urban-Gardening-Projekte finden. Die Londoner Bezirke Kensington und Chelsea geben die Plattform in die Hand von Bürgerinitiativen, die mit der Anwendung Ideen entwickeln können. Hamburg plant in einer Testphase von smarticipate, die Bürger dabei einzubinden, Standorte für neue Bäume im Stadtgebiet zu finden. Dabei können Erlen oder Eichen in einer 3D-Landschaft positioniert werden.

Aus welchem Grund hat Hamburg den Fokus auf Stadtbäume gelegt?

Dr. Schubbe

: Im Projekt geht es darum unterschiedliche Ansätze und Inhalte von Bürgerbeteiligung einzubinden. Das Thema Umwelt wird in der Hansestadt großgeschrieben. So fanden bereits verschiedene Beteiligungsverfahren zum Stadtgrün in Hamburg statt: vier Planungswerkstätten zum Thema „Zukunft der Elbinseln“ oder der Stadtwerkstatt „Stadtgrün für alle“, um nur einige zu nennen. Eine Verknüpfung zu „Mein Baum – Meine Stadt“, einer Kampagne, die Bürgern die Möglichkeit gibt Pate für Stadtbäume zu werden, macht das Baumthema für die Stadt besonders attraktiv. Es ist vorgesehen, dass Bürgerinnen und Bürger online Vorschläge für neue Baumstandorte machen können. Diese werden dann mit relevanten Daten verschnitten und dem Nutzer ein sofortiges Feedback zu seinem Vorschlag gegeben. Das Feedback könnte dann sein, dass der Baum in Zukunft zu groß für die Umgebung sein wird, oder dass der Untergrund eine Baumpflanzung nicht möglich macht. Eine Entscheidung wird dabei nicht vom System getroffen werden, sondern es verbessert die Qualität der Vorschläge. Die Entscheidung, ob ein Baum gepflanzt werden kann, wird am Ende ein Mensch fällen – zumindest in näherer Zukunft. Technisch lässt sich das Baumszenario wunderbar auf andere Themen wie beispielsweise Mülleimer, Laternen etc. übertragen und letztlich soll jeder Anwendungsfall auch in den anderen Städten technisch umsetzbar sein.
Die smarticipateApp greift auf verschiedene Daten zu, visualisiert diese und gibt Nutzern ein Echtzeit-Feedback zu ihren Vorschlägen. So ist sofort ersichtlich, wie ein Baum durch Verschattung das Solarpotenzial beeinflusst oder ob Mindestabstände zu Häusern, Ampeln etc. eingehalten werden und der Vorschlag kann ggf. angepasst werden. | Abb.: smarticipate
Die smarticipateApp greift auf verschiedene Daten zu, visualisiert diese und gibt Nutzern ein Echtzeit-Feedback zu ihren Vorschlägen. So ist sofort ersichtlich, wie ein Baum durch Verschattung das Solarpotenzial beeinflusst oder ob Mindestabstände zu Häusern, Ampeln etc. eingehalten werden und der Vorschlag kann ggf. angepasst werden. | Abb.: smarticipate

B_I galabau

: Die Basis für die digitale Beteiligungsplattform sind Geoinformationen. Welche Herausforderungen sehen Sie in der Aufbereitung der Daten heute und für die Zukunft?

Dr. Schubbe

: Die größte Herausforderung sehe ich in der Masse an Daten. Die Freie und Hansestadt Hamburg verwaltet mehr als 2720 Geodatensätze (Stand Mai 2016) und längst sind nicht alle in die Geodateninfrastruktur der Stadt (GDI HH) integriert und katalogisiert. Die Masse an Daten macht es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fast unmöglich einen Überblick zu behalten. Daher bietet die GDI HH über den MetadatenVerbund (MetaVer) die Möglichkeit Daten zu recherchieren und Dopplungen zu vermeiden, bzw. bestehende Datensätze so anzupassen, dass sie für mehrere Dienststellen nutzbar sind. Eine weitere Herausforderung sind Standards. Viele der Datensätze Hamburgs sind gemäß des Hamburgischen Transparenzgesetzes bereits Open Data und für Bürgerinnen und Bürger sowie für Firmen frei verfügbar. Durch Standardisierung soll Interoperabilität gewährleistet werden, also die Möglichkeit von verschiedenen Systemen miteinander zu interagieren. So können Startups mit den Daten der Stadt eigene Anwendungen programmieren, die bspw. Verkehrsströme abbilden. Womit wir bei der nächsten Herausforderung wären: Echtzeitdaten, wie zum Beispiel Verkehrsströme, Parkhausbelegungen, Luftqualität. Hier sind neben neuen Standards auch andere Aktualisierungsintervalle – teilweise im Minutentakt – nötig und auch Crowdsourcing wird in Zukunft eine Rolle spielen.

