Spaltung im Arbeitgeberlager erschwert Einigung
Die IG Bau überzieht Baustellen in ganz Deutschland mit Warnstreiks. In der Woche nach Pfingsten soll der Streik noch ausgeweitet werden. Aktuell ist der Tarifkonflikt im Baugewerbe festgefahren. Das Arbeitgeberlager tritt nicht geschlossen auf – und hat sich so in eine schwierige Lage manövriert.
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Streikbeginn in Niedersachsen
Nach dem Schlichterspruch von Prof. Dr. Rainer Schlegel vom 19. März sollten die Tariflöhne und -Gehälter ab dem 1. Mai um 250 Euro pro Monat steigen und sich ab dem 1. April 2025 im Westen um 4,15 Prozent und im Osten um 4,95 Prozent erhöhen. Zudem sollten die Ausbildungsvergütungen im ersten Ausbildungsjahr bundesweit einheitlich auf 1.080 Euro erhöht werden. Weitere Erhöhungen für das jeweils zweite und dritte Lehrjahr waren ebenfalls vorgesehen.
Zum Streikauftakt hatte die Gewerkschaft Osnabrück für eine zentrale Kundgebung ausgewählt, bei der IG-Bau Bundesvorstand Carsten Burckhardt die Forderung nach 500 Euro Lohnplus über alle Lohnklassen hinweg bekräftigte. Die Stadt in Niedersachsen wurde zum ersten Streikschwerpunkt erklärt, weil die dortigen Bau-Arbeitgeber zu den wenigen Verbänden gehören, die dem Schlichterspruch nicht zugestimmt hätten, hieß es von der IG Bau.
„Fehlerhaft“: Warum der Schlichterspruch abgelehnt wurde
Während die IG Bau dem Schlichterspruch zugestimmt hatte, haben die Bau-Arbeitgeber ihn abgelehnt. Begründet wurde die Ablehnung zum einen mit handwerklichen Fehlern. So seien die Vorschläge zu den Ausbildungsvergütungen und zur Ost-West-Angleichung im Ergebnis „absurd“, sagte Uwe Nostitz, Verhandlungsführer der Bau-Arbeitgeber. Die einheitliche Festlegung der Ausbildungsvergütungen im ersten Ausbildungsjahr führe dazu, dass die Ausbildungsvergütung im zweiten Ausbildungsjahr unter der des ersten liege - ein Verstoß gegen das Berufsbildungsgesetz. „Dieser Fehler hätte vermieden werden können, wäre der Schlichter unserem Vorschlag, auch die Vergütung der übrigen Ausbildungsjahre zu erhöhen, gefolgt“, so Nostitz. Ebenso problematisch sei der Vorschlag für die Ost-West-Angleichung, der den Lohn in der Lohngruppe 1 im Osten ab 2025 höher ansiedelt als im Westen. Zudem verkenne der „tendenziell sehr hohe“ Schlichterspruch auch die aktuellen Konjunkturfakten wie die negative Umsatzentwicklung und die Krise im Wohnungsbau.
Bauindustrieverbände machen ihr Votum öffentlich
Bei der Gremienabstimmung für oder gegen den Schiedsspruch sei die satzungsgemäß erforderliche Mehrheit nicht erreicht worden, teilten der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) und der Zentralverband des Deutschen Baugewerbes (ZDB) am 3. Mai offiziell mit. Wenige Tage später wurde durch öffentliche Verlautbarungen einiger Landesverbände der Bauindustrie bekannt, dass die Ablehnung ausschließlich von Mitgliedsverbänden des ZDB kam. Die Bau-Arbeitgeber hätten ablehnen müssen, nachdem ZDB das nötige Quorum seiner Mitgliedsverbände nicht erreicht habe, hieß es. Wer die „Abtrünnigen“ waren, wurde nicht genannt. Die Abstimmungen seien geheim, hieß es vom ZDB auf Nachfrage des B_I baumagazins. Ganz so eng wollten einige es allerdings nicht sehen: Schon vor der Erklärungsfrist hatten die Bauindustrieverbände Bayern und Mecklenburg-Vorpommern ihre Zustimmung zum Schlichterspruch öffentlich signalisiert. Nach der Ablehnung stellten beide Verbände klar, ihre jeweilige Bauhandwerk-Sparte habe mit dem Nein zum Schlichterspruch nichts zu tun.
Bauindustrie will Streiks vermeiden
Die Enttäuschung in der Bauindustrie nach der Ablehnung ist groß. „Die Entscheidung zur Zustimmung fiel unserem Verband nicht leicht“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bauindustrieverbandes Hamburg Schleswig-Holstein, Manja Biel. „Angesichts der wirtschaftlichen Lage, besonders der aktuellen Flaute im Wohnungsbau, bewegen sich die vorgeschlagenen Tariferhöhungen am oberen Ende dessen, was unsere Mitglieder tragen können.“ Dass die Bauunternehmen trotz Zustimmung nun mit Streiks konfrontiert werden könnten, sei „frustrierend“, so Biel. Auch der Bauindustrieverband Hessen-Thüringen teilte sein Bedauern über das Scheitern des Schlichtungsverfahrens mit. Trotz der Mängel habe der Verband dem Schiedsspruch zugestimmt, sagte Hautgeschäftsführer Dr. Burkhard Siebert. Streiks müssten unbedingt vermieden werden. „Wir setzen uns jetzt dafür ein, dass die Arbeitgeberseite weiter verhandlungsbereit ist, und fordern neue Gespräche“, sagte Siebert.
