Fehlende Widerrufs-Belehrung kann Werklohn gefährden

Bei einem Verbrauchervertrag kann ein Bauunternehmer keinen Werklohn einklagen, wenn der Auftraggeber den Vertrag widerruft und der Unternehmer nicht über das Widerrufsrecht informiert hat. Das hat der Europäische Gerichtshof jetzt entschieden. Umso wichtiger ist es für Auftragnehmer zu wissen, wann und wie sie ihre Belehrungspflicht wahrnehmen müssen.

EuGH-Urteil: Fehlende Wiederufs-Belehrung gefährdet Werklohn
Aktuelles Urteil des Europäischen Gerichtshofs: Bei Verbraucherverträgen muss der Bauunternehmer den Auftraggeber über sein Widerrufsrecht informieren, sonst setzt er möglicherweise seinen Werklohn aufs Spiel. | Foto: G. Fessy/CJUE

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Ein Bauunternehmer schließt einen Vertrag über umfangreiche Sanierungsleistungen ab. Er führt die Leistung schnell und mangelfrei aus. Nach Ausführung der Leistungen erhält er vom Auftraggeber ein Einschreiben, in dem der Auftraggeber den Widerruf des Vertrages erklärt. Als der Auftragnehmer seinen Werklohn einklagen will, erhält er: gar nichts.

Wie kann das sein? Dieser Fall hat tatsächlich stattgefunden und wurde jetzt gerade ganz frisch vom obersten europäischen Gerichtshof, dem EuGH, in dem entscheidenden Punkt geklärt (v. 17.05.2023, Rs. C-97/22). Es war nämlich nicht irgendein Auftraggeber, der den Auftrag erteilte, sondern ein sogenannter Verbraucher. Und der Bauunternehmer hatte einen kleinen, aber hier wichtigen und leider sehr teuren Fehler gemacht. Er hatte nämlich den Verbraucher nicht darüber aufgeklärt, dass er den Vertrag widerrufen kann.

In der täglichen Praxis haben sich solche Fälle in der Vergangenheit durchaus auch schon ereignet. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass aufgrund dieses Urteils eine erhöhte Aufmerksamkeit auf das Widerrufsrecht der Verbraucher und die möglichen Rechtsfolgen gelenkt wird. Deswegen ist es für Bauunternehmer entscheidend, genau zu wissen, in welcher Situation sie den Auftraggeber über ein Widerrufsrecht belehren müssen und wie dies richtig geht.

Wiederrufsrecht: Wer ist ein Verbraucher?

Erst einmal muss man klären, wer Verbraucher ist. Verbraucher sind immer sogenannte natürliche Personen, also Menschen, dass schließt jede juristische Person wie einen eingetragenen Verein, eine GmbH oder Aktiengesellschaft aus.

Außerdem muss der Verbraucher den Vertrag auch für seinen privaten Bereich abschließen. Das ist zum Beispiel ganz eindeutig bei einem Bauherrn, der in seinem selbst bewohnten Einfamilienhaus die Arbeiten ausführen lässt. Manchmal gibt es aber auch gemischt genutzte Immobilien. Wie ist es mit dem Gebäude, in dem Auftraggeber einerseits sein Büro hat und andererseits auch selber wohnt? In diesem Fall kommt es darauf an, für welchen Bereich die Leistung „überwiegend“ bestimmt ist. Dabei wird man sich regelmäßig an der Höhe der jeweiligen Vertragssummen orientieren können.

Es kommt dabei nicht darauf an, ob der Verbraucher in seinem beruflichen Leben besondere Erfahrungen oder Kenntnisse hat. So kann zum Beispiel auch ein Architekt oder ein erfolgreicher Unternehmer bei einem Vertragsabschluss für seinen privaten Bereich Verbraucher im rechtlichen Sinne sein.

