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Mit Bildung, BIM und Baufabrik in die Zukunft

Die Baustelle befindet sich im digitalen Wandel: Geht es um Zukunft und Effizienz, beschäftigen die Branche längst nicht nur Elektrobagger, 3D-Modellierung oder von künstlicher Intelligenz gesteuerte Maschinen. Angesichts des Fachkräftemangels war beim 51. Großseminar des Verbandes der Baubranche, Umwelt- und Maschinentechnik (VDBUM) im hessischen Willingen nicht zuletzt Bildung ein Thema.

Baubranche beschäftigt Digitalisierung und Fachkräftemangel
Gute Gespräche beim VDBUM Großseminar in Willingen: Bei der Fachausstellung präsentierten sich lange etablierte Unternehmen und einige Start-ups. | Foto: VDBUM

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Die Zeiten sind herausfordernd, Ukraine-Krieg, Inflation, steigende Zinsen, hohe Material- und Energiekosten, die zu einem wachsenden Kostendruck führen, beschäftigen auch die Bauindustrie. Nach einer aktuellen Studie der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC Deutschland (PwC) geben sechs von zehn Unternehmen an, dass sie die aktuelle Weltlage deutlich zu spüren bekommen. Dazu kommt: Während es in Sachen Nachhaltigkeit voran geht, stockt die Digitalisierung in der Branche.
Wie wertvoll Bildung ist, verdeutlichte auf dem VDBUM-Seminar der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Bosbach griffig in seinem Impulsvortrag im Kongresszentrum Sauerland Stern Hotel: „Wer nichts im Boden hat, der braucht es in der Birne.“ Schließlich ist Deutschland nicht gerade reich mit Rohstoffen gesegnet, gilt dafür aber als „Land der Dichter und Denker“.
Zum Vorsprung durch Wissen am Bau will der VDBUM durch Weiterqualifizierungen beitragen. Beim Großseminar Ende Januar, das mehr als 1.000 Führungskräfte besuchten, waren gleich 71 Referenten mit von der Partie. Hauptschwerpunkte: „Spezialtiefbau“, „Tief- Kanal und Straßen-Tiefbau“, „Forschung und Entwicklung“, „Turmdrehkrane – Technik, Transport und Genehmigungsverfahren“ sowie „Werkstatt 4.0 – Was uns im Service weiterbringt“. Die Vorträge waren gut besucht, bilanzierte VDBUM-Geschäftsführer Dieter Schnittjer zufrieden.

Potenzial auf der Baustelle

Die Frage aller Fragen lautete in Willingen allerdings, wie sich effiziente Maschinentechnik im nachhaltigen Bauprozess gestalten lässt. Dazu gab es zwei Podiumsgespräche, die Journalistin Alexandra von Lingen moderierte. Strabag-Vorstand Ralf Lüddemann sah bei der digitalen Transformation noch großen Nachholbedarf. Von der Verwaltung bis zur Baustelle gebe es viel Potenzial, in kleinen Schritten digitale Lösungen einzuführen und somit Ressourcen zu schonen. Er sprach sich für eine Standardisierung in allen Bereichen aus. Das beinhalte selbstverständlich, dass sich dazu auch die Bauunternehmen öffnen und einen Blick in die Prozesse zulassen müssen.
Philipp Fricke, Leiter der Baumaschinendivision der Fricke-Holding, berichtete, dass die Firmengruppe derzeit eine Nachhaltigkeitsstrategie entwickle. Künftig solle jedes Projekt auf seine Nachhaltigkeit hin überprüft werden. Das Unternehmen habe bereits recycelbares Verpackungsmaterial eingeführt und damit bei immerhin 80.000 Ersatzteilsendungen, die täglich verschickt werden, ein starkes Signal gesetzt.
Bei den Bauherren, vor allem der öffentlichen Hand, gebe es in Sachen BIM (Building Information Modeling), ein Instrument zur Digitalisierung von Bau- und Planungsprozessen im Hoch- und Tiefbau, noch einige Probleme, sagte Inga Stein-Barthelmes, Geschäftsführerin bei Planen und Bauen 4.0. Die Initiative von Verbänden und Kammerorganisationen sei gegründet worden, um hier zu unterstützen. Wichtig sei vor allem, dass die beteiligten Ministerien – Bauen und Verkehr – die gleiche Sprache sprächen, sich auf ein Wording und einen Standard einigten. VDBUM-Präsident Peter Guttenberger erläuterte, dass der Verband, der auch Gesellschafter von Planen und Bauen 4.0 ist, die angesprochenen Themen aufgreife und die Akteure zusammenzubringe. Er erwähnte den Zukunftszirkel des VDBUM, in dem Fragestellungen analysiert und Lösungen erarbeitet werden. „Was nützt eine flächendeckende Verdichtungskontrolle, wenn der Bauherr sie nicht anerkennt?“, gab Guttenberger zu bedenken. Der VDBUM sehe sich gerade in diesen Bereichen als Vermittler, der Lösungen – gern auch gemeinsam mit anderen Verbänden – vorantreibe.

