H2-Antriebslösung für Kommunalfahrzeuge

Ab 2021 startet die Faun Gruppe als erstes deutsches Unternehmen die Serienproduktion von Sammelfahrzeugen und Kehrmaschinen mit Wasserstoffantrieb. Der Aufbauhersteller hat vor Jahren mit der Entwicklung seines Antriebsstrangs „Bluepower“ begonnen und gilt in diesem Bereich als Pionier. Bei Burkard Oppmann, CSO Faun Germany, haben wir nachgefragt, welche Herausforderungen Faun meistern musste und welche Vorteile dieser Treibstoff bietet.

H2-Antriebslösung für Kommunalfahrzeuge
Vollelektrisch im Kehreinsatz unterwegs: Der von Faun entwickelte „Bluepower“-Antriebsstrang ist für die Viajet Kehrmaschinen der City- und Varioklasse erhältlich. Im Bild die Viajet 6 mit 6 m³ Aufbauvolumen. | Foto: Faun
Elektro-, Methangas- oder Hybridkonzepte: Die Suche nach alternativen Antrieben läuft auf Hochtouren und aktuell rückt das Thema „Wasserstoff“ immer mehr in den Fokus. Die Bundesregierung betrachtet das chemische Element H2, das ein vielseitiger Energiespeicher und nahezu unbegrenzt verfügbar ist, als wichtigen Baustein für die Energiewende. Erst kürzlich hat sie die „Nationale Wasserstoffstrategie“ verabschiedet und bereits seit 2007 werden durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) erfolgversprechende Entwicklungen durch das „Nationale Innovationsprogramm Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie“ (kurz: NIP) gefördert. Ziel ist es, H2-Technlogien voranzutreiben und die Wasserstoffmobilität wettbewerbsfähig zu machen.

Mit der Umsetzung der NIP-Fördermaßnahmen hat das BMVI den Projektträger Jülich (PTJ) in Kooperation mit der Programmgesellschaft Nationale Organisation Wasserstoff- und Brennstoffzellenforschung (NOW) beauftragt. So konnte auch das mittelständische Unternehmen Faun 2018 durch eine F+E Förderung von etwa einer halben Million Euro den Antriebsstrang „Bluepower“ selbst entwickeln und zur technischen Marktreife bringen. Das ist auch insofern bemerkenswert, weil sich Faun originär als Aufbauhersteller einen Namen gemacht hat und nun dank einer Kombination aus Batterie und Wasserstoff-Brennstoffzellen mit einem vollelektrischen Fahrgestell aufwartet.

„Die Nachfrage nach wasserstoffbetriebenen Kommunalfahrzeugen kam vor allem von städtischen Entsorgern, die mit Biogas- oder Müllverbrennungsanlagen Strom erzeugen, den sie für die Produktion von Wasserstoff mittels Elektrolyse verwenden können“, erklärt Burkard Oppmann, der seit 25 Jahren bei Faun beschäftigt ist. Der Gedanke dahinter sei, dass im Sinne einer geschlossenen Kreislaufwirtschaft der abtransportierte biogene Müllanteil den Treibstoff für die nächsten 100 % emissionsfreien Touren liefert. Ein Anliegen, an dem die Faun Gruppe bereits seit 2006 arbeitet. Zudem ist bei der Abfallsammlung eine hohe Nutzlast der Fahrzeuge essentiell. Diese kann mit reinen Batterie LKWs nicht in dem Maße erreicht werden.

Burkard Oppmann ist als Geschäftsführer/CSO Germany für den Vertrieb, After Sales und Faun Services in Deutschland verantwortlich. Darüber hinaus ist er Vize-Präsident des Verbandes der Arbeitsgeräte- und Kommunalfahrzeug-Industrie (VAK), der einer der ideellen Träger der Messe Ifat ist. | Foto: B_I/es
Burkard Oppmann ist als Geschäftsführer/CSO Germany für den Vertrieb, After Sales und Faun Services in Deutschland verantwortlich. Darüber hinaus ist er Vize-Präsident des Verbandes der Arbeitsgeräte- und Kommunalfahrzeug-Industrie (VAK), der einer der ideellen Träger der Messe Ifat ist. | Foto: B_I/es

Von Hybridkonzepten bis zur Null-Emission-Variante

Begonnen hat Faun mit dem diesel-elektrischen Sammelfahrzeug „Rotopress Dualpower“, bei dem Bremsenergie zurückgewonnen (Rekuperation) und so jeweils der Kraftstoffverbrauch und die CO2-Emissisonen um 33 % reduziert werden. Dieses Hybridkonzept hat sich als praxistauglich erwiesen und war Ansporn für das Team der international tätigen Gruppe, weiter an der Effizienzschraube zu drehen.

