Baugenehmigung im Fokus: Warum der Bau-Turbo allein nicht reicht
Die Bundesregierung will mit dem „Bau-Turbo“ Genehmigungen beschleunigen. Doch die eigentlichen Probleme liegen tiefer: hohe Baukosten, überlastete Bauämter, Fachkräftemangel und Nachbarschaftsklagen. Das führt dazu, dass tausende Genehmigungen ungenutzt verfallen – mit gravierenden Folgen für den Wohnungsbau.


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Mit dem sogenannten „Bau-Turbo“ hat die Bundesregierung ein Instrument auf den Weg gebracht, das Bauherrinnen und Bauherren die Realisierung von Projekten erleichtern soll. Kernpunkte sind unter anderem die Möglichkeit, Wohnbauten auch ohne bestehenden Bebauungsplan zu genehmigen, vereinfachte Nachverdichtungen sowie eine leichtere Zulassung von Vorhaben im Außenbereich. Die Bundesbauministerin kündigte an, dass sich dadurch die durchschnittliche Planungsdauer von mehreren Jahren auf wenige Monate verkürzen lasse.
Genehmigungen gibt es – gebaut wird trotzdem nicht
Die zentrale Frage bleibt jedoch: Wird an der richtigen Stellschraube gedreht? Anfang 2024 wandten sich sowohl die Bundesarchitektenkammer als auch der Bund Deutscher Architektinnen und Architekten gemeinsam mit Umwelt- und Sozialverbänden gegen das Projekt. Ihr Argument: Der Einbruch bei den Fertigstellungen sei nicht auf übermäßig strenge Baugesetze zurückzuführen. Schon zu diesem Zeitpunkt lagen bundesweit Genehmigungen für rund 900.000 Wohnungen vor, die nicht umgesetzt wurden. Problematisch ist also weniger die Zahl der erteilten Genehmigungen, sondern deren unzureichende Nutzung.
Besonders deutlich zeigt sich dieser Widerspruch in Berlin. Dort wurden 2023 über 21.000 Wohnungen genehmigt, von denen ein erheblicher Teil bislang ungebaut blieb. Die Ursachen reichen von wirtschaftlichen Schwierigkeiten über organisatorische Engpässe bis hin zu Konflikten mit Anwohnerinnen und Anwohnern.

Baukosten als zentrale Hürde
Ein wesentliches Hemmnis sind die stetig steigenden Baukosten. Während sich der bundesweite Durchschnitt laut den Landesbausparkassen 2024 bei etwa 3.029 Euro pro Quadratmeter bewegte, lag Berlin mit knapp 3.250 Euro pro Quadratmeter spürbar darüber. Ursache sind nicht nur höhere Material- und Energiepreise, sondern auch tarifliche Anpassungen im Handwerk und wachsende Anforderungen an nachhaltige Bauweisen.
Vorgaben wie die Pflicht zur Installation von Solaranlagen oder verschärfte Energiestandards sind ökologisch geboten, erhöhen jedoch die finanzielle Belastung. Zusammen mit gestiegenen Kreditzinsen geraten vor allem private Bauträger und mittelständische Projektentwickler unter Druck. Zwar existieren Förderprogramme wie die „Wohnungsbauoffensive Berlin“, doch deren bürokratische Antragsverfahren verlängern den Weg von der Genehmigung zum tatsächlichen Baustart erheblich.
Langsame Bauämter und Fachkräftemangel
Neben der Finanzierung bremst auch die Verwaltung. Obwohl das Baugesetzbuch bundesweit einheitlich gilt, scheint Berlin besonders träge: Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft vergehen dort im Schnitt mehr als acht Monate, bis ein Bauantrag entschieden ist – ein Spitzenwert im negativen Sinne.
Gleichzeitig leiden die Bauunternehmen selbst unter einem eklatanten Personalmangel. In einer Befragung der Industrie- und Handelskammer gaben 2024 mehr als die Hälfte der Unternehmen an, offene Stellen kaum besetzen zu können; im Tiefbau meldeten sogar 61 % Engpässe. Zwar steigt die Zahl der Aufträge, doch die Kapazitäten zur Bearbeitung fehlen. Die Folge sind Verzögerungen, Stillstände auf Baustellen und steigende Zusatzkosten. Fällt ein Unternehmen aus der Zeitplanung, können ganze Projekte ins Wanken geraten. Höhere Preise für kurzfristig beauftragte Nachunternehmer und beträchtliche Zusatzrisiken für die Auftraggeber fallen zusätzlich an.
