Schlichtung gescheitert – jetzt droht Streik am Bau
Die Schlichtung in den Entgelt-Tarifverhandlungen im Bauhauptgewerbe ist gescheitert. Die Tarifgemeinschaft der Bau-Arbeitgeber hat den Schlichterspruch abgelehnt. Ausschlaggebend dafür war das Nein aus dem Baugewerbe. Die IG Bau will jetzt in ganz Deutschland Baustellen massiv bestreiken. Die Bauindustrie reagiert enttäuscht und fordert weitere Gespräche.
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Die satzungsgemäß erforderliche Mehrheit sei in der Gremienabstimmung nicht erreicht worden, teilten der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Zentralverband des Deutschen (ZDB) Baugewerbes gemeinsam mit. Damit ist der Schlichterspruch abgelehnt. Die Ablehnung kam allerdings ausschließlich von Mitgliedsverbänden des ZDB. Dessen Vizepräsident und Verhandlungsführer der Arbeitgeber, Uwe Nostitz begründete das Nein der Tarifgemeinschaft damit, dass der „tendenziell sehr hohe“ Schlichterspruch die aktuellen Konjunkturfakten wie die negative Umsatzentwicklung und die Krise im Wohnungsbau verkenne.
Nostitz wirft Schlichter Rainer Schlegel Fehler vor
Zudem weise der Schlichterspruch von Prof. Rainer Schlegel „schwere Mängel“ auf, die einer Zustimmung entgegenstünden, so Nostitz. Als Fehler des Schlichters sehen die Bauverbände die Vorschläge zu den Ausbildungsvergütungen und zur Ost-West-Angleichung. Sie seien im Ergebnis „absurd“: So führe die einheitliche Festlegung der Ausbildungsvergütungen im ersten Ausbildungsjahr bei den technisch-kaufmännischen Vergütungen dazu, dass die Ausbildungsvergütung im zweiten Ausbildungsjahr unter der des ersten lieg. Das sei ein Verstoß gegen § 17 Absatz 1 Berufsbildungsgesetz, der für jedes Ausbildungsjahr steigende Ausbildungsvergütungen zwingend vorschreibe. „Dieser Fehler hätte vermieden werden können, wäre der Schlichter unserem Vorschlag, auch die Vergütung der übrigen Ausbildungsjahre zu erhöhen, gefolgt“, so Nostitz. Ebenso problematisch sieht er den Vorschlag für die Ost-West-Angleichung, der den Lohn in der Lohngruppe 1 im Osten ab 2025 höher ansiedelt als im Westen.
Beeke: Erhöhung um Festbetrag "unfair"
Auch die Lohnforderung in Form eines Festbetrages wollen die Bau-Arbeitgeber nicht mittragen. „In einigen Lohngruppen gab es durch den Festbetrag zu hohe, in anderen nur relativ geringe Erhöhungen“, so Jutta Beeke, alternierende Vorsitzende der Verhandlungskommission. „Das können wir als Arbeitgeber so nicht verantworten. Fair ist eine einheitlich prozentuale Erhöhung für alle.“ Zudem sei nicht nachvollziehbar, warum die Unternehmen auf die Möglichkeit der tarifliche Entgeltumwandlung verzichten sollten. Im Wettbewerb um Fachkräfte sei das ein attraktiver Vergütungsbestandteil und tariftreue Unternehmen dadurch im Nachteil. „Hier wurden Chancen vertan“, so Beeke.