Der nächste Schritt sollte der Einsatz von Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis sein. Mit rund 800.000 Euro förderte das BMVI im Rahmen des NIP ein Fahrzeug, das Faun zusammen mit der Firma Heliocentris Energiesysteme entwickelte. Das weltweit erste Wasserstoff-Brennstoffzellen-Müllfahrzeug ging schließlich 2011 bei der Berliner Stadtreinigung in Betrieb. Anstelle einer Lithium-Ionen-Batterie kam für den Antrieb des Sammelaufbaus (Faun) und des Lifters jetzt erstmals elektrische Energie aus einer Brennstoffzelle; der Dieselmotor wurde nur noch für das Fahren benötigt. Premiere feierte Faun mit seinem komplett emissionsfreien „Bluepower“-Konzept dann 2018 auf der Messe Ifat. Heißt, Faun hat den Dieselmotor durch einen Elektromotor ersetzt und die Brennstoffzellen-Technik auf den Fahrantrieb ausgeweitet: Die Brennstoffzellen-Module dienen nun als Reichweitenverlängerer (Range-Extender) indem sie durch Zuleitung von Wasserstoff Strom erzeugen. Der so an Bord erzeugte Strom wird verteilt. Zusätzlich nehmen die Batteriemodule die Rekuperationsenergie auf. So werden sowohl das Fahrgestell also auch die E-Aufbauten elektrisch angetrieben und gebremst.

Möglich wurde die Entwicklung erst durch ein Mercedes-Benz-Econic-Fahrgestell: Die Daimler Marke ist derzeit die einzige Firma, die sich bereit erklärt hat, für diese Nische mit ihren speziellen Anforderungen einen Fahrgestell-Rohling bzw. Gleiter auszuliefern, was Faun z. B. den aufwändigen Ausbau des Motorblocks etc. erspart. Nur zwei Jahre später, im August dieses Jahres, ist ein wasserstoffbetriebenes Fahrzeug bei der Abfalllogistik Bremen im Einsatz: „Bundesweit haben wir zurzeit ein Testfahrzeug im Einsatz und bauen am Stammsitz in Osterholz-Scharmbeck derzeit 20 Bluepower-Fahrzeuge, die bis Ende 2020/Anfang 2021 ausgeliefert werden“, sagt Oppmann. Noch seien die Kosten für diese Art von Fahrzeugen rund dreimal so teuer wie Dieselfahrzeuge. Durch eine entsprechende Förderung im Rahmen der „Nationalen Wasserstoffstrategie“ könnten aber 90 % der Mehrkosten wettgemacht werden. Zu Buche schlagen laut Oppmann vor allem die Komponenten Brennstoffzelle und die Wasserstofftanks.

Die Komponenten der Bluepower-Technik. | Abb.: Faun
Die Komponenten der Bluepower-Technik. | Abb.: Faun

„Bluepower“-Technik im Detail

Die „Bluepower“-Technik wird am Faun Stammsitz in Osterholz-Scharmbeck produziert. Hier werden sowohl für die Sammelfahrzeuge als auch für die Kehrmaschinen die Econic-Gleiter mit dem „Bluepower“-Antrieb ausgestattet.

Bei den Sammelfahrzeugen ist das Besondere, dass die Technologie auf den jeweiligen Bedarf angepasst werden kann. Das Fahrzeug kann maximal mit drei Brennstoffzellen-Modulen à 30 kW und mit bis zu vier Tanks à 4,2 kg Wasserstoff bestückt werden. Mit dieser Maximalausstattung von 90 kW und 16,8 kg H2 können laut Oppmann an einem Tag zwei Touren mit 10 t Sammelgut gefahren werden. Ohne Stop-and-go und Ladevorgänge läge die Reichweite bei bis zu 400 km.

„In der Praxis hat sich anhand unserer Messungen aber gezeigt, dass bei rund 75 % der Kommunen der Antrieb mit nur einem Brennstoffzellen-Modul ausreichend ist, was sich natürlich positiv auf die Kosten auswirkt“, so Oppmann.

