Warum die Planfreigabe den Auftragnehmer nicht von Mängelansprüchen befreit

Wenn Pläne freigegeben sind, scheint der Auftragnehmer auf der sicheren Seite zu sein. Doch was passiert, wenn die ausgeführte Leistung nicht den Erwartungen entspricht? Dieser Artikel beleuchtet, warum die Freigabe von Plänen den Auftragnehmer nicht von seiner Haftung entbindet und welche Fallstricke lauern.

Erfolgshaftung am Bau: Warum die Freigabe von Plänen nicht von Mängelansprüchen befreit
Dem Auftraggeber Änderungen ainfach "unterzujubeln", ist keine gute Idee. Denn die Freigabe von Plänen entbindet den Auftragnehmer nicht von seiner Erfolgshaftung. | Foto: Pixabay

Die Situation werden manche Auftraggeber schon erlebt haben: Der Auftragnehmer legt eine Planung vor, der Auftraggeber gibt sie frei. Wenn dann die Leistung fertig ist, stellt sich heraus, dass die Leistung nicht so ist wie es der Auftraggeber haben wollte, im schlimmsten Fall ist sie sogar mangelhaft. Der Auftragnehmer beruft sich auf die Freigabe, der Auftraggeber fühlt sich vom Auftragnehmer durch die Pläne in die Irre geführt.

Erfolgshaftung am Bau: Zwei Beispiele aus der Rechtsprechung

1. In einem vom OLG Koblenz entschiedenen, jetzt veröffentlichten Fall stellte der Bauherr fest, dass er eine Tiefgarage nicht wie vertraglich vereinbart nutzen kann, weil sie zu eng und die Rampe zu steil ist. Der Auftragnehmer verteidigte sich damit, dass die Leistung genau nach den freigegebenen Plänen ausgeführt sei. Das OLG Koblenz hält die Leistung für mangelhaft und gibt damit dem Auftraggeber recht. Der Auftragnehmer hätte den Auftraggeber vorher ausdrücklich auf das Problem hinweisen müssen. Ohne eine solche Aufklärung darf der Auftraggeber davon ausgehen, dass die anerkannten Regeln der Technik eingehalten sind (OLG Koblenz, Urteil vom 07.07.2022 - 1 U 1473/20).

Das fügt sich ein in eine Rechtsprechung, die sich länger zurückverfolgen lässt. Bereits 2002 hatte der BGH einen Fall zu entscheiden, der einige Parallelen aufweist:

2. Der Auftraggeber beauftragt den Auftragnehmer mit der Ausführung einer Zu- und Abluftanlage. Im Vertrag ist gefordert, dass die Anlage gemäß den geltenden Vorschriften auszuführen ist. Der Auftragnehmer ermittelt eine Sollleistung von 3.000 m3/h und wird vom Auftraggeber aufgefordert, die Anlage mit dieser Sollleistung auszuführen. Dies tut der Auftragnehmer, die fertige Anlage erreicht 3.150 m3/h. Ein Sachverständiger stellt fest, dass richtigerweise eine Sollleistung von 5.674 m3/h auszuführen wäre. Der BGH hält die Anlage für mangelhaft, da es nicht auf die vereinbarte Sollleistung ankommt, sondern auf die, die für den vertraglich vorausgesetzten Gebrauch notwendig ist (BGH, Urteil vom 15.10.2002, X ZR 69/01).

Trotz Planfreigabe: Auftragnehmer muss auf Mängel hinweisen

Damit ist klar, dass die Freigabe von Plänen – oder im Fall des BGH sogar die ausdrückliche Anordnung – den Auftragnehmer allein nicht von einer Gewährleistung befreit. Dies betrifft Änderungen von Vorgaben des Auftraggebers, aber auch andere Mängel der Leistung. Warum darf der Auftraggeber den Auftragnehmer in die Haftung nehmen, obwohl er doch die Pläne freigeben hat? Einfach formuliert ist die Antwort: Der Auftraggeber konnte nicht wissen, dass er mit der Freigabe eine mangelhafte Leistung ermöglicht, oder eine Leistung, die von seinen vorher geäußerten Wünschen oder dem vertraglich Vereinbarten abweicht. Das hierfür erforderliche Wissen muss ihm grundsätzlich der Auftragnehmer vermitteln, indem er auf mögliche Mängel wie in einer Bedenkenanzeige hinweist. Denn der Auftragnehmer weiß genau, was in seinen Planungen vorgesehen ist. Der Auftraggeber kann nur davon ausgehen, dass der Auftragnehmer ordnungsgemäß plant.