IG Bau kündigt Streiks in ganz Deutschland an
Man sei weiter verhandlungs- und gesprächsbereit, um Streiks zu vermeiden, betonten die Verhandlungsführer. Das wird wohl nichts: Unmittelbar nach der Ablehnung des Schlichterspruchs durch die Bau-Arbeitgeber hat der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau), Robert Feiger, massive Streiks in ganz Deutschland angekündigt. Bestreikt werden sollen die Bauindustrie wie auch das Baugewerbe, große Unternehmen genauso wie kleine Handwerksbetriebe. Die Bauunternehmen selbst hätten den Streik zu verantworten. Die Baubeschäftigten vermissten „jeglichen Respekt und jegliche Anerkennung“ der Unternehmen. „Die würden am liebsten schon heute Nachmittag mit dem Arbeitskampf beginnen“, so Feiger nach Bekanntgabe der Ablehnung durch die Arbeitgeber. Streiken will die Gewerkschaft jetzt wieder für ihre ursprüngliche Forderung von 500 Euro mehr im Monat über alle Lohngruppen hinweg. Feiger: „Ich garantiere: Die Ablehnung des Schlichterspruchs wird den Bauunternehmen noch auf die Füße fallen, denn jetzt kann es nur teurer werden.“
Nein vom Baugewerbe - Frust in der Bauindustrie
Gescheitert ist die Mehrheit letztlich an den unterschiedlichen Interessen der Bau-Arbeitgeber. Das hatten Bau-Experten wie Alexander Weiss im Vorfeld der Tarifverhandlungen bereits befürchtet. Trotz der Kritik am Schlichterspruch hätten die Mitgliedsverbände der Bauindustrie bundesweit einstimmig dafür gestimmt, teilten einige HDB-Landesverbände mit. Die Bauindustrieverbände Bayern und Mecklenburg-Vorpommern hatten ihre Zustimmung vorab öffentlich signalisiert. Anders beim Baugewerbe: Laut Baugewerbeverband Niedersachsen haben einige Landesverbände den Schlichterspruch abgelehnt mit der Folge, dass das für die Annahme des Schiedsspruchs erforderliche Quorum von mehr als 85 Prozent der Stimmen in den alten Bundesländern nicht erreicht wurde. Die Enttäuschung in der Bauindustrie ist deshalb groß. „Die Entscheidung zur Zustimmung fiel unserem Verband nicht leicht“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes Hamburg Schleswig-Holstein, Manja Biel. „Angesichts der wirtschaftlichen Lage, besonders der aktuellen Flaute im Wohnungsbau, bewegen sich die vorgeschlagenen Tariferhöhungen am oberen Ende dessen, was unsere Mitglieder tragen können.“ Dass die Bauunternehmen trotz Zustimmung nun mit Streiks konfrontiert werden könnten, sei „frustrierend“, so Biel.
Bauindustrie fordert weitere Verhandlungen
Es sei ein paradoxer Zustand, dass Betriebe, die den Schlichterspruch unterstützt haben, jetzt potenziell bestreikt werden könnten, ergänzte Frank Schulz, Vorsitzender des Sozialpolitischen Ausschusses des Bauindustrieverbandes Hamburg Schleswig-Holstein. „Unsere oberste Priorität ist, am Verhandlungstisch zu bleiben.“ Auch der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen fordert weitere Gespräche. „Wir setzen uns jetzt dafür ein, dass die Arbeitgeberseite weiter verhandlungsbereit ist“, sagte Hautgeschäftsführer Dr. Burkhard Siebert. Streiks führten zu großem Schaden für die gesamte Branche und für die Volkswirtschaft. Sie müssten unbedingt vermieden werden - am Verhandlungstisch.
Wie geht es jetzt weiter mit den Tarifverhandlungen?
Zur Abwendung von Arbeitskämpfen können die Tarifvertragsparteien jederzeit die Verhandlungen wieder aufnehmen. Es müsse aber verstärkt damit gerechnet werden, dass die IG Bau schon allein aus taktischen Gründen erst nach oder während eines Streiks an den Verhandlungstisch zurückkehre, heißt es vom Baugewerbe Niedersachsen. Die Gewerkschaft werde die Gespräche nur wiederaufnehmen, so ein Sprecher der IG Bau, wenn die Arbeitgeber ein Angebot oberhalb des Schlichterspruchs vorlegen. Danach sieht es aber vorerst nicht aus. „Wir bleiben bei unserer Haltung: Eine Einigung auf Basis des bekannten Schiedsspruchs ist allemal besser als ein Streikchaos. Dafür setzen wir uns weiterhin ein,“ so Thomas Schmid, Hauptgeschäftsführer des Bayerischen Bauindustrieverbandes. Die Bauindustrie habe insgesamt zugestimmt, ebenso das bayerische Bauhandwerk. Schmid: „Wir geben aber die Hoffnung noch nicht auf. Das letzte Wort ist für uns jedenfalls noch nicht gesprochen.“
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