Voraussetzungen für das Widerufsrecht beim Verbrauchervertrag

Allein Verbraucher zu sein, reicht aber für ein Widerrufsrecht nicht. Es muss hinzukommen, dass der Vertrag in einer besonderen Situation geschlossen wurde. Weil es offensichtlich um viel Geld geht, muss man sich diese einzelnen Situationen genau anschauen. Es gibt dabei grundsätzlich drei unterschiedliche Situationen.

Verbraucherbauverträge

Die erste betrifft sogenannte Verbraucherbauverträgen. Bei diesen Verträgen lässt sich der Verbraucher ein ganzes Gebäude errichten, § 650i BGB. Es ist mittlerweile vom BGH geklärt, dass bei der Vergabe einzelner Gewerke kein sogenannter Verbraucherbauvertrag vorliegt. Bei Gewerke-Verträgen sind aber die anderen Fallgruppen zu prüfen.

Fernabsatzverträge

Die zweite Situation betrifft sogenannte Fernabsatzverträge. Klingt sperrig, ist aber durchaus von Bedeutung, wenn es gar keinen persönlichen Kontakt zwischen Auftragnehmer und dem Bauherrn gibt. Der klassische Fall ist der Kauf ausschließlich per Internet. Sobald aber eine persönliche Beratung hinzukommt, handelt es sich nicht mehr um einen solchen Fernabsatzvertrag. Der Kontakt erfolgt also allein durch Kommunikationsmittel wie E-Mail, Telefon etc. Dabei muss die Kommunikation über eine nur ganz allgemeine Information wie bei einer Produktpräsentation hinausgehen, aber bereits die persönliche Beratung und die Möglichkeit von Nachfragen – und natürlich erst recht von Verhandlungen über den Vertrag – verhindern einen Fernabsatzvertrag und vor allem das Entstehen eines Widerrufsrechts.

Verträge außerhalb von Geschäftsräumen

Anders ist es aber mit den Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, also die dritte Gruppe von Verträgen. Diese sind kritisch und man muss sich ganz genau den genauen Ablauf des Vertragsschlusses ansehen. Allein die Tatsache, dass man sich nicht in Geschäftsräumen befindet, reicht für das Entstehen eines Widerrufsrechts nicht. Insoweit ist die Überschrift der entsprechenden gesetzlichen Regelung auch etwas verkürzt und manchmal irreführend.

Was ist beim Vertragsabschluss auf der Baustelle?

Was relativ häufig im Baubereich vorkommt, ist der Vertragsschluss beim Bauherren vor Ort. Dies kann das Baugrundstück sein, aber auch sein Büro oder ein anderer Ort außerhalb der Büroräume des Unternehmers. Ein Widerrufsrecht besteht aber nur, wenn beim Vertragsschluss auch beide Vertragspartner gleichzeitig vor Ort sind. Wenn der Bauunternehmer dem Bauherrn ein Angebot übergibt und erläutert, der Bauherr aber erst später unterschreibt und diese Vertragsannahme an den Bauunternehmer schickt, besteht deswegen kein Widerrufsrecht. Das ist ein durchaus wichtiger Fall und zeigt, wie genau das Gesetz zu lesen ist, denn ein solcher Vertrag wird eben auch außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers abgeschlossen, es fehlt aber die zusätzlich vom Gesetz verlangte gleichzeitige Anwesenheit.

Im Baubereich eher untypisch ist das ebenfalls zu einem Widerrufsrecht führende Ansprechen von Kunden, um danach in den Geschäftsräumen oder im Wege der Fernkommunikation (E-Mail etc.) den Vertrag abzuschließen, also ein gezieltes Anlocken von Kunden im öffentlichen Raum.