Tarifempfehlung nähert sich Schlichterspruch von unten
Stattdessen haben beide Spitzenverbände den Bauunternehmen jetzt eine freiwillige Entgelterhöhung vorgeschlagen. Die Tarifempfehlung nähert sich von unten den Vorschlägen des Schiedsspruchs, nimmt aber eine Korrektur vorweg. Sie sei "eine vorübergehende Lösung, mit der wir zeigen, dass wir zu unseren Zusagen und Angeboten stehen“, erläuterte HDB-Vizepräsidentin Jutta Beeke und alternierende Vorsitzende der Verhandlungskommission von Bauindustrie und Baugewerbe.
Nach der Empfehlung sollen die Tariflöhne und Gehälter im Tarifgebiet West um 5 Prozent und im Tarifgebiet Ost um 6 Prozent angehoben werden. Für die unterste Lohngruppe 1 ist eine Mindestanhebung auf bundeseinheitlich 14 Euro vorgesehen, statt 14,38 vom Schlichter. Die Ausbildungsvergütungen sollen im 1. Ausbildungsjahr einheitlich auf 1.000 Euro ansteigen. Für die Ausbildungsvergütungen in den weiteren Ausbildungsjahren sind ebenfalls Erhöhungen vorgesehen, die deutlich über dem gescheiterten Schlichterspruch lägen, hieß es in einer gemeinsamen Presseerklärung von HDB und ZDB. Die Umsetzung ist freiwillig. „Die Mitarbeiter sollen nicht unter dem Tarifkonflikt zu leiden haben. Sie haben eine Entgeltsteigerung verdient“, sagte Nostitz. „Wir haben dabei aber auch Verständnis für die Unternehmen, die aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Situation diese Empfehlung nicht eins zu eins umsetzen können.“
Verbände in Süddeutschland geben Tarifempfehlung weiter
Erste Reaktionen kamen umgehend dem Süden Deutschlands. „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind das wichtigste Kapital in den Unternehmen“, so der Präsident der Bauwirtschaft Rheinland-Pfalz, Klaus Rohletter. „Mit der Tarifempfehlung wollen wir nach der gescheiteren Schlichtung ganz bewusst die Wertschätzung für unsere Belegschaften zum Ausdruck bringen und soziale Unzulänglichkeiten des Schlichterspruchs korrigieren“. Auch die Bauwirtschaft Baden-Württemberg empfiehlt ihren 1.600 Mitgliedsunternehmen, die Tarifempfehlung umzusetzen und die Löhne und Gehälter um 5 Prozent anzuheben. „Wir als Landesverband hatten für die Annahme des Schiedsspruchs votiert“, so Holger Braun, Stellvertretender Hauptgeschäftsführer der BBW. „Unsere Unternehmen haben kein Interesse an einem dauerhaften Konflikt.“ Zudem hat die Strabag-/Züblin-Gruppe angekündigt, die Tarifempfehlung für ihre rund 30.000 Beschäftigten bundesweit umzusetzen. Christian Hattendorf, Arbeitsdirektor und Vorstandsmitglied der Strabag AG, appellierte an die Tarifparteien, schnell an den Verhandlungstisch zurückzukehren und eine Tarifeinigung auszuhandeln.
Unbefriedigende Situation für alle
Derweil hat auch der Baugewerbeverband Niedersachsen (BVN) seinen Mitgliedern die Tarifempfehlung von HDB und ZDB weitergegeben. Die Arbeitgeberseite sei bereit, die Tarifverhandlungen konstruktiv fortzusetzen und habe den Willen zur Einigung, heißt es auf der Internetseite des BVN. Wann es zu einer verbindlichen Einigung zwischen der IG Bau und den Bauarbeitgebern komme, könne nicht prognostiziert werden. Die aktuelle Phase sei für alle Beteiligten eine "unbefriedigende Situation".
Und die dürfte sich noch eine ganze Weile hinziehen. Denn die Gewerkschaft hat sich eindeutig festgelegt: „Die Arbeitgeber hatten ihre Chance gehabt“, so der IG Bau-Chef. Neue Verhandlungen gebe es nur bei einem Angebot im Volumen oberhalb des Schlichterspruches. Auch verhandle die Gewerkschaft nicht über Pressemitteilungen. Feiger: „Soweit ich weiß, ist in unserem Postfach noch kein Angebot eingegangen.“ Auf die Tarifempfehlung der Bau-Spitzenverbände reagierte er mit Ablehnung. Der Vorschlag liege unterhalb des Schlichterspruches. „Jetzt sollen wieder die Ärmsten büßen, die zudem zweieinhalb Jahre lang keine Lohnerhöhung hatten. Das ist mit uns nicht zu machen.“
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