B_I galabau

: Ein Drittel der Projektphase ist jetzt rum. Ende letzten Jahres gab es in Hamburg unter dem Namen „Smartathon“ eine Auftaktveranstaltung. Alle Hamburger Bürger waren eingeladen, an der Entwicklung der Plattform mitzuwirken. Wie war die Resonanz?

Dr. Schubbe

: Am Smartathon in Hamburg haben mehr als 40 Bürgerinnen und Bürger teilgenommen. Die Altersspanne reichte von 21 bis 72 Jahren. Es gab einen größeren Anteil an Personen mit Planungs- und IT-Hintergrund, aber auch Personen ohne fachlichen Hintergrund waren vertreten. Der Workshop-Charakter der Veranstaltung ermöglichte eine gute Durchmischung der Teilnehmer und fruchtbare Zusammenarbeit. Viele Bürgerinnen und Bürger haben mich nach der Veranstaltung angesprochen und waren so begeistert, dass sie beim nächsten Mal Freunde mitbringen wollen. Die Ideen und Kommentare waren so zahlreich, das die Auswertung noch nicht abgeschlossen ist.

Teilnehmer arbeiteten in Kleingruppen an drei Postern zu den Themen Urban Story, Open Data und Features.
Teilnehmer arbeiteten in Kleingruppen an drei Postern zu den Themen Urban Story, Open Data und Features.

B_I galabau

: „smarticipate“ setzt dabei auf das von der Stadtwerkstatt konzipierte Online-Beteiligungstool, das seit Anfang 2016 von der Stadt genutzt wird. Was genau ist das Beteiligungstool und wie wird es für smarticipate genutzt?

Dr. Schubbe

: Die Stadt möchte die Erfahrungen aus dem Projekt smarticipate gern für das vorhandene Beteiligungstool verwenden. Im Idealfall lassen sich einzelne Bausteine einfach integrieren und weiterentwickeln. Diese und ähnliche Anforderungen wurden zu Projektbeginn von den Entwicklern in allen Städten abgefragt. Nicht alle dieser Anforderungen werden am Ende umgesetzt werden können. Dies entspricht auch dem Sinn einer Pilotierung: das Aufzeigen von Machbarkeit und auch von Grenzen. Das bisherige Beteiligungstool der Stadt ermöglicht es Bürgerinnen und Bürgern online an informellen Beteiligungsprozessen der Stadt mitzuwirken. Das Tool verfügt über eine Kartenanwendung, die für jedes Vorhaben angepasst werden kann. Dort kann ein Bürger dann bspw. Ideen für neue Nutzungen auf dem Gelände des Ohlsdorfer Friedhofes (Ohlsdorf 2050) in der Karte markieren, diese kommentieren und mit Bildern oder Dokumenten erläutern. Solche Beteiligungsanwendungen gibt es in der Stadt schon länger. Sie wurden von verschiedenen Organisationen erstellt und waren damit uneinheitlich, was die Beteiligung für Bürgerinnen und Bürger erschwerte. Das neue Tool ist ein Baukastensystem und somit für jede Art von informeller Beteiligung anpassbar. Für den Bürger sieht es immer gleich aus und der Organisator kann sich die benötigten Bausteine flexibel zusammenstellen. Es ist auch von anderen Kommunen nutzbar, da es ausschließlich aus open source Komponenten besteht.

B_I galabau

: Wie geht es mit smarticipate weiter?

Dr. Schubbe

: Im Januar fand der Smartathon Rom statt, jetzt folgt auch hier die Datenauswertung und letztlich die Umsetzung durch die Entwickler – natürlich unter Berücksichtigung der Ideen und Vorschläge der Bürgerinnen und Bürger. Im Sommer soll es dann für die Bevölkerung in einer zweiten Smartathon-Runde die Möglichkeit geben einen ersten Prototyp der App zu testen.

