Bauverträge nach BGB: Mangelbeseitigung vor der Abnahme
In einer Entscheidung des BGH ging es darum, ob ein Auftraggeber schon vor der Abnahme der Leistungen Mängelansprüche geltend machen kann oder nicht.

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Die im Baubereich sehr beliebte VOB/B ist kein Gesetz, sondern nur ein vom Deutschen Vergabe- und Vertragsausschuss (DVA) formulierter Text, der erst durch eine vertragliche Vereinbarung Vertragsbestandteil und damit für die Vertragspartner verbindlich wird. Das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) gilt als Gesetz hingegen unabhängig von einer Vereinbarung, das macht sein Wesen als Gesetz aus.

Weil die VOB/B in manchen Dingen vom BGB abweicht, kann die VOB/B einer Inhaltskontrolle unterliegen. In dieser Beziehung ist die VOB/B wie jedes andere „Kleingedruckte“ als Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) zu betrachten. Eine wichtige Sonderregelung gibt es aber für die VOB/B: Wenn sie ohne Änderungen vereinbart wurde, dann findet keine Überprüfung nach den Regeln für AGB statt. Das wird auch als „Privilegierung“ der VOB/B bezeichnet.

Was heißt das? Zum Beispiel bei der Schlusszahlungserklärung (Verlust aller nicht rechtzeitig vorbehaltenen Werklohnforderungen) weicht die VOB/B massiv vom Gesetz ab. Diese Regelung ist, wenn der Auftraggeber den Vertrag formuliert und dabei Änderungen von der VOB/B vornimmt, als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam, also „so gut wie nicht geschrieben“.

Und bei Verbraucherverträgen ist die VOB/B überhaupt nicht in dieser Weise „sondergeschützt“ oder „privilegiert“. Dies hat dazu geführt, dass vermehrt Verträge ohne Einbeziehung der VOB/B abgeschlossen wurden.

Mängelansprüche vor der Abnahme?

In der Entscheidung des BGH vom 19.01.2017 (VII ZR 301/13) ging es um die Frage, ob ein Auftraggeber bereits vor der Abnahme der Leistungen Mängelansprüche geltend machen kann oder nicht. Mängelansprüche sind z.B. eine Mangelbeseitigung anstelle des Auftragnehmers (nach Fristsetzung oder unter anderen Voraussetzungen).

Warum kann das wichtig sein? Vorab muss festgestellt werden, dass die VOB/B dem Auftraggeber solche Mängelansprüche einräumt. So dann der Auftraggeber dem Auftragnehmer vor der Abnahme zur Beseitigung des Mangels eine Frist setzen. Kündigt er dabei die Kündigung an und verstreicht die gesetzte Frist, kann er dem Auftragnehmer kündigen und auf dessen Kosten einen Mangel beseitigen.

Beispiel: Der Auftraggeber hat beim Generalunternehmer ein schlüsselfertiges Gebäude mit 10 Stockwerken beauftragt. Die ersten fünf Stockwerde des Rohbaus sind fertig und alle Durchbrüche zwischen den Geschossen sind zu klein ausgeführt. Der Auftraggeber befürchtet, dass deswegen für die Leitungen der gesamten Gebäudetechnik nicht genug Platz zur Verfügung steht und daher die Leistungen unterdimensioniert sein werden. Das würde auch stimmen, wenn die Durchbrüche nicht vergrößert werden.

Der Auftraggeber hat mit dem Generalunternehmer die Geltung der VOB/B vereinbart. Der Generalunternehmer hat mit dem Rohbau (und damit den Durchbrüchen) einen Nachunternehmer beauftragt, aber ohne Geltung der VOB/B.

Der Auftraggeber kann in dem Beispielsfall die Beseitigung des Mangels verlangen. Weil die Funktionsfähigkeit der Gebäudetechnik, also Klima- und Heizanlagen beeinträchtigt wären, handelt es sich auch um einen drohenden wesentlichen Mangel, und der Auftraggeber könnte also dem Generalunternehmer nach Ablauf einer Frist und einer Kündigungsandrohung den gesamten restlichen Auftrag entziehen. Diese Frist wird im Zweifel deutlich kürzer sein als die Zeit, die dem Nachunternehmer für die Ausführung der fehlenden fünf Stockwerke zur Verfügung steht.

Der Generalunternehmer wird also versuchen, den Nachunternehmer zu einer Mangelbeseitigung zu bewegen. Noch einmal: Zwischen diesen beiden ist die Geltung der VOB/B nicht vereinbart.

BGH: Keine Mängelansprüche nach BGB

Und jetzt kommt das Urteil des BGH ins Spiel: Der BGH hat entschieden, dass grundsätzlich (Ausnahmen sind also möglich) ein Auftraggeber nach dem BGB (und ohne Vereinbarung der VOB/B) vor der Abnahme keine Mängelansprüche hat. Im Beispielsfall kann sich der Nachunternehmer im für den Generalunternehmer schlimmsten Fall zurücklehnen und den Generalunternehmer auf die Abnahme vertrösten. Vielleicht kündigt er auch an, bis zur Fertigstellung der noch fehlenden fünf Geschosse irgendwann den Mangel zu beseitigen. Der Generalunternehmer hat also ein ernst zu nehmendes Problem, weil der Auftraggeber kurzfristig mit einer Kündigung droht. Kann er den Mangel – auf Kosten des „schuldigen“ Nachunternehmers natürlich – beseitigen? Dies Problem gilt nicht nur für die Mangelbeseitigung durch den Generalunternehmer, sondern auch für die anderen Mängelansprüche wie Rücktritt und Minderung.

