Zulassung und Wertung von Nebenangeboten
Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes haben sich die Rahmenbedingungen für den Umgang mit Nebenangeboten erheblich verändert. Will ein Auftraggeber im Oberschwellenbereich Nebenangebote zulassen, muss er zwingend Mindestanforderungen formulieren.
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Nebenangebote sind ein gutes Mittel für Auftragnehmer und Bieter, um beiden Beteiligten in Vergabeverfahren zu einem möglichst guten Ergebnis zu verhelfen. In Nebenangeboten wird vom Bieter die beauftragte Leistung angeboten, aber mit Abweichungen von den Vorgaben des Auftraggebers. Dies ermöglicht es Unternehmen, ihre Innovation und die durch Erfahrung gewonnenen Verbesserungsvorschläge in das Vergabeverfahren einzubringen. Der Auftraggeber profitiert hiervon, weil er eine optimierte Leistung erhält, die er selber so im Vorhinein nicht erkannt hatte.
Natürlich muss auch bei Nebenangeboten verhindert werden, dass es Wettbewerbsverzerrungen zulasten bestimmter Bieter gibt. Nur wenn alle Bieter die gleichen Möglichkeiten und Chancen haben, ist der faire Wettbewerb gewahrt. Wichtigster Baustein hierfür ist die gleiche Informationslage für alle Bieter. Außerdem darf Auftraggebern nicht eine von ihnen überhaupt nicht erwünschte schlechtere oder sonst nachteilhafte Leistung aufgezwungen werden. Daher müssen sie schon im Eigeninteresse klare Regeln vorgeben.
Dies ist ein Spagat, den das Vergaberecht in vorhersehbarer und für beide Seiten steuerbarer Weise regeln muss. Durch eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes haben sich die Rahmenbedingungen für den Umgang mit Nebenangeboten jedoch erheblich verändert (BGH, Beschl. v. 07.01.2014 – X ZB 15/13). Leider sind aber nicht alle Fragen endgültig geklärt.
Auftrag oberhalb des EU-Schwellenwerts
In seiner Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof zwei Fragen zu klären gehabt. Die eine Frage betraf die Wertung von Angeboten, wenn der Auftraggeber eigentlich nur den Preis bei seiner Auswahl berücksichtigen will. Bei der anderen Frage ging es um die Möglichkeit einer sogenannten Gleichwertigkeitsprüfung, also den Vergleich der ursprünglich gewünschten mit der im Nebenangebot enthaltenen Leistung. Eine Besonderheit des Falles ist, dass es um einen Auftrag mit einem Auftragswert oberhalb der sogenannten EU-Schwellenwerte ging. Dieser Schwellenwert liegt derzeit bei 5,186 Millionen Euro. Ist dieser Schwellenwert überschritten, sind andere Vergaberegeln anzuwenden als bei kleineren Aufträgen. In der Praxis sind fast alle Aufträge unterhalb dieses Schwellenwertes, auch wenn bei der Wertermittlung das ganze Bauvorhaben einbezogen werden muss. Die BGH-Entscheidung ist für beide Arten von Aufträgen zu berücksichtigen.
Für diesen großen Auftrag hat der Bundesgerichtshof eine eindeutige Entscheidung getroffen. Er hat dem Auftraggeber aufgegeben, Nebenangebote nur zu berücksichtigen, wenn er außer dem Preis auch andere qualitative Wertungskriterien vorsieht. Nur so könne verhindert werden, dass dem Auftraggeber ein qualitativ geringwertigerer Vorschlag gemacht wird, den er wegen eines geringeren Preises nicht ablehnen könne. Eine Gleichwertigkeitsprüfung wurde dem Auftraggeber jedoch untersagt. Der Auftraggeber müsse durch Mindestanforderungen, die er den Bietern ausdrücklich mitteilt, und die qualitativen Zuschlagskriterien sicherstellen, dass er eine Leistung innerhalb des von ihm gewünschten Spielraumes erhält.
Mindestanforderungen nur bei EU-Vergabe
Bei den viel häufigeren Aufträgen unterhalb des EU-Schwellenwertes gibt es einen ganz erheblichen Unterschied zu solchen, die darüber liegen: Nur bei EU-Vergabe muss der Auftraggeber sogenannte Mindestanforderungen definieren. Da diese Mindestanforderungen aber eine tragende Rolle bei der Begründung des BGH haben, besteht die Unsicherheit, ob die Entscheidung auch auf den Unterschwellenbereich anwendbar ist.
Wettbewerb und Transparenz sind die wesentlichen Grundgedanken des Vergaberechts, auf die sich der Bundesgerichtshof wiederholt beruft. Diese gelten im Unterschwellenbereich genauso wie bei Aufträgen mit höheren Auftragswerten. Zumindest bei der Begründung, warum Auftraggeber qualitative Zuschlagskriterien vorgeben müssen, spielen diese Grundgedanken eine so zentrale Rolle, dass die Begründung des Bundesgerichtshofes auch für den Unterschwellenbereich maßgeblich sein muss. Wenn Sie sich an einer öffentlichen Ausschreibung beteiligen, sollten Sie also darauf achten, dass Nebenangebote vom Auftraggeber rechtmäßig nur gewertet werden dürfen, wenn neben dem Preis weitere Zuschlagskriterien angegeben sind. Erwartet der Auftraggeber Nebenangebote, sollten Sie durch eine Rüge auf rechtmäßige Zuschlagskriterien hinwirken.
