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Pilotprojekt für mehr Natur

Straßenbegleitgrün ist von essenzieller Bedeutung, da es nicht nur die Umwelt verbessert, sondern auch die Lebensqualität der Anwohner erhöht. Bernd Hinrichs, Chefredakteur B_I galabau, sprach mit Matthias Werner, Fachbereichsleiter Management Kompensationsflächen, Umwelt beim Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV.SH) über Pflege und Anlage von Straßenbegleitgrün sowie über ein aktuelles Pilotprojekt.

Exlusiv im Interview: Landesbetrieb zum Straßenbegleitgrün - Worauf kommt es an?
Matthias Werner: "Mit der Ratifizierung der Berner Konvention hat Deutschland sich verpflichtet, die einheimischen Pflanzen- und Tierarten und ihre Lebensräume zu schützen" | Foto: LBV.SH

Herr Werner, was denken Sie, wenn Sie mit dem Auto unterwegs sind und das Straßenbegleitgrün sehen?

Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, denke ich sofort an die aktuellen Naturschutzdebatten. Die Begriffe Insektensterben, Bestäuberkrise, Blütenarmut und ausgeräumte Landschaften prägten die Diskussionen in den letzten Jahren. Es wird zunehmend deutlich, wie sich die Monotonisierung der Natur auf die Landschaft auswirkt. Sowohl in der freien Natur als auch im städtischen Raum beklagt man seit Jahren eine zunehmende Artenverarmung, oft bedingt durch kostengünstige Pflegepraktiken. Ein weiteres Problem ist die Florenverfälschung, die durch das Anpflanzen oder Ansäen nicht heimischer Pflanzen über viele Jahre hinweg praktiziert wurde und zum Teil immer noch praktiziert wird.

Welche gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Pflege und Anlage von Straßenbegleitgrün gibt es?

Die Anlage und Erhaltung von Straßenbegleitgrün unterliegt verschiedenen rechtlichen Vorgaben. Mit der Ratifizierung der Berner Konvention hat Deutschland sich verpflichtet, die einheimischen Pflanzen- und Tierarten und ihre Lebensräume zu schützen – das war bereits 1979. Das Bundesnaturschutzgesetz regelt in § 40, dass seit März 2020 das Ausbringen von Pflanzen, die in einem bestimmten Gebiet seit mehr als 100 Jahren nicht vorkommen, der Genehmigung bedarf. Hinzu kommt, dass nach Paragraph 18a des Straßen- und Wegegesetzes Schleswig-Holsteins das Straßenbegleitgrün so angelegt und unterhalten werden muss, dass es sich naturnah entwickeln kann und Teil des Biotopverbundsystems ist. Ähnliche Verordnungen gibt es auch in den anderen Bundesländern.

Matthias Werner: "Im Pilotprojekt „Biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün“ streben wir an, Strategien für die Gestaltung und Pflege artenreicher Rasenflächen zu entwickeln." | Foto: LBV.SH
Matthias Werner: "Im Pilotprojekt „Biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün“ streben wir an, Strategien für die Gestaltung und Pflege artenreicher Rasenflächen zu entwickeln." | Foto: LBV.SH

Wie sieht die Pflege von Straßenbegleitgrün konkret aus?

Die Pflege von Straßenbegleitgrün variiert je nach Flächenfunktion und ökologischen Aspekten. Der Intensivbereich umfasst die Rasenflächen, die aus Gründen der Verkehrssicherheit, des Wasserabflusses oder des Erholungsbedarfs niedrig und dicht zu halten und daher regelmäßiger und häufiger zu mähen sind. Hierzu zählen Bankette, Trenn- und Mittelstreifen, die meisten Mulden und Gräben, Sichtflächen und Erholungsflächen auf Rast- und Parkplätzen.

Der Extensivbereich umfasst alle anderen Rasenflächen, z.B. breite Seiten- und Trennstreifen, Böschungen und Innenflächen in Anschlussstellen sowie nicht im Intensivbereich liegende Entwässerungsanlagen. Hier können ökologische Ziele in den Vordergrund treten. Die Flächen sind nur dann zu mähen, wenn es aus Gründen der Landschaftspflege, der Ingenieurbiologie oder der Bestandssicherung erforderlich ist. Die Pflege hält die Flächen offen und verhindert ein Verbuschen. Artenreiche Flächen entstehen durch ein- bis zweimaliges Mähen mit Abfuhr des Mähguts. Der erste Schnitt erfolgt in der Hauptblüte der Gräser, üblicherweise von Mitte Juni bis Anfang Juli. Eine spätere Mahd würde zu einer Artenverschiebung zugunsten der konkurrenzstarken Gräser führen, die für die Insekten wichtigen Blütenpflanzen würden unterdrückt. Der zweite Schnitt erfolgt gegebenenfalls im Hoch- bis Spätsommer, etwa von Mitte August bis Anfang September.
Die Mahd mit Abfuhr fördert blütenreiche Landschaften, da der Boden nährstoffärmer wird.
Beim Mähen von Extensivbereichen sollen etwa zehn bis 15 Prozent der Rasenflächen an jährlich wechselnden Stellen ausgespart werden. Hierdurch entstehen sogenannte Altgrasbestände. Diese dienen als Rückzugsorte für Tiere, insbesondere Insekten benötigen sie zum Überwintern. Auf breiteren Straßenbegleitgrünflächen können ganze Altgrasstreifen parallel zur Fahrbahn stehengelassen werden, auch hier erfolgt die Mahd im jährlichen Wechsel. .
Eine Mahd der Extensivbereiche ist idealerweise mit Balkenmähern bei einer Schnitthöhe von mindestens zehn Zentimetern durchzuführen. Dies reduziert die Verluste bodennaher Fauna und vermeidet Bodenverletzungen.