Der Grundsatz ist, dass eine solche Mangelbeseitigung zu Lasten des Auftragnehmers – im BGB als „Selbstvornahme“ bezeichnet – erst nach der Abnahme zulässig ist. Und vor der Abnahme gilt (erst recht), dass der Auftragnehmer das Recht hat, „seinen“ Mangel selber beseitigen kann und der Auftraggeber grundsätzlich keine Mängelansprüche hat. Ein Mängelanspruch wäre z.B. auch die Kündigung oder der Rücktritt nach dem Vertrag.

Wann gilt dieser Grundsatz nicht? Der BGH hat ausgeführt, dass der Auftraggeber dann Mängelansprüche hat, wenn er deutlich macht, dass er unter keinen Umständen mit dem Auftragnehmer weiter zusammenarbeiten will und eine Mangelbeseitigung durch den Auftragnehmer ablehnt. Eine weitere Voraussetzung ist allerdings, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber vorher die Leistung als (angeblich) abnahmereif anbietet.

Genau das ist aber im Beispielsfall nicht gegeben, der Auftragnehmer muss ja noch fünf weitere Stockwerke des Rohbaus errichten. Abnahmereife ist also für beide ersichtlich noch in weiter Ferne.

Auftragnehmer hält seine Leistung für mangelfrei

Bei dieser einen Möglichkeit hat es der BGH aber nicht bewenden lassen. Er hat auch noch weitere Handlungsmöglichkeiten angesprochen. Jetzt wird es etwas juristischer: Und zwar geht es um § 314 BGB, eine Vorschrift, die nicht direkt zum Werkvertragsrecht gehört, aber für Verträge aller Art gelten soll. Und dort geht es um eine Kündigung aus wichtigem Grund, wenn der einen Seite die Fortsetzung des Vertrages auch nach einer Interessenabwägung nicht zugemutet werden kann.

Zu dieser Vorschrift hat das OLG Hamburg (v. 01.10.2015, 5 U 146/10) entschieden, dass der Auftraggeber einen Vertrag kündigen kann, wenn ganz erhebliche Mängel an der vom Auftragnehmer erbrachten Leistung vorliegen und der Auftraggeber diese Mängel mehrfach gerügt und den Auftragnehmer erfolglos zur Nachbesserung aufgefordert hat. Dann ist dem Auftraggeber die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zuzumuten. Allerdings hatte der Auftragnehmer im entschiedenen Fall den Auftraggeber zur Abnahme aufgefordert und damit so getan, als sei die Leistung mangelfrei. Auch andere frühere Urteile betreffen immer Fälle, in denen der Auftragnehmer seine Leistung für mangelfrei hält. In der Regel sind die Leistungen auch abgeschlossen und der Auftraggeber hat mehrfach erfolglos die Beseitigung gefordert.

Besonderheit zwischen GU und Nachunternehmer

Genau diese Voraussetzungen sind im Verhältnis von Generalunternehmer und Nachunternehmer aber nicht erfüllt: Der Nachunternehmer gibt ja zu, dass seine Leistung mangelhaft ist und wird den Mangel auch beseitigen – nur will er das zu einem Zeitpunkt, der ihm passt, tun und die Arbeiten dauern noch an.

Es sieht daher für den Generalunternehmer nicht gut aus! Sein Auftraggeber wird wohl den Vertrag kündigen, und er hat nicht die Möglichkeit, dies durch eine Beseitigung des Mangels auf Kosten des Nachunternehmers zu verhindern. Vermutlich wird er sich dafür entscheiden, den Mangel auf eigene Kosten zu beseitigen und dann versuchen, den Nachunternehmer dennoch in Anspruch zu nehmen, auch wenn die Chancen dafür nicht gut stehen.

Er kann seine Chancen etwas verbessern, indem er den Nachunternehmer nach einer Fristsetzung aus wichtigem Grund kündigt. Allerdings erhöht der Generalunternehmer dabei auch das Risiko, weil der Nachunternehmer einwenden könnte, es liege gar kein wichtiger Grund vor und der Generalunternehmer habe ordentlich gekündigt. Das würde dem Nachunternehmer einen weiteren Zahlungsanspruch geben.

Hinweis für die Praxis

In dem beschriebenen Fall ist der Generalunternehmer unter Druck geraten, weil er mit dem Auftraggeber die Geltung der VOB/B vereinbart hatte und mit dem Nachunternehmer nicht. Hätte er es umgekehrt gemacht, also mit dem Auftraggeber keine Geltung der VOB/B vereinbart, aber mit dem Nachunternehmer, wäre diese Situation so gar nicht erst entstanden. Genau so wäre es, wenn er mit beiden in gleicher Weise die Geltung der VOB/B vereinbart hätte oder eben nicht.

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Natürlich besteht auch die Möglichkeit, einen reinen BGB-Vertrag um eine Klausel zu ergänzen, dass der Auftraggeber auch vor der Abnahme die Beseitigung von Mängeln verlangen darf und nach Ablauf einer angemessenen Frist den Mangel anstelle des Auftragnehmers beseitigen kann.

Dieser Punkt kann – insbesondere in mehrstufigen Vertragsverhältnissen – wie dargestellt sehr wichtig sein und sollte bei der Gestaltung der Verträge entsprechend beachtet werden.

Fazit: Die Einbeziehung der VOB/B hat grundsätzlich mehr Möglichkeiten des Auftraggebers, Mangelbeseitigung vor der Abnahme zu fordern, zur Folge. Das BGB hingegen schützt den Auftragnehmer insoweit bis zur Abnahme stärker und lässt ihm mehr Spielräume. Dies müssen Unternehmen insbesondere in mehrstufigen Vertragsverhältnissen beachten.


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