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Golfanlagen als Refugium für viele und seltene Arten

Deutschlands Golfanlagen setzen zunehmend auf die Förderung der Biodiversität. Die Verantwortung für die Erfolge vor Ort liegt beim Greenkeeper.

Golfplätze als Refugium für Biodiversität
Golfplätze stehen für perfekt geschnittene Grünflächen, doch können sie eine Vielfalt aufbieten, die anderen Sportplätzen in Deutschland so nicht zu finden sind. | Foto: Deutscher Golf Verband
Eine seiner Lieblingspflanzen ist eigentlich unscheinbar: „Das Große Zweiblatt“, sagt Manfred Beer, „erkennt eigentlich kaum jemand.“ Die Rede ist von einem eher unauffälligen Gewächs, das auf der Golfanlage des GC Isarwinkel im oberbayerischen Bad Tölz im Randbereich der einen oder anderen Spielbahn wächst – eine Orchidee der Gattung Zweiblatt, 1992 zur Orchidee des Jahres gewählt. Für Manfred Beer, Head-Greenkeeper der Anlage, ist das Große Zweiblatt Teil dessen, was er als „die Kür“ bezeichnet. „Eine qualitativ hochwertige Pflege der Fairways und Grüns ist für einen Greenkeeper Pflichtprogramm, die Kür betrifft alles, was darum herum gemacht wird.“
Manfred Beer, Head-Greenkeeper beim Golfclub Isarwinkel: „Es macht einfach Spaß, zu sehen, wie sich Dinge über Jahre entwickeln.“ | Foto: Manfred Beer
Manfred Beer, Head-Greenkeeper beim Golfclub Isarwinkel: „Es macht einfach Spaß, zu sehen, wie sich Dinge über Jahre entwickeln.“ | Foto: Manfred Beer

Vielfalt der Landschaften bedeuten unterschiedliche Lebensräume

Es sind die kleinen Dinge, die Golfplätze in Sachen Biodiversität hervorstechen lassen. Wo der Begriff Golfplatz auf den ersten Blick für perfekt geschnittene Grünflächen, sauber ausgemähte Abschläge und gleichmäßige Fairways steht, tut sich auf den zweiten Blick eine Vielfalt auf, die man auf keinem anderen Sportplatz in Deutschland findet. Das hängt zum einen mit der Fläche zusammen, die für einen 18-Löcher-Golfplatz in Deutschland zwischen 55 und 100 ha liegt. Zum anderen ermöglichen die unterschiedlichen Landschaften, auf denen sich Golfplätze befinden, auch völlig unterschiedliche Lebensräume, die von Hecken über Magerrasenflächen, Totholzgebiete oder Wasserbiotope reichen. Die Artenvielfalt umfasst Orchideen wie Libellen und Insekten, Greifvögel oder Störche. Wildbienen, Echsen aber auch der Biber – je nach Lage des Golfplatzes, Klima und Boden wechseln Fauna und Flora.
Auf der Golfanlage des GC Isarwinkel im oberbayerischen Bad Tölz gibt es eine große Artenvielfalt. | Foto: Manfred Beer
Auf der Golfanlage des GC Isarwinkel im oberbayerischen Bad Tölz gibt es eine große Artenvielfalt. | Foto: Manfred Beer

Längst nimmt das Thema Biodiversität im Rahmen der Golfplatzpflege einen wesentlichen Raum ein. Eigene Biodiversitäts-Ausschüsse beim Deutschen Golf Verband und einzelnen Landesverbänden beschäftigen sich ebenso damit wie der Fachbereich Umwelt & Platzpflege des DGV. Vor Ort auf dem Golfplatz aber ist es am Ende der Greenkeeper, der die praktische Ausgestaltung des Themas übernimmt. Ein Gefühl für die Möglichkeiten der Landschaft ist da gefragt, Leidenschaft für das Thema und Engagement. Manfred Beer, inzwischen seit 25 Jahren auf der Golfanlage Isarwinkel vor Ort, weiß, dass sich der Aufwand lohnt. „Man wächst mit der Anlage mit, dabei lernt man herauszufinden, was für den jeweiligen Golfplatz passt.“

Alte Streuobstbaumbestände fördern

In Baden-Württemberg zum Beispiel spielt die Pflege alter Streuobstbaumbestände auf zahlreichen Golfanlagen inzwischen eine wesentliche Rolle. Beim GC Domäne Niederreutin zum Beispiel pflegt das Greenkeeping-Team unter der Leitung von Josef Reiss neben rund 200 Apfelbäumen, 80 Birnen- und 50 Zwetschgenbäume. „Ein besonderes Anliegen von mir und meinem Team ist der landschaftspflegerische Erhalt unserer Kulturlandschaften, die stark von Streuobstwiesen geprägt sind, die gerade jetzt im Frühjahr in weiteren Teilen Baden-Württembergs blühen, auch auf unseren Golfplätzen.“

Mit der Förderung alter Obstbaumsorten passt man auch perfekt in das Programm „Lebensraum Golfplatz – Wir fördern Artenvielfalt“ des Baden-Württembergischen Golfverbandes, der hier mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg und dem Deutschen Golf Verband zusammenarbeitet. Mehr als 50 Clubs haben sich der Initiative inzwischen angeschlossen. Golfplätze, so die Botschaft der Initiative, „sind zwar einerseits wichtige Naherholungsgebiete für sportinteressierte Menschen, gleichzeitig aber auch zunehmend biodiverse Rückzugsorte für Tiere und Pflanzen, die immer größere Schwierigkeiten haben, adäquate Lebensräume ungestört zu finden und zu besiedeln.“

