Bauvertrag kündigen: Entspricht eine E-Mail der Schriftform?
Form oder Formalität: Heutzutage werden auch E-Mails als ordentliche Mitteilungen zwischen Vertragspartnern anerkannt – aber eben nicht immer. | Foto: Pixabay

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„Früher“ war die in der VOB/B und im BGB oft geforderte Schriftform völlig normal. Die Regelwerke sind nun einmal etwas älter, was zugleich ihren Vorteil ausmacht. Sie haben sich über viele Jahre bewährt und sind ein erprobtes Arbeitsmittel. Die Entwicklung der modernen Kommunikation konnten BGB und VOB/B über viele Jahre gut mitmachen, die Verbreitung von Telefon und Telefax konnte ohne weiteres in die Anwendung einfließen. Erst die E-Mail hat BGB und VOB/B vor Probleme gestellt. Das BGB hat sich etwas weiterentwickelt – und weil das BGB als Gesetz der VOB/B als Allgemeine Geschäftsbedingung vorgeht, hat sich auch die VOB/B weiterentwickelt, zwar nicht in der Formulierung, aber in ihrem gesetzlichen Fundament.

Mit dem 1.1.2018 wurde das BGB umfassend geändert, und es wurden besondere Regelungen für sogenannte Bauverträge eingeführt. Auch das bedeutet für die VOB/B, dass diese Sonderregelungen zu beachten sind. Diese Sonderregelungen des BGB betreffen im Zusammenhang mit Formfragen vor allem die Frage, ob auch eine Kündigung per E-Mail erfolgen kann. So formuliert, scheint es in anderen Fällen unproblematisch möglich zu sein, die von der VOB/B verlangte Schriftform mit einer E-Mail einzuhalten. Ist das so richtig?

Rechtsprechung zur Schriftform uneindeutig

Die Oberlandesgerichte hatten mehrfach Fälle zu entscheiden, bei denen es um diese Frage ging. Leider hat sich der Bundesgerichtshof (BGH) noch nicht zu dieser Frage geäußert. Deswegen fehlt im Moment die letzte Sicherheit. Viele Fristsetzungen und Ankündigungen müssen nach der VOB/B „schriftlich“ erfolgen, ebenso Behinderungs- und Bedenkenanzeigen. Bei der Kündigung gibt es eine Besonderheit: Diese ist ausdrücklich auch im BGB angesprochen, dort wird in § 650h BGB bei Bauverträgen verlangt, sie in Schriftform zu erklären. Daher handelt es sich hier um ein sogenanntes gesetzliches Schriftformerfordernis, während die Anforderungen der VOB/B „nur“ als sogenannte vertragliche Schriftformerfordernisse anzusehen sind.

Die Behinderungs- und Bedenkenanmeldungen sind im BGB nicht ausdrücklich angesprochen und erst recht nicht mit bestimmten Anforderungen versehen, ebenso Fristsetzungen zur Mangelbeseitigung etc. Deswegen spielt die Kündigung tatsächlich eine Sonderrolle. Dies macht aber in der Anwendung einen erheblichen Unterschied. Bei einem vertraglichen Schriftformerfordernis sind die Anforderungen geringer. Das gesetzliche Schriftformerfordernis ist hingegen streng und sollte daher bei Kündigungen unbedingt beachtet werden. Dies hat das OLG Schleswig, Urteil vom 31.08.2022 - 12 U 119/21 gerade erst entschieden.

Anforderungen an eine formwirksame Kündigung

Was sind also die Anforderungen an eine formwirksame Kündigung? Gemäß § 126 Abs. 1 BGB ist in den Fällen, in denen durch Gesetz die schriftliche Form vorgeschrieben ist, die Urkunde vom Aussteller eigenhändig durch Namensunterschrift oder mittels notariell beglaubigten Handzeichens zu unterzeichnen. Damit ist also nur die klassische Briefform ganz sicher. Die Übermittlung kann im Original erfolgen – was natürlich die sicherste Variante ist.

Ob es ausreicht, das Original einzuscannen und per Mail zu schicken, lässt sich im Moment nicht sicher sagen. In einem anderen Zusammenhang hat das Bundesarbeitsgericht jedenfalls die Übersendung per Telefax für nicht ausreichend erklärt (BAG, Urteil v. 10.5.2016, 9 AZR 145/15). Telefax und das Übersenden eines Scans sind sich in einem Punkt gleich: Der Empfänger erhält kein eigenhändig unterschriebenes Original, sondern nur eine Art Kopie. Zur Erinnerung: Telefax seht in seinem Wortteil „Fax“ für Faksimile oder Kopie.

Nichts ist ärgerlicher, als eine Kündigung nicht durchsetzen zu können, weil man nicht die richtige Form gewählt hat. Geht es um die Kündigung des Vertrages durch den Auftraggeber, unterscheiden sich die Kündigung aus wichtigem Grund und die ordentliche Kündigung in ihren Rechtsfolgen massiv. Soweit es um die nicht ausgeführten Leistungen geht, erhält der Auftragnehmer gar nichts, wenn der Auftraggeber aus wichtigem Grund kündigt. Bei einer ordentlichen Kündigung des Auftraggebers erhält der Auftragnehmer hingegen die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Aufwendungen.