Bedeutung der Bedenkenanzeige im Bauvertragsrecht

Der Auftraggeber muss also wissen, was seine Freigabe bedeutet und mit sich bringt. Dieser Gedanke findet sich im Baurecht noch an anderer, sehr wichtiger Stelle, nämlich bei der Bedenkenanmeldung.

Die unkommentierte Übergabe von Plänen und die Freigabe durch den Auftraggeber haben in den beiden geschilderten Fällen nicht die gleichen Rechtsfolgen wie eine (ordnungsgemäße) Bedenkenanzeige und deren Zurückweisung. In einer ordnungsgemäßen Bedenkenanzeige muss der Auftragnehmer auf den Mangel und die daraus resultierenden Risiken hinweisen, so dass der Auftraggeber einschätzen kann, was auf ihn zukommt und ob er das beschriebene Risiko übernimmt. Nur in dieser Situation bedeutet die Zurückweisung der Bedenkenanzeige, dass der Auftraggeber diese Risiken übernehmen will. Genau so müsste der Auftragnehmer auch bei der Übergabe von Plänen vorgehen.

Verpflichtung zur Abweichung von mangelhaften Plänen

Ganz im Gegenteil kann ein Auftragnehmer sogar verpflichtet sein, selbständig von Plänen abzuweichen, die zu einer mangelhaften Leistung führen würden. Nach § 2 Abs. 8 Nr. 2 VOB/B bekommt er die erforderlichen Leistungen sogar bezahlt! Es geht dabei um Leistungen, die für eine ordnungsgemäße Ausführung der Leistungen erforderlich sind: Die Verwendung eines geeigneten Materials anstelle des vom Auftraggeber vorgegebenen ungeeigneten, die zusätzliche Leistung zur Vermeidung einer nicht unvollständigen und nicht funktionsfähigen Leistung – und viele andere Fälle mehr. Der Auftragnehmer ist dafür verantwortlich, dass seine Leistung verwendbar und mangelfrei ist.

Besondere Haftung des Auftragnehmers bei eigenen Planungen

Es gibt in den Fällen, in denen der Auftragnehmer selbst plant, sogar eine besondere Falle, die der Auftragnehmer im Vorfeld vermeiden muss: Wenn der Auftragnehmer plant, bekommt er für Leistungen, die später als erforderlich für den Leistungserfolg erkannt werden, keine zusätzliche Vergütung, so eindeutig § 650c Abs. 1 Satz 2 BGB. Der Auftragnehmer muss im Vorfeld dafür sorgen, im Vertrag die Grenzen für seine Planungsverantwortung deutlich zu machen und aus seiner Sicht vorhandene Unsicherheiten als Begrenzung seiner Haftung aufnehmen zu lassen. Damit sorgt der Gesetzgeber im Ergebnis dafür, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber nicht mit einer günstigen (aber leider unvollständigen) Planung in einen Vertrag hineinlockt, um dann zusätzlich Nachträge geltend zu machen.

Erfolgshaftung des Auftragnehmers

Das Gesetz kennt an dieser Stelle auch keine „Sowieso“-Kosten oder ähnliches. Es könnte also sehr gut sein, dass der Auftragnehmer für zusätzliche Leistung keinerlei Vergütung erhält, die für ihn nicht vorhersehbar bzw. beherrschbar waren. All dies lässt sich mit dem Begriff der „Erfolgshaftung“ beschreiben und zusammenfassen. Der Auftragnehmer muss eine funktionsfähige Leistung abliefern. Ist er auch für die Planung verantwortlich, muss die Planung eine solche funktionsfähige Leistung ermöglichen.

