Kurze Haltbarkeit von Anlagen und Bauten: Normaler Verschleiß oder Mangel?
Es ist eine Frage der Haftung: Wann kann der Auftraggeber einen Mangel geltend machen, und wann darf der Auftragnehmer diese Inanspruchnahme zurückweisen mit Verweis auf normalen Verschleiß? Einige neue Gerichtsurteile können hier Klärung bringen.
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Bekanntlich hält nichts ewig. Albert Speer ließ sogar Entwürfe machen, wie seine Bauten in ferner Zukunft als Ruinen aussehen könnten. Praktische Probleme stellen sich aber schon viel eher, wenn eine Anlage schon bald nach der Abnahme nicht mehr funktioniert, eine Farbe nach einiger Zeit vergilbt – ist das dann ein Mangel? In vielen Branchen ist diese Frage existentiell, denn jede Farbe vergilbt irgendwann, jedes technische Gerät hat irgendwann verschleißbedingt Ausfälle, jede Steinstufe ist irgendwann abgenutzt.
Wann darf der Auftraggeber einen Mangel geltend machen, wann darf der Auftragnehmer diese Inanspruchnahme mit Verweis auf normalen Verschleiß oder normale Alterung zurückweisen? Diese Frage war natürlich auch schon Gegenstand von Gerichtsentscheidungen, jeweils bezogen auf bestimmte Leistungen. Mal ging es um eine möglicherweise vorzeitig ausgefallene Wärmepumpe (OLG Düsseldorf, Urteil vom 31.10.2022 - 22 U 231/21), mal um eine vergilbte Wand (BGH, Urteil vom 31.08.2017 - VII ZR 5/17).
Zu den einfachen Fällen gehören diejenigen, bei denen es zu einem aktiven Eingriff kommt. Das Eindrücken einer Trockenbauwand, das Anbohren einer Wasserleitung, das Aufbrechen eines Sicherungskastens: All das ist natürlich kein natürlicher Verschleiß, auch wenn man damit vielleicht von Anfang an rechnen muss. Bei solchen Eingriffen kann der Auftragnehmer natürlich haften, weil erst mit der Abnahme das Risiko solcher Schäden auf den Auftraggeber übergeht. Dies ist nur ein Grund, warum die Abnahme für den Auftragnehmer so wichtig ist. Hat die Abnahme (vielleicht) noch nicht stattgefunden, kann dieses Risiko noch beim Auftragnehmer liegen.
Mängel: Der Auftraggeber trägt die Beweislast
Bei Anlagen, die zu warten sind, Pflanzen die zu gießen sind etc. kann es zu einer sekundären Beweislast kommen: Der Auftraggeber muss das Vorhandensein des Mangels beweisen. Dabei kommt ihm die sogenannte Symptomtheorie zur Hilfe. Diese sagt, vereinfacht, dass der Auftraggeber einen Mangel ausreichend dargelegt hat, wenn er ein Symptom des Mangels bewiesen hat. Der Riss in der Wand beweist, dass sie nicht stabil ist, die ausgefallene technische Anlage, dass sie nicht funktioniert – und so weiter. Damit ist aber noch nicht endgültig nachgewiesen, dass es ein vom Auftragnehmer verursachter Mangel ist. Der Auftragnehmer kann in einem solchen Fall Tatsachen (oder auch entsprechende Symptome) vortragen, dass der Schaden auf ein fehlerhaftes Verhalten des Auftraggebers zurückzuführen ist. Der Auftraggeber muss auch nachweisen, dass er eine möglicherweise relevante Wartung, das Gießen von Pflanzen etc. vorgenommen hat. Insoweit trägt er die Beweislast.
Mangel: Kurze Haltbarkeit widerspricht dem Leistungsversprechen
Schwieriger ist es bei Veränderungen, die schleichend einfach passieren. Als Beispiel kann man die altersbedingten Veränderungen einer Wandfarbe nehmen. Der BGH hatte diesen Fall zu entscheiden. In diesem Verfahren ging es um eine weiß zu malende Wand, die nach einem Baustillstand von sieben Monaten noch vor der Abnahme vergilbt und fleckig war. In dem Prozess wird ein Sachverständiger gehört. Er bestätigt, wie vom Auftragnehmer vorgetragen, dass es bei weißen Farben aus technischen Gründen keine dauerhafte Farbstabilität geben kann. Es sei also gar nicht möglich, ein Vergilben und Flecken zu verhindern.
BGH: Berechtigte Erwartung laut Vertrag
Noch vor dem OLG schien das zu reichen. Der BGH aber hat nicht auf das technisch Mögliche geschaut – sondern auf den Vertrag und auf das, was der Auftragnehmer dort als Leistung versprochen hatte. Bei diesem Leistungsversprechen kommt es nicht allein auf das Wissen des Auftragnehmers an, sondern auch auf die berechtigte Erwartung des Bestellers. Diese berechtigte Erwartung wiederum ist dem Vertrag und dem Leistungsversprechen zu entnehmen. Der BGH trifft keine Tatsachenentscheidungen und erhebt keine Beweise, deswegen hat er die Sache an das OLG zurückgegeben. Diesem gab er u.a. auf, zu prüfen, ob der Auftragnehmer vor oder bei Vertragsschluss auf das Vergilbungsrisiko hingewiesen hat. Mit einem solchen Hinweis hätte sich der Auftragnehmer von seiner Haftung befreien können. Andersrum ausgedrückt: Wenn der Auftragnehmer keinen solchen Hinweis gegeben hat, kann er für die technisch unvermeidbare Vergilbung haften, weil er ein uneingeschränktes Erfolgsversprechen abgegeben hat.