„2024 erloschen bundesweit rund 29.000 Baugenehmigungen – der höchste Wert seit 2002.“ - Friedrich Geschwinder
Nachbarschaftsklagen bremsen Projekte aus
Ein weiteres Hindernis sind Auseinandersetzungen mit Nachbarn. Viele Kommunen setzen seit Jahren auf Nachverdichtung, um Flächen effizienter zu nutzen. Doch größere Neubauten stoßen nicht immer auf Akzeptanz, besonders in Gegenden, die bislang durch Einfamilienhäuser geprägt sind. Typische Einwände reichen von verschatteten Gärten über erhöhtes Verkehrsaufkommen bis zu Befürchtungen, der Grundstückswert könne sinken.
Die Erfahrung von Koenen Bauanwälte zeigt: Ein erheblicher Anteil der Verfahren im öffentlichen Baurecht dreht sich um Nachbarklagen. Der Rechtsweg sieht zunächst einen Widerspruch bei der Genehmigungsbehörde vor, deren Entscheidung wiederum mehrere Monate beanspruchen kann, häufig zwischen sechs und zwölf. Lehnt die Behörde den Widerspruch ab, bleibt der Klageweg. Verwaltungsgerichte benötigen dafür nicht selten mehr als ein Jahr; laut Geschäftsbericht des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg lag die durchschnittliche Dauer allgemeiner Klageverfahren 2023 bei 17 Monaten.
Hinzu kommt, dass Nachbarn beantragen können, die Baugenehmigung bis zum Abschluss des Rechtsstreits auszusetzen. Über den Eilantrag wird zwar schneller entschieden, das Hauptverfahren läuft jedoch parallel weiter. Für Bauherren bedeutet dies ein erhebliches Risiko. Wer trotz anhängiger Verfahren mit dem Bau beginnt, investiert in eine Genehmigung, die später noch aufgehoben werden könnte.
Verfallende Genehmigungen als wachsendes Problem
All diese Faktoren führen dazu, dass viele Baugenehmigungen ungenutzt verfallen. Rechtlich gilt: Wird innerhalb von drei Jahren nach Erteilung nicht gebaut, verliert die Genehmigung ihre Gültigkeit. 2024 erloschen laut Statistischem Bundesamt bundesweit rund 29.000 Genehmigungen – der höchste Wert seit 2002. In Berlin allein waren es 3.200.
Der Bau-Turbo kann zwar bestimmte Prozesse verkürzen, beseitigt aber nicht die strukturellen Hürden. Damit die ambitionierten Neubauziele der Hauptstadt erreichbar bleiben, braucht es mehr als nur neue Paragrafen. Entscheidend sind digitalisierte und personell aufgestockte Bauämter, transparente und einfachere Förderstrukturen sowie eine aktive Informationspolitik in Quartieren, in denen Nachverdichtung geplant ist. Nur so lässt sich das Vertrauen der Bevölkerung gewinnen und die praktische Umsetzung beschleunigen.
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Mehr als Paragrafen: Was wirklich gebraucht wird
Die Erteilung einer Baugenehmigung markiert lediglich den ersten Schritt in einem langen Prozess. Bis ein Projekt tatsächlich realisiert wird, müssen Bauherren Finanzierung, Bauunternehmen und Nachbarschaftseinwände in Einklang bringen, und zwar innerhalb enger Fristen. Ohne eine Verbesserung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, eine Entlastung der Verwaltung und eine frühzeitige Kommunikation mit der Nachbarschaft droht die Zahl ungenutzter Genehmigungen weiter anzuwachsen.
Über den Autor
Friedrich Geschwinder studierte als gebürtiger Hannoveraner Rechtswissenschaften an der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover. Im Rahmen seines Referendariats beim Oberlandesgericht Celle absolvierte er unter anderem eine Station in der Liegenschaftsabteilung der Klosterkammer Hannover. Seit 2024 unterstützt Rechtsanwalt Friedrich Geschwinder das Team von Koenen Bauanwälte am Standort Hannover und ist hier vorwiegend im Bereich des öffentlichen Baurechts tätig.
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