Im Oberschwellenbereich gilt erst recht, dass diese Zuschlagskriterien auch aussagekräftig sein müssen. Sie müssen so ausgestaltet sein, dass sie tatsächlich Auswirkungen auf die Zuschlagsentscheidung haben können. Bei sog. pro-forma-Kriterien ist das nicht so, ein Beispiel sind ganz leicht zu erfüllende Anforderungen oder Selbstverständlichkeiten („Einhalten des vorgegebenen Zeitplanes“).
Gleichwertigkeitsprüfung im Unterschwellenbereich?
Die Frage ob eine Gleichwertigkeitsprüfung im Unterschwellenbereich weiterhin durchgeführt werden kann, ist nicht so einfach zu beantworten. Weil eine Pflicht zur Angabe von Mindestanforderungen nicht besteht, fehlt ein Rahmen zum Vergleich der Angebote. Andererseits wird die Gleichwertigkeitsprüfung ohne einen solchen Rahmen tatsächlich oft nicht zu vorhersehbaren Ergebnissen führen. Daher erscheint eine Gleichwertigkeitsprüfung zwar zulässig, Auftraggeber sollten jedoch im eigenen Interesse eine Art von Mindestanforderungen vorsehen, um den Rahmen vorzugeben, den Nebenangebote einhalten müssen.
Diese Vorgabe eines Rahmens dient beiden Seiten: Der Auftraggeber definiert die gewünschte Leistung und die möglichen Spielräume. Bieter wissen genau, was sie bei der Planung und Kalkulation eines Nebenangebotes mit Aussicht auf Erfolg vorsehen können und was nicht.
Eine Musterformulierung lässt sich im Vergabehandbuch des Bundes finden: „Soweit an Nebenangebote Mindestanforderungen gestellt sind, m üssen diese erfüllt werden; im Übrigen müssen sie im Vergleich zur Leistungsbeschreibung qualitativ und quantitativ gleichwertig sein. Die Erfüllung der Mindestanforderungen bzw. die Gleichwertigkeit ist mit Angebotsabgabe nachzuweisen.“
Der Auftraggeber hat jedoch einen großen Spielraum. Er kann auch angeben, was für Nebenangebote ausdrücklich erwünscht sind, welche nicht: „Nebenangebote mit einer Verkürzung der Bauzeit sind erwünscht. Wegen der begrenzten Zugangsmöglichkeiten dürfen auch für Nebenangebote benötigte, fertig anzuliefernde Bauteile und Materialien nicht mehr als 150 kg wiegen.“
Zulässigkeit von Nebenangeboten unterschiedlich
Für die Praxis ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die grundsätzliche Zulässigkeit von Nebenangeboten in den beiden Auftragsbereichen unterschiedlich ist. Bevor man also viel Mühe und Zeit in die Erstellung von Nebenangeboten steckt, sollte man auch diese Frage genau ansehen: Bei Aufträgen unterhalb der EU-Schwellenwerte (auch sog. nationale Vergaben) sind Nebenangebote immer zugelassen, außer der Auftraggeber sagt ausdrücklich das Gegenteil. Bei Aufträgen oberhalb der EU-Schwellenwerte ist es genau umgekehrt, bei diesen muss der Auftraggeber ausdrücklich Nebenangebote zulassen.
Will ein Auftraggeber im Oberschwellenbereich Nebenangebote zulassen, muss er zwingend Mindestanforderungen formulieren. Auch insoweit hat die BGH-Entscheidung Rechtssicherheit gebracht. Der BGH sagt ausdrücklich, dass Mindestanforderungen im Allgemeinen nicht alle Details der Ausführung erfassen müssen, sondern Spielraum für eine hinreichend große Variationsbreite lassen dürfen. Der Auftraggeber darf sich darauf beschränken, in allgemeiner Form den Standard und die wesentlichen Merkmale zu vermitteln, die eine mit dem Nebenangebot angebotene Leistung aufweisen muss. Dies gibt dem Auftraggeber also einen weiten Gestaltungsspielraum.
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Fazit
Ein klarer Rahmen für die Zulassung und Wertung von Nebenangeboten nutzt Bietern und Auftraggebern. Sie können nur gewertet werden, wenn der Auftraggeber neben dem Preis andere aussagekräftige Kriterien vorsieht. Eine Gleichwertigkeitsprüfung ist bei Unterschwellenvergaben weiterhin zulässig, sollte aber durch „Mindestanforderungen“ geleitet werden. Bei Oberschwellenvergaben sind die Klarstellungen des BGH zur Formulierung von Mindestanforderungen zu berücksichtigen.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen im B_I baumagazin 1/2015.
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