Optische Mängel
Welche Möglichkeiten hat ein Bauunternehmer, wenn der Bauherr optische Fehler rügt und Mängelansprüche geltend macht? Unser Experte erklärt die Sachlage und gibt wichtige Hinweise zur Gewährleistung und Mängelberechnung.
Das Mischen wird digital
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Bauen ist zu großen Teilen immer noch Handarbeit. Und da kommt es nun einmal vor, dass die ausgeführte Leistung kleine Unregelmäßigkeiten hat. So wird beispielsweise kein Verputzer jemals die vollkommene Gleichmäßigkeit erreichen, wie sie z.B. ein frisch lackiertes Auto hat. Das liegt am Material und dessen Aufbringung, an der Größe der Fläche, am Untergrund und natürlich auch daran, dass bei „günstigem“ Lichteinfall auch die kleinsten Unebenheiten lange und bedrohliche Schatten über die frisch geputzte Wand werfen.
Welche Möglichkeit hat ein Bauunternehmer, wenn der Bauherr solche optischen Fehler rügt und Mängelansprüche geltend macht? Muss er die gesamte Leistung neu ausführen? Muss er „nur“ eine Kürzung des Werklohnes hinnehmen?
Wann liegt ein Gewährleistungsfall vor?
Welche Rechte hat der Bauherr bei Mängeln?
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Die Zielbaummethode bei Putzarbeiten
Putz soll nicht nur das Mauerwerk schützen, er ist zugleich wesentlich für eine ansprechende Fassadengestaltung. Er dient also zwei unterschiedlichen Zwecken, wobei vorrangig wichtig der Schutz des Mauerwerkes ist. Auch im Hinblick auf den regelmäßig notwendigen Anstrich ist demgegenüber seine zweite Funktion, nämlich die Gestaltung der Fassade, vergleichsweise weniger wichtig. Die Zielbaummethode berücksichtigt diese zwei mit dem Putz verfolgten Zwecke und trennt bei der Betrachtung, welchen Wert eine ausgeführte Putzleistung hat, zwischen Gebrauchswert und Geltungswert. Diese beiden Faktoren wiederum werden in mehrere Anforderungsbereiche unterteilt. So sind beim Gebrauchswert z.B. Witterungsschutz und Haltbarkeit zu berücksichtigen. Beim Geltungswert sind Farbe, Anschlüsse und Gleichmäßigkeit der Oberfläche zu betrachten. Der Wert der Leistung von insgesamt 100 % könnte sich beispielsweise wie folgt aufteilen:
Nun gilt es nur noch zu ermitteln, welche Anforderungsbereiche von dem Mangel betroffen sind. Ist der Putz beispielsweise technisch völlig einwandfrei, ist der Gebrauchswert nicht gemindert. Die dafür festgesetzten 75 % erhält der Bauunternehmer also auf jeden Fall. Es bleibt eine Minderung des Geltungswertes über. Sind z.B. die Anschlüsse unschön und die Oberfläche jenseits des Zulässigen uneben, sind nur die auf diese Bereiche entfallenden Wertanteile zu reduzieren. Wenn also der ausgeführte Putz im Bereich Anschlüsse und Oberflächengestaltung völlig mangelhaft ist, müssen die hierauf entfallenden Wertanteile gekürzt werden. Im Beispiel könnten diese Anteile bis auf Null reduziert sein. Damit wäre also der Gebrauchswert in voller Höhe entstanden, beim Geltungswert nur der auf die Farbe entfallende Teil. Die Leistung wäre also wertmäßig zu 75 % erbracht. Der vereinbarte Werklohn wäre also um 25 % zu mindern.
Je nach geschuldeter Leistung können sich die Anteile von Gebrauchs- und Geltungswert verändern. So werden z.B. Stuckelemente sicherlich kaum einen Gebrauchswert haben, maßgeblich dürfte hier der Geltungswert sein. Die Fugenmaße von Fliesen im Eingangsbereich eines hochwertigen Bürogebäudes sind anders zu bewerten als im Heizungskeller. Bei Leistungen, die später verdeckt werden, dürfte hingegen der Geltungswert gegen Null laufen. Ob zwei Rohre zwar dicht, aber nur mehr oder weniger schön miteinander verbunden sind, ist normalerweise für den Bauherren uninteressant. Bei verdeckten Rohren ist also kein Geltungswert anzusetzen, dafür sind beim Gebrauchswert verschiedene Kriterien zu berücksichtigen und zu gewichten.
Wann ist die Wiederherstellung unverhältnismäßig?
Diese Art der Wertermittlung kann auch dann angewendet werden, wenn es um die Frage geht, ob der Bauherr die Neuherstellung fordern kann oder nicht. Der Bauunternehmer darf die Neuherstellung nur dann verweigern, wenn sie unverhältnismäßig ist. Darauf wurde oben schon hingewiesen. Wann ist die Neuherstellung unverhältnismäßig? Auch dies hängt davon ab, inwieweit die ausgeführte Leistung mangelhaft ist und welches Verhältnis zwischen dem Umfang des Mangels und den Wiederherstellungskosten besteht. Immer dann, wenn die Kosten der Neuausführung in keinem Verhältnis zu der Wertminderung stehen, muss der Bauunternehmer den Mangel nicht beseitigen. Um den Umfang des Mangels festzustellen, bietet es sich an, die durch den Mangel verursachte Wertminderung zu ermitteln. Diese Wertminderung kann man dann mit den Wiederherstellungskosten vergleichen. Nimmt man wieder das oben genannte Beispiel mit dem Putz, ist schnell einsichtig, dass eine Neuherstellung unverhältnismäßig wäre. Einer Wertminderung von 25 % stehen Wiederherstellungskosten gegenüber, die mit den Kosten für das Abschlagen des aufgebrachten Putzes den vollen Werklohn übersteigen würden.
Natürlich hängt das Ergebnis dieser Betrachtung stark von der Bewertung des Sachverständigen ab. Welche wertbildenden Faktoren der Gutachter berücksichtigt, welche Wertanteile er den einzelnen Faktoren zubilligt und – vor allem – wie er die jeweilige Wertminderung ermittelt, hängt nach wie vor vom einzelnen Gutachter ab.
Fazit
Behauptet der Auftraggeber einen „optischen Mangel“, prüfen Sie Vertrag, den geschuldeten Standard und die zulässigen Toleranzen. Sind die Toleranzen nicht eingehalten, ist eine Neuherstellung dennoch meist unverhältnismäßig. Der Auftraggeber darf allerdings in dem Maße mindern, wie der „Geltungswert“ der Leistung beeinträchtigt ist.
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Dieser Artikel ist zuerst erschienen im B_I baumagazin 3+4/2012.
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