Kein Widerrufsrecht bei Werklieferverträgen

Außerdem gibt es noch besondere Leistungen, bei denen erst gar kein Widerrufsrecht entsteht. Dabei geht es z.B. ganz allgemein gesprochen um Waren, die extra für den Verbraucher angefertigt und in gewisser Weise individualisiert sind. Rechtlich sind dies Kauf- oder Werklieferverträge. Und Werklieferverträge haben eine nicht ganz einfache Schnittstelle zum Baubereich. So wurde z.B. entschieden, dass Lieferung und Montage eines Treppenlifts ein solcher Werkliefervertrag ist und kein Widerrufsrecht besteht. Einfach gesagt – und damit natürlich etwas ungenau – werden beim Werkliefervertrag (ohne Widerrufsrecht) Gegenstände hergestellt und mehr oder weniger lose mit einem Gebäude verbunden, beim Werkvertrag (mit Widerrufsrecht) wird eine feste Verbindung mit dem Gebäude hergestellt. Man muss sich dann jede Leistung genau ansehen, so kann z.B. der lose verlegte Teppich oder die Einbauküche einem Werkliefervertrag entstammen, ein verklebter Teppich oder ein aufgebrachter Putz nicht.

Widerrufsrecht: Belehrungspflicht über Mustertexte wahrnehmen

Wenn tatsächlich eine diese drei genannten Situationen vorliegt, dass also ein Verbraucherbauvertrag oder ein Fernabsatzvertrag vorliegt oder ein Vertrag im rechtlichen Sinne außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurde und dass auch tatsächlich ein Widerrufsrecht besteht, muss der Auftraggeber den Verbraucher über dies Widerrufsrecht belehren. Für diese Belehrung gibt es gesetzlich vorgeschlagene Muster. Die Verwendung dieser Muster ist zu empfehlen, denn für sie gilt eine Vermutung der Richtigkeit. Wer andere Muster verwendet, trägt das Risiko, dass seine Belehrung wegen Fehlern wirkungslos bleibt. Wenn diese Belehrung unterbleibt, hat der Verbraucher über ein Jahr Zeit, nach Vertragsschluss noch den Widerruf zu erklären, um genau zu sein 12 Monate und 14 Tage.

▶ Hier geht es zum Muster der Wiederrufsbelehrung bei Verträgen außerhalb der Geschäftsräume

Auch über Verzicht des Widerrufsrechts muss informiert werden

Es ist auch möglich, dass der Bauherr der sofortigen Ausführung zustimmt. Dann muss nicht der Ablauf der Widerrufsfrist abgewartet werden. Allerdings muss der Bauherr hierfür doppelt belehrt werden, einmal über das Widerrufsrecht und einmal über die Folgen seines Verzichts.

Wenn aber gar keine Belehrung erfolgt, steht jetzt fest, dass der Verbraucher für die ausgeführte Leistung bei einem Fernabsatzvertrag und bei Verträgen, die im rechtlichen Sinn außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen wurden, gar nichts bezahlen muss. Hintergrund ist, dass sonst das Widerrufsrecht rechtlich ausgehöhlt wurde. Ein Auftragnehmer könnte nämlich auf das Widerrufsrecht verzichten und hoffen, dass der Verbraucher es nicht merkt. Das wäre dann auch gar nicht schlimm, wenn er dennoch seine Vergütung bekommen würde. Gewissermaßen als Abschreckung soll in diesem Fall jedoch jegliche Vergütungspflicht entfallen. Dies betrifft sowohl vertragliche Ansprüche als auch den sogenannten Wertersatz.

Allein Verbraucherbauverträge sehen für den Fall eines Widerrufs einen Wertersatz vor. In diesem Fall erhält der Auftragnehmer nämlich grundsätzlich die vereinbarte Vergütung für die ausgeführten Leistungen und der Auftraggeber muss gegebenenfalls nachweisen, dass diese unangemessen hoch ist.

Fazit: Widerufsbelehrung unbedingt ernst nehmen!

Das Widerrufsrecht des Verbrauchers ist nicht nur eine Formalie. Der Gesetzgeber hat es intensiv geschützt. Wenn der Unternehmer den Verbraucher nicht über ein (tatsächlich bestehendes) Widerrufsrecht belehrt, riskiert er, gar keine Vergütung zu erhalten. Deswegen sollten Unternehmer sorgfältig mit der Belehrungspflicht umgehen und im Zweifel lieber einmal zu viel belehren.

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