Bediener bei digitaler Transformation mitnehmen

Künstliche Intelligenz und Big Data sind bei der Digitalisierung nur die Werkzeuge, die von den Menschen bedient werden, sagte Saskia Grossmann, Vorstandsmitglied bei Softwareentwickler Onestoptransformation. Insofern sei es wichtig, die Bediener bei der digitalen Transformation mitzunehmen. Die Bereitschaft, sich diesbezüglich zu öffnen, sei in den Unternehmen meist alters- und geschlechtsunabhängig. Es sei ein Kulturwandel nötig, die Vorgesetzten müssten die neue Kultur vorleben, nur so sei die digitale Transformation zu bewältigen. Jens Kleinert, Technischer Leiter bei der Unternehmensgruppe GP Günter Papenburg, beschrieb, welche Veränderungen durch die neuen Technologien auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zukommen, wie sich Berufsbilder veränderten und welch gewaltiger Wissenstransfer dabei erforderlich sei. Dies sei im Arbeitsalltag kaum zu bewältigen. Benötigt werde daher intuitive, leicht zu bedienende Technik, mit der sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abholen lassen.

Schaffung von Baufabriken

Große Runde: Über effiziente Maschinentechnik im nachhaltigen Bauprozess sprach Moderatorin Alexandra von Lingen (von rechts) mit Johann Bögl, Inga Stein-Barthelmes, Ralf Lüddemann, Saskia Grossmann, Philipp Fricke, Jens Kleinert und Peter Guttenberger. | Foto: VDBUM
Große Runde: Über effiziente Maschinentechnik im nachhaltigen Bauprozess sprach Moderatorin Alexandra von Lingen (von rechts) mit Johann Bögl, Inga Stein-Barthelmes, Ralf Lüddemann, Saskia Grossmann, Philipp Fricke, Jens Kleinert und Peter Guttenberger. | Foto: VDBUM
Dem stimmte Johann Bögl, Gesellschafter und Aufsichtsratsvorsitzender des Bauunternehmens Max Bögl, zu. 1.000 Mitarbeiter verabschieden sich nach seinen Worten in den kommenden zehn Jahren in den Ruhestand, insofern seien Automatisierung, Digitalisierung und einfach bedienbare Maschinen nötig, um die Bauaufgaben mit den dann zur Verfügung stehenden Fachkräften zu erledigen. Bögl bat die Hersteller darum, die digitale Baustelle mit mehr Nachdruck voranzutreiben. Es sei wichtig, dass Nutzer und Hersteller in einen Dialog eintreten. Eine Lösung gegen den Fachkräftemangel sieht das Unternehmen darin, maßgebliche Bereiche des Bauens zu industrialisieren. Bögl sprach von der Schaffung von Baufabriken.
Frank Dahlhoff, Geschäftsführer von Sitech Deutschland, ging auf die Schnittstellen-Problematik ein. Durch Standards lasse sich die Akzeptanz für Vernetzung und Maschinensteuerung steigern. Skandinavien sei hier schon weiter als Deutschland, so Dahlhoff. Bomag-Vertriebsleiter Dominik Friedhofen sagte, dass der Maschinenbauer grundsätzlich offen zum Teilen von Daten sei. Mit automatisierten Systemen, die den Benutzer unterstützen und die Freude an der Arbeit erhöhen, steigere das Unternehmen die Effizienz im Bauprozess.
Und die Nachhaltigkeit? Matthias Henke, Gesamtvertriebsleiter bei Hansa-Flex, berichtete auf dem Podium, dass die Hälfte des CO2-Abdrucks der Firma durch die Fahrzeugflotte verursacht werde. Dem trete das Unternehmen gemeinsam mit den Kunden mit vorbeugender Planung und somit der Reduzierung unnötiger Fahrten oder auch der Drosselung der Geschwindigkeit der 800 Firmenfahrzeuge auf 120 km/h entgegen.