Nur wenn der Auftraggeber den Auftragnehmer ausdrücklich von dieser Erfolgshaftung befreit, kann er auch eine nicht funktionsfähige, also mangelhafte Leistung ausführen. Allerdings setzt diese Befreiung voraus, dass der Auftraggeber sich nicht nur zu einem technischen Sachverhalt äußert – also wie in den Fällen die Pläne freigibt – sondern darüber hinaus in rechtlich relevanter Weise erklärt, dass er die sich aus der Ausführung resultierenden Risiken übernimmt und den Auftragnehmer von seiner Erfolgshaftung freistellt. Dafür muss der Auftraggeber die Risiken kennen, und der Auftragnehmer ist verpflichtet, den Auftraggeber hierüber zu informieren. Umgangssprachlich kann man es also so formulieren, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber nicht „sehenden Auges ins offene Messer laufen lassen“ darf. Der Begriff des Vertrags“partners“ wird auch hier relevant.

Erfolgshaftung: Ausnahmen bei fachkundigen Auftraggebern - und ihre Grenzen

Es gibt nur wenige Ausnahmen. So kann sich der Auftragnehmer bei einem fachkundigen Auftraggeber darauf verlassen, dass er die Konsequenzen seiner Anordnungen und Vorgaben erkennen kann. Bei Freigaben von Plänen ist aber zu beachten, dass im entschiedenen Fall der Auftragnehmer eigenmächtig eine Veränderung vorgenommen hatte. Das OLG Koblenz hat sich gar nicht erst mit der Frage befasst, ob der Auftraggeber fachkundig war und ob die Abweichung zu erkennen gewesen wäre. Entscheidend ist, dass der Auftragnehmer den Auftraggeber nicht auf die Suche nach Abweichungen und Fehlern schicken darf. Der Auftraggeber darf sich beispielsweise darauf verlassen, dass eine bis dahin mangelfrei geplante Leistung nicht plötzlich unaufgefordert durch eine mangelhafte ersetzt wird. Sieht man sich die Größe von Plänen und die teils immense Vielzahl von Einzel-Informationen an, ist dies auch nachvollziehbar: Es wäre praktisch nicht möglich, dass ein Auftraggeber unaufgefordert neu eingereichte Pläne prüft, ob sie auch wirklich noch immer den bisher eingereichten entsprechen und der Auftragnehmer nicht doch eigenmächtig Änderungen vorgenommen hat.

Es ist auch bei fachkundigen Auftraggebern oft schwierig nachzuweisen, dass sie einen Mangel und daraus resultierende Risiken kannten und deswegen ein Auftragnehmer auch ohne Bedenkenanmeldung haftet. Auftragnehmer sind immer gut beraten, offen und transparent auf mögliche Risiken hinzuweisen. Das muss nicht in einer mit Paragraphen gespickten Bedenkenanmeldung erfolgen. Eine Bedenkenanmeldung oder der Risikohinweis bei einer Planübergabe ist ausreichend, wenn der Auftraggeber die möglichen Risiken kennt. Ein deutlicher Hinweis vor Ausführung der Planung kann dem Auftragnehmer viel Ärger, Zeit und Geld bei der Abwehr später geltend gemachter Gewährleistungsansprüche ersparen.

Fazit: Die Bedeutung der Erfolgshaftung und der Bedenkenanzeige

Die Freigabe von Plänen des Auftraggebers hat jedenfalls dann keine rechtliche Relevanz, wenn es um Mängel geht, über die der Auftragnehmer den Auftraggeber nicht informiert hatte und die der Auftraggeber deswegen nicht kennen konnte, auch wenn sie aus den Plänen erkennbar waren. Dieser Hinweis auf Risiken empfiehlt sich bei jedem Bauherrn. Zufriedene Bauherren sind die beste Werbung für ein Unternehmen, und die „Erfolgshaftung“ ist ein wichtiger Maßstab dafür, ob ein Auftraggeber zufrieden ist oder nicht.

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