Wie groß die Vielfalt tatsächlich ist, belegt zum Beispiel eine Erhebung aus dem Jahr 2020 auf der Anlage des GC Altötting-Burghausen, wo 20 Experten in einem Zeitraum von 24 Stunden zirka 90 Pilzvarianten, 45 Vogel- und 33 Spinnenarten nachwiesen. Dazu noch rund 350 weitere Pflanzen, Insekten und Amphibien. Darunter befanden sich nach Aussagen von Eveline Merches, die den sogenannten GEO-Tag auf der Golfanlage für die Kreisgruppe Altötting des BUND Naturschutz organisiert hatte, auch zahlreiche Rote Liste Arten wie der Sonnen-Täubling (Russula solaris) oder die Ufer-Pyjamaspinne (Singa nitidula).

Mit begrenzten Ressourcen haushalten

Das Potential von Golfanlagen in Sachen Förderung der Biodiversität hat sich in Bayern ebenfalls in einer Kooperation niedergeschlagen. Hier arbeiten das Umweltministerium und der Bayerische Golfverband im Rahmen des sogenannten Blühpaktes zusammen. Die Greenkeeper vor Ort entwickeln dabei vor Ort zusammen mit Experten des Landesbundes für Vogelschutz ein Konzept zur Förderung der Artenvielfalt, das von der Anlage von Totholzhaufen, dem richtigen Schnitt von Wiesen über die richtige Auswahl von Heckenpflanzen reichen kann. Dabei wird auch bedacht, dass die Greenkeeper vor Ort meist personell und zeitlich nur über begrenzte Ressourcen verfügen. „Grundsätzlich macht es erst einmal Sinn, weniger zu machen, aber das dann ordentlich“, resümiert Manfred Beer, der seinen Kollegen in seiner Funktion als Vorsitzender beim Greenkeeper Verband Bayern auch empfiehlt, „zum Beispiel erst einmal die Roughflächen ordentlich zu organisieren.“

Die hohe Wertigkeit dieser Bereiche ist inzwischen auch wissenschaftlich nachgewiesen. Diverse Bachelor- und Masterarbeiten in Deutschland befassen sich mit der Frage, inwieweit Golfanlagen Biodiversität fördern können. Auf der Golfanlage Valley zum Beispiel, die im Großraum München mit 36 Löchern auf 154 Ha Größe zu den großen Anlagen gehört, legte man 30 Ha Magerwiesen, 20 Ha artenreiche Extensivflächen, 30 Ha Salbei-Glatthaferwiesen, Schwingel-Rotstraußgrasrasen und vier verschiedene Feuchtbiotope an. Sarah Augustin analysierte die Flächen für eine Masterarbeit zum „Zustand und Entwicklungspotential der Hochgrasflächen“ und stellte die Anzahl der Arten ins Verhältnis zur Biomasse. 175 Pflanzenarten wurden erfasst, 17 davon waren gesetzlich geschützt. Überraschungsfunde wie das Tausendgüldenkraut kamen hinzu. „Viele der neuangelegten Flächen haben sich inzwischen prächtig entwickelt“, attestiert auch Josef Fass, Fachreferent für Naturschutz vom Landratsamt Miesbach, der Golfanlage.

Im GC Lohersand in Schleswig-Holstein wurden bei der Erweiterung der Anlage   Heideflächen angelegt. | Foto: Petra Himmel
Im GC Lohersand in Schleswig-Holstein wurden bei der Erweiterung der Anlage Heideflächen angelegt. | Foto: Petra Himmel
Hoch im Norden, im GC Lohersand in Schleswig-Holstein, ist Headgreenkeeper Hartwig Klein ein anderes Kunststück gelungen. Als der Club seine Anlage um neun Löcher erweiterte, nahm die Neuentwicklung von Heideflächen, die eingesät wurden, einen zentralen Punkt im Rahmen des Baus der neuen Golflöcher ein. „Diesen Charakter des Platzes wollen wir unbedingt erhalten“, resümiert auch Platzwart Stephan Dörsam. Inzwischen präsentieren sich die Heideflächen neben den Spielbahnen in perfektem Zustand. Die Auszeichnung Gold im Rahmen des Qualitätsmangement-Programms Golf & Natur des Deutschen Golf Verbandes trägt die Anlage deshalb schon seit 2014. „Was kann man tun, um ein Qualitätsmerkmal zu schaffen“, diese Frage begleitet das Greenkeeper-Team hier bei der täglichen Arbeit.

Es ist eine Frage, die man sich deutschlandweit auf Golfanlagen stellt. Die Zielsetzung, nicht nur qualitativ hochwertige Golfplätze im Sinne von Sportplätzen zu stellen, gleichzeitig aber auch die Förderung von Biodiversität zu ermöglichen, ist inzwischen fest verankert. „Golfplätze naturverträglich zu pflegen, ist selbstverständlich“, sagt Manfred Beer dazu. „Und es macht einfach Spaß Dinge entstehen zu sehen.“ So wie das Große Zweiblatt im GC Isarwinkel. Unscheinbar und doch so wertvoll.

Zur Autorin: Petra Himmel ist Journalistin und Gründerin der Plattform Golf Sustainable, die sich mit Fragen zur Nachhaltigkeit im Golfsport befasst.

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