Robotik und Automatisierung in der Baubranche

Ein Blick in eingangs erwähnte Studie zur Baubranche 2023 der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft: Immer mehr Unternehmen erkennen laut PwC-Expertin Rebekka Berbner, welche Chancen der Einsatz digitaler Lösungen bietet. So sehen 88 Prozent der Befragten die Potenziale, die sich durch Simulation und Visualisierung für die Baubranche ergeben (plus elf Prozentpunkte). Allerdings attestieren sich in diesem Bereich nur 36 Prozent gute Fähigkeiten (minus vier Prozentpunkte). Die Diskrepanz zwischen Potenzialen und Fähigkeiten liegt folglich bei 52 Prozentpunkten – und damit 15 Prozentpunkte höher als im Vorjahr. Diese Tendenz zeichnet sich auch bei anderen digitalen Lösungen ab, etwa dem Einsatz von Echtzeit-Reporting oder IoT-Lösungen auf der Baustelle. Verbesserungen lassen sich nur punktuell erkennen – zum Beispiel bei Drohnenüberwachung, Laserscanning sowie Robotik und Automatisierung. In diesen Bereichen konnten die Unternehmen die Differenz zwischen Potenzialen und Fähigkeiten etwas verkleinern.
„Wir beobachten, dass es den Unternehmen nicht gelingt, die für den gewinnbringenden Einsatz der Tools notwendigen Fähigkeiten aufzubauen. Ein wesentlicher Grund dafür dürfte auch im Fachkräftemangel liegen, der sich in der Baubranche wie überall deutlich verschärft“, resümiert Berbner. Das bestätigen die Ergebnisse der Umfrage: So sind 91 Prozent der Meinung, dass die größte Hürde für die Nutzung digitaler Lösungen im fachlichen Know-how und dem Fachkräftemangel liegt. Das sind zehn Prozentpunkte mehr als im Vorjahr. Unterdessen nimmt das Thema Nachhaltigkeit an Fahrt auf: 83 Prozent der Befragten halten den Aspekt für wichtig – ein Plus von 15 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. 61 Prozent der Unternehmen geben an, mindestens allgemeine Standards rund um Umwelt, Soziales und Unternehmensführung (kurz ESG) verabschiedet zu haben.

Einblicke in die Maschinentechnik

Aber zurück zum Großseminar in Willingen. Oft wurde nach besagten Podiumsrunden oder in den Pausen zwischen den Fachvorträgen noch angeregt weiterdiskutiert: Ein Treffpunkt war die Fachausstellung mit mehr als 100 Ausstellern. Einblicke in die Maschinentechnik & Co. gab es sowohl an den Ständen im Kongresszentrum als bei den Exponaten im Freigelände vor dem Hotel.

VDBUM-Präsident Peter Guttenberger (rechts) mit den Vorstandsmitglieder Dirk Bennje (von links) und Professor Jan Scholten sowie den Gewinnern des VDBUM-Förderpreises 2023 Steven Mac Nelly von Benninghoven, Daniel Wild von der Max Wild GmbH und Maximilian Schöberl von der TU München. | Foto: VDBUM
VDBUM-Präsident Peter Guttenberger (rechts) mit den Vorstandsmitglieder Dirk Bennje (von links) und Professor Jan Scholten sowie den Gewinnern des VDBUM-Förderpreises 2023 Steven Mac Nelly von Benninghoven, Daniel Wild von der Max Wild GmbH und Maximilian Schöberl von der TU München. | Foto: VDBUM
Ein Höhepunkt der Veranstaltung war die Verleihung des VDBUM-Förderpreises. 52 Firmen und Institute und damit so viele wie nie zuvor haben sich um den in drei Kategorien vergebenen und mit jeweils 2.500 Euro dotierten Preis beworben. Den ersten Platz in der Kategorie „Innovationen aus der Praxis“ belegte die Max Wild GmbH. In der Kategorie „Entwicklungen aus der Industrie“ setzte sich Benninghoven, Branch of Wirtgen Mineral Technologies GmbH, an die Spitze. In der Kategorie „Projekte aus Hochschulen und Universitäten“ hatte die Technische Universität München die Nase vorn.
Die Zugabe des VDBUM folgt mit gut 300 Terminen, die der Verband in diesem Jahr für seine Mitglieder organisiert. Der Termin für das 52. Großseminar steht auch schon fest: Es steigt vom 30. Januar bis 2. Februar 2024 erneut in Willingen.

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