Schriftliche Form in der VOB nicht geregelt

Anders sieht es hinsichtlich der Form bei Fristsetzungen zur Mangelbeseitigung, Bedenkenanmeldungen und Behinderungsanzeigen aus, also allen Mitteilungen, bei denen die VOB/B eine „schriftliche“ Übermittlung verlangt, die aber anders als die Kündigung im BGB nicht näher geregelt sind. Bei der VOB/B handelt es sich nicht um ein Gesetz, sondern um Allgemeine Geschäftsbedingungen, weshalb § 8 Abs. 6 VOB/B keine gesetzliche Formvorgabe darstellt. Dieser Umstand führte schon nach altem Recht, also vor Inkrafttreten von § 650h BGB, dazu, dass § 127 Abs. 2 BGB anwendbar war. Danach ist im Zweifel anzunehmen, dass die vereinbarte Schriftform auch durch „telekommunikative Übermittlung“ eingehalten wird. Das gilt jetzt erst recht und umfasst auch die Möglichkeit, eine E-Mail zu schicken. „Im Zweifel“ heißt aber, dass im Einzelfall die Vertragspartner es möglicherweise auch anders handhaben wollen, das Gesetz spricht hier von davon, dass „ein anderer Wille“ anzunehmen ist.

In der Kommunikation zählt der „Wille“ der Vertragspartner

In der Praxis ist es aber so, dass die Vertragspartner bei praktisch allen Projekten mehr oder weniger ausschließlich per E-Mail kommunizieren. Deswegen kann man immer sehr gut vertreten, dass gerade kein anderer Wille anzunehmen ist. Direkt in einem Baufall hat beispielsweise das OLG Jena, Urteil vom 26.11.2015 - 1 U 209/15, genau so entschieden. Aber auch das Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16.12.2009 - 5 AZR 888/08, hat sich so geäußert.

Leider gibt es auch Einzelfälle, in denen die Gerichte im konkreten Fall Anhaltspunkte gesehen haben, dass die Vertragspartner einen solchen „anderen Willen“ haben. Ein Indiz kann sein, dass tatsächlich Briefe gewechselt werden. Sehr selten beschränkt sich die Kommunikation auf der Baustelle auf Telefonate einerseits und den Austausch von schriftlichen Baustellenprotokollen andererseits. Dann ist natürlich Vorsicht geboten. Befindet sich das Projekt noch in einer sehr frühen Phase, kann auch die Form des Bauvertrags eine Rolle spielen. Wurde dieser ganz klassisch in zwei Originalen unterschrieben und dann ausgetauscht, kann man eine gewisse Neigung der Vertragspartner zu dieser traditionellen Form erkennen.

Schriftform wahren bei wichtigen Ansprüchen nach VOB

Weil es eigentlich kein großer Aufwand ist, die traditionelle Brief-Form einzuhalten, sollte man auch darüber nachdenken, ob nicht im konkreten Einzelfall mit wenig Aufwand viel Risiko vermieden werden kann. Bei Mängelrüge, Bedenken- und Behinderungsanzeigen geht es oft um Ansprüche, die wertmäßig sehr bedeutsam sein können. Das Risiko, diese Ansprüche zu verlieren, sollte man nach Möglichkeit reduzierten. Streitet man sich sowieso auf der Baustelle um alles und jedes und hat sich der Vertragspartner als besonders schwierig herausgestellt, kann es sehr hilfreich sein, nicht eine weitere Diskussion wegen der richtigen Form einer Mitteilung aufzumachen.

Vielleicht tröstet dann ein Gedanke: Als die VOB/B 1926 erstmalig formuliert wurde, bedeutete ein Brief des Vertragspartners etwas ganz Besonderes und war wichtigen Anlässen vorbehalten. Wenn es heute um einen wertvollen Anspruch geht, sollte man auf diesen Gedanken zurückkommen und sich besondere Mühe bei der Vorbereitung und Durchsetzung geben. Und dann muss man vielleicht auch mal zu Umschlag und Briefmarke greifen. Die Übermittlung ist übrigens gut nachweisbar, wenn man einen Boten (z.B. einen Mitarbeiter beauftragt). In der Praxis hat sich auch das Einwurf-Einschreiben bewährt, weil es eine Nachverfolgung der Sendung erlaubt.

Fazit: Bei der Schriftform lieber kein Risiko eingehen

Die besonders verlangte Schriftform kann für die Kündigung eines Bauvertrages nur durch einen klassischen, im Original übermittelten Brief eingehalten werden. Bei allen anderen Mitteilungen, Anzeigen etc. reicht die Form einer E-Mail, zur Risikovermeidung sollte aber insbesondere bei wertvollen Ansprüchen auch hier die klassische Form zur Risikovermeidung genutzt werden.

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