Bei den Viajet Kehrmaschinen, die in Grimma von der Faun Tochter Faun Viatec gefertigt werden, wird die Vollausstattung benötigt, da die viel Power laut Oppmann für die Saugturbine nötig ist. Da der Markthochlauf durch die Bundesregierung unterstützt wird und Faun selbst an seinen Entwicklungen weiter feilt, geht Oppmann davon aus, dass die höheren Anschaffungskosten sukzessive reduziert werden – dazu brauche es höhere Stückzahlen. Derzeit bietet Faun den „Bluepower“-Antrieb für die Viajet Kehrmaschinen der City- und Varioklasse an: Die Viajet 5 (Aufbauvolumen 5 m3) und die Viajet 6.

Die Kosten für die Betankung von Wasserstoff ist an allen öffentlichen H2-Tankstellen in Deutschland mit 9,50 Euro/kg inkl. MwSt. veranschlagt und laut Oppmann dem Dieselpreis angeglichen. „Im Vergleich zum Dieselantrieb, bei dem auf 1 l Kraftstoff ein CO2-Ausstoß von 2,65 kg berechnet würde, hat das Bluepower-Konzept die Nase vorn: Der Wasserstoffantrieb ist CO2- und Nox-frei und deutlicher leiser“, betont der CSO Deutschland. Dazu käme, dass Wasserstoff in wenigen Minuten getankt werden könne. Den flächendeckenden H2-Tankstellen-Ausbau in Deutschland treibt H2 Mobility, ein Industrie-Joint Venture, voran. Für den Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur erhält sie im Rahmen NIP-Programms sowie im Projekt Hydrogen Mobility Europe der EU Kommission Fördermittel. Wasserstoff-Pkw, die mit 700 bar und einem Bedarf von 4 kg auftanken, können aktuell bundesweit 87 Stationen anfahren.

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Bei seinen Bluepower-Fahrzeugen nutzt Faun auch die 700 bar-Technologie, nur ist die Druckstufe allein nicht entscheidend. Denn im Gegensatz zu H2-Pkw muss das Faun Fahrzeug doppelt bis dreimal mehr Menge an Wasserstoff auftanken. Für Nutzfahrzeuge, die teilweise auch mit 350 bar auftanken, gibt es bis dato nur wenige Stationen. Faun führt deshalb Betankungstests durch und lotet – auch zusammen mit H2 Mobility – die notwendigen Technologien aus, um zu gewährleisten, dass die Bluepower-Fahrzeuge auch allzeit einsatzbereit sind. Die Entwicklungsarbeit und Optimierung des Konzepts will Faun fortsetzen und den Markthochlauf in dieser Nische weiter befeuern – obwohl das niedersächsische Unternehmen kein klassischer Fahrzeugbauer ist.

Mercedes Benz liefert den Econic-Gleiter: In Osterholz-Scharmbeck bereitet Faun das Fahrgestell, losgelöst von der klassischen Aufbauten-Herstellung, für den vollelektrischen Antrieb vor. Als nächsten Schritt ist für Faun vorstellbar, dass der Bluepower-Antriebsstrang auch in Fahrgestellen anderer namhafter Hersteller verbaut wird. | Foto: B_I/es
Mercedes Benz liefert den Econic-Gleiter: In Osterholz-Scharmbeck bereitet Faun das Fahrgestell, losgelöst von der klassischen Aufbauten-Herstellung, für den vollelektrischen Antrieb vor. Als nächsten Schritt ist für Faun vorstellbar, dass der Bluepower-Antriebsstrang auch in Fahrgestellen anderer namhafter Hersteller verbaut wird. | Foto: B_I/es

Faun Gruppe

Die Faun Gruppe beschäftigt weltweit 2.000 Mitarbeiter und unterhält elf Werke in sieben Ländern. Stammsitz ist das Werk in Osterholz-Scharmbeck mit 600 Beschäftigten. Allein hier werden pro Jahr 1600 Sammelfahrzeige gefertigt. Im sächsischen Grimma ist die Fertigung der Kehrmaschinen angesiedelt. Pro Jahr verlassen hier 250-300 Fahrzeuge das Werk. Faun ist Teil der Kirchhoff Ecotec, der Umweltsparte der weltweit agierenden Kirchhoff Gruppe, die 60 Werke in 21 Ländern unterhält und in den Geschäftsbereichen Automotive, Werkzeuge, Fahrzeugumbauten und Kommunaltechnik aktiv ist. Zur Ecotec-Sparte zählen neben Faun, die Marken Zoeller (Deutschland), Hirdro-Mak (Türkei), Superior Pak (Australien) und Farid (Italien), die allesamt auf Entsorgungslösungen und Straßenreinigungstechnologien spezialisiert sind.

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