Das Projektteam stellte während des Smartathons neben dem Projekt selbst ein Mockup vor, welchen auf Smartphones ausprobiert werden konnte. Die Teilnehmern bekamen so eine erste Idee von der smarticipateApp. | Fotos: Joseph Marshment-Howell / ICLEI – Local
Das Projektteam stellte während des Smartathons neben dem Projekt selbst ein Mockup vor, welchen auf Smartphones ausprobiert werden konnte. Die Teilnehmern bekamen so eine erste Idee von der smarticipateApp. | Fotos: Joseph Marshment-Howell / ICLEI – Local
B_I galabau: Welche Chancen/Risiken sehen Sie für Städte und Kommunen eine digitale Beteiligungsplattform anzubieten?

Dr. Schubbe: Ich sehe in erster Linie Chancen.
Online-Beteiligung ermöglicht es den Bürgerinnen und Bürgern den Zeitpunkt für die Beteiligung flexibler zu wählen. Für die Stadt Hamburg sehe ich keine andere Option, als die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam mit der Zivilgesellschaft in einem partizipativen Ansatz zu bewältigen. Des Weiteren sind Bürgerinnen und Bürger letztlich die Experten vor Ort. Sie haben Wissen und Erfahrungen welches sich nicht ohne weiteres in Daten abbilden lässt und somit bei den Analysen nicht berücksichtigt wird. Ein schönes Beispiel ist das Projekt Finding Places, ein Kooperationsprojekt der HafenCity Universität mit der Stadt Hamburg. Hier wurden zum hochbrisanten Thema Standorte für Flüchtlingsunterkünfte Bürgerinnen und Bürger eingeladen sich vor Ort digital zu beteiligen. Die gemeinsame Betrachtung der Daten und Fakten ermöglichte den Bürgerinnen und Bürgern ein Mitreden auf Augenhöhe. Es wurden Standorte vorgeschlagen, von denen die Stadt nie gedacht hätte, dass diese akzeptiert würden.

Als Risiko sehe ich am ehesten die Zielgruppe der verschiedenen Beteiligungsverfahren. Mit Online-Beteiligung alleine erreicht man verschiedene Bevölkerungsgruppen nicht, das gleiche trifft aber auch Beteiligungsveranstaltungen vor Ort zu. Hier wird es in Zukunft darum gehen, beide Verfahren sinnvoll zu verknüpfen und möglichst viele Personen über unterschiedliche Kanäle anzusprechen.

B_I galabau: Wie stellen Sie sich die „Smart City“ auch in Bezug auf das öffentliche Grün Hamburg vor?

Dr. Schubbe: Ich stelle mir eine bürgernahe Stadt vor, die politisch wichtige Themen im Blick hat, aber eben auch die Sorgen und Nöte der Zivilgesellschaft, zum Beispiel die Wohnungsknappheit oder die Verkehrssituation. Auf der anderen Seite wünsche ich mir Bürgerinnen und Bürger, die sehen, welchen Beitrag sie leisten können. Die Parkplatzproblematik in der Innenstadt zum Beispiel kann die Stadt nicht alleine angehen. Car Sharing Parkplätze anstelle von Privatparkplätzen wären eine mögliche Maßnahme, aber sie kann nur funktionieren, wenn Bürgerinnen und Bürger das Problem auch erkennen und mitziehen. Ziel ist es, die Ausgewogenheit von Stadtgesellschaft, Staat und Wirtschaft auch in Zukunft zu gewährleisten, damit Hamburg auch in Zukunft einer der attraktivsten Lebensräume bleibt.

„Smart City”

Für den Begriff der “Smart City” gibt es bis dato keine eindeutige und allgemein anerkannte Definition. Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) wie z.B. Geodaten bilden aber die Basis für die Entwicklung einer „smarten“ Stadt, die dank intelligenter Vernetzung u.a. den Ressourcenverbrauch verringern und die Lebensqualität verbessern soll. Neben ökologischen und ökonomischen Betrachtungen ist darüber hinaus die Integration sozialer Aspekte wie z.B. durch Inklusion ein weiterer Faktor bei der Konzeptentwicklung für die Stadt von morgen.

Weitere Infos zu den Projekten

EU-Projekt smarticipate: www.smarticipate.eu
Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung: www.hamburg.de/bsw/landesbetrieb-geoinformation-und-vermessung

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