OLG Düsseldorf: Kurze Haltbarkeit ist ein Mangel
Im Fall der ausgefallenen Wärmepumpe hat das OLG Düsseldorf festgestellt, dass sie weniger als sechs Monate mangelfrei funktioniert und dass dies nicht der Dauerhaftigkeit entspricht, die ein Auftraggeber erwarten kann. Sehr interessant wäre allerdings gewesen, welche Dauerhaftigkeit ein Auftraggeber erwarten darf, d.h. ab wann ein Ausfall nicht mehr als Mangel angesehen werden kann. In einem anderen Fall, in dem es um einen defekten Pkw ging, hatte ein Sachverständiger eine üblicherweise zu erwartende Laufleistung ermittelt. Allerdings ist eine solche Ermittlung bei Pkw vielleicht etwas einfacher, weil es sich um weitgehend standardisierte Teile handelt (im konkreten Fall ging es um eine defekte Doppelkupplung).
Mangel zurückzuführen auf die Leistungsbeschreibung: Auftragnehmer haftet
Diese Entscheidungen lassen sich gut in die allgemeine Rechtsprechung einordnen. Danach muss der Auftragnehmer eine erfolgreiche Leistung, also ein funktionsfähiges Ergebnis erstellen. Der Buchstabe des Vertrages allein ist dabei nur Teil seines Erfolgsversprechens. Wenn die Leistungsbeschreibung einem mangelfreien, funktionsfähigen Ergebnis im Wege steht, muss der Auftragnehmer Bedenken anmelden und darf die Leistung nicht einfach ausführen.
In § 13 Abs. 3 VOB/B ist das ganz klar ausgedrückt. Danach haftet der Auftragnehmer, wenn ein Mangel auf die Leistungsbeschreibung zurückzuführen ist – und kann sich nur schützen, indem er ordnungsgemäß Bedenken anmeldet und der Auftraggeber die ihm mitgeteilten Risiken übernimmt.
Haftungsausschluss bei Mängeln im Vertrag
Was muss im Vertrag stehen, damit der Auftragnehmer für normalen Verschleiß nicht haftet? Das muss erst einmal für jede Leistung für sich betrachtet werden. Maßgeblich ist dabei immer das Verständnis eines Auftraggebers. Dieser Auftraggeber wird gewissermaßen abstrakt betrachtet, d.h. womit wird ein durchschnittlicher Auftraggeber rechnen? Bei einer betonierten Wand wird der Auftraggeber eine andere Erwartungshaltung an Standfestigkeit und Dauerhaftigkeit haben als bei einem Bauzaun.
Auf welchen möglichen Verschleiß ist der Auftraggeber hinzuweisen? Der Jurist rät natürlich eher zur Vorsicht, denn was im Vertrag steht, kann man später hochhalten und damit viele Diskussionen beenden. Kein Auftraggeber will aber einen endlosen Hinweiskatalog auf mögliche, vielleicht auch fernliegende Risiken nach Art eines Medikamenten-Beipackzettels – den er vermutlich gar nicht lesen, vielleicht auch nicht verstehen würde. Außerdem würde ein sehr umfangreicher „Warnhinweis“ ganz sicher viele Auftraggeber auch verschrecken und zu weniger soliden Unternehmen treiben.
Erwartung des Auftraggebers mit technischen Hinweisen leiten
Es gilt also herauszufiltern, welche Erwartungen ein Auftraggeber haben wird und was für diese Erwartungen wirklich relevant ist, um sie nicht zu enttäuschen. Ganz sicher hilfreich ist dabei ein Vergleich mit der Werbung zentraler Leistungsteile. Wichtig ist es aber auch, mit etwas Distanz zu überlegen, was für einen Fachmann „normal“ ist, für einen Nicht-Fachmann aber vielleicht nicht zu erwarten ist. Letztlich muss dies in Abhängigkeit jeder Leistung spezifisch festgestellt werden. Verbraucher sind meist weniger fachkundig als z.B. ein Wohnungsbau-Unternehmen.
Manchmal hilft auch ein einfacher technischer Hinweis zu einer eigentlich eindeutigen Leistung. Wenn der Auftragnehmer z.B. eine „Vergrauungs-Lasur“ anbietet, ist nach einer kurzen Online-Recherche glasklar, dass dies keine deckende Farbschicht bedeutet und die Hauptfunktion nicht in der dauerhaften farblichen Gestaltung liegt, sondern dass sie bei der gleichmäßigen natürlichen Vergrauung einer Holzwand unterstützen soll. Der Endzustand ist dann die natürliche, aber eben möglichst gleichmäßig vergraute Holzwand. Dies kurz zu erläutern, kann die berechtigten Erwartungen des Auftraggebers leiten und Missverständnisse vermeiden. Ein Vorteil dieser technischen Erläuterung ist, dass der Auftraggeber (und ggf. sein Anwalt) mit einem Blick in den Vertrag feststellen kann, was er tatsächlich erwarten durfte und was nicht. Im Beispiel mit der vergilbten Wandfarbe war die Hauptleistung das Malen der Wand - bei dieser Hauptleistung hätte sich vermutlich ein klarstellender Hinweis gelohnt.
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Fazit: Auftragnehmer sollten Veränderungen vorab klären
Keine Leistung hat eine unendliche Haltbarkeitszeit. Nicht jede künftige Veränderung der fertigen Leistung kann und muss vom Auftragnehmer vorher mitgeteilt werden. Bei zentralen oder für einen Nicht-Fachmann unerwarteten Punkten sollte der Auftragnehmer im Sinne einer partnerschaftlichen Vertragsabwicklung und im Hinblick auf eine hohe Kundenzufriedenheit von Anfang an für Klarheit sorgen. Bleibt die Leistung hinter den berechtigten Erwartungen zurück, haftet der Auftragnehmer.
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