Für mehr Bienen- und Insektenschutz hat der LBV.SH im Sommer ein Pilot-Projekt für mehr Schutz der Biodiversität gestartet.

Neu entwickeltes Mähgerät des Landesbetriebes. | Foto: LBV.SH
Neu entwickeltes Mähgerät des Landesbetriebes. | Foto: LBV.SH

Worum geht es bei dem Pilotprojekt?

Der Landesbetrieb beteiligt sich aktiv an der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie des Landes. Im Pilotprojekt „Biodiversitätsfreundliches Straßenbegleitgrün“ streben wir an, Strategien für die Gestaltung und Pflege artenreicher Rasenflächen zu entwickeln. Damit möchten wir einen bedeutenden Beitrag zur Förderung und Sicherung der biologischen Vielfalt entlang der Straßen in Schleswig-Holstein leisten. Ein Schlüsselaspekt dieses Engagements ist der Einsatz eines neuen, insektenfreundlichen Mähgeräts. Mit dieser technologischen Innovation soll die Pflege artenreicher Rasenflächen optimiert werden.

Nachgefragt: Was sind die konkreten Ziele?

Ziel ist die exemplarische Erprobung der fachgerechten Anlage und Pflege artenreicher Straßenbegleitgrünflächen im Straßenmeistereibezirk Westerrönfeld. Hierfür erfolgt auf ausgewählten Flächen des Extensivbereichs eine auf die örtlichen Bedingungen abgestimmte Nachsaat mit Regiosaatgut, also mit gebietsheimischen Gräsern und Kräutern. Um diese Flächen artenreich zu erhalten werden Pflegekonzepte erarbeitet und erprobt.

Der Einsatz naturschonender Mähgeräte führt zu einem anderen Mähbild, da das Gras länger und unregelmäßiger geschnitten ist. Dies ist beabsichtigt und nicht auf Mähfehler oder Geräteprobleme zurückzuführen.

Das oben angesprochene Mähgerät unterscheidet sich von herkömmlichen Schlegelmähern, die das Gras zerschlagen und eine Mulch erzeugen. Der Mähkopf verfügt über ein Doppelmessermähwerk, das das Grün abschneidet statt es zu mulchen. Das Mähgut wird anschließend in einem Arbeitsgang naturschonend aufgenommen und abtransportiert. Die offene Bauweise des Mähkopfs ermöglicht Insekten die Flucht und lässt Saatgut herausfallen.

Stichwort anderes Schnittbild: Wie wichtig ist es, die Anwohner bei solchen Projekten mitzunehmen?

Die Einbindung der Anwohner bei neuen Pflegemethoden von Straßenbegleitgrün ist von großer Bedeutung. Da öffentliches Grün verstärkt im Fokus der Öffentlichkeit steht, ist die Akzeptanz für hochwüchsige, artenreiche Rasenflächen oder Altgrasinseln entscheidend. Es besteht die Gefahr, dass solche Maßnahmen von Bürgern als unterlassene Pflege wahrgenommen werden. Daher ist eine offensive begleitende Öffentlichkeitsarbeit wichtig, die Pflegegrundsätze und –ziele erläutert. Dies fördert das Verständnis für die Pflegemethoden, steigert die Akzeptanz und trägt zu einem erfolgreichen Umsetzen neuer Ansätze im Straßenbegleitgrün bei.

Gedeiht die grüne Branche?

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Herr Werner, ich danke für das Gespräch

Wer mehr über das Thema Straßenbegleitgrün wissen will, wird auf der Seite des Landesbetriebes fündig. Die Handreichung zur Anlage und Pflege artenreicher Grünflächen an Straßen, Wegen und Plätzen richtet sich an Straßenmeistereien, an Grünflächenplaner bei Kommunen und an all jene, die sich für das Potenzial der Begleitgrünflächen interessieren


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