2024 feiert DAF 75 Jahre Lkw-Produktion in Eindhoven. Zum Jubiläum holen die Niederländer einen 1968er Fahrmischer vom Typ DAF A 1902 DS aus dem Museum und lassen ihn gegen den DAF XDC 8x4 aus heutiger Fertigung antreten. Beeindruckend, was ein halbes Jahrhundert Lkw-Bau hervorgebracht hat.
Im Fahrmischer-Generationenvergleich: goldfarbener XDC von 2023 und blauweißer Oldie A 1902 DS von 1968. | Foto: QUATEX
Breit ist das Lächeln von Peter Oeuer, als er bei herrlichstem Sonnenschein den Diesel vorglüht. Auf Schlag springt der betagte Sechszylinder an und erwacht mit dumpf nagelndem Sound, der fast ungefiltert ans Ohr der Kabinenbesatzung dringt. Um Motoröl und Kühlwasser anzuwärmen, lässt der 69-Jährige die Maschine ein paar Minuten im Stand laufen und tritt zwischendurch ein, zwei Mal beherzt aufs Gaspedal. Der Motor des DAF A 1902 DS heult kurz auf und werkelt dann wieder recht gleichmäßig zwischen Fahrer- und Beifahrersitz mitten in der engen Kabine. Nur eine dünne, mäßig gedämmte und abnehmbare Blechhaube trennt das 5,8 l große Triebwerk von der Besatzung. Kein Wunder, dass Lärm, Motorwärme und der typische Geruch von heißem Öl ins Innere dringen.
Kikker-DAF als Lkw-Legende
Oeuer hat das gute Stück für eine Vergleichsfahrt mit seinem „Urenkel“ aus dem DAF-Museum geholt, wo der rüstige Rentner zwei Tage in der Woche aushilft. Heute ist selbst für ihn ein erhabener Moment und Grund zur Freude. Den Oldie kennt der Niederländer aus dem Effeff. Schließlich hat er als ehemaliger Lkw-Fahrer früher selbst hinter dem Lenkrad eines „Frosch“ gesessen und unter anderem mehrmals die Woche im Pendelverkehr zwischen Eindhoven und Aachen Waren verladen und transportiert. „Kikker-DAF“ (Kikker steht niederländisch für Frosch) ist der Spitzname der legendären DAF A 1600- bis 1900-Baureihe, weil sie mit der runden Form und den kleinen Kulleraugen-Scheinwerfern an ein sympathisches Froschgesicht erinnert. Heute sind die runden Scheinwerfer mit Chromring längst modernem LED-Licht gewichen.
Lkw-Legende: Das alte DAF-Logo am A 1902 DS erinnert an längst vergangene Tage. | Foto: QUATEX
Duell DAF-Fahrmischer alt gegen neu
Anlass für das rege Treiben ist ein Jubiläum, das DAF im Jahr 2024 feiert. Vor 75 Jahren lief nämlich der erste DAF-Lkw in Eindhoven vom Band. Grund genug, in die Vergangenheit zu schauen und den Veteranen aus 1968 im Generationenvergleich gegen den Jungspund Baujahr 2023 antreten zu lassen. Besser lassen sich Fortschritt und Ingenieurskunst im Lastwagenbau der vergangenen 55 Jahre kaum dokumentieren. Fahrmischer von damals gegen Fahrmischer von heute heißt das ungleiche Duell. Da will sich eine betagte halbe Portion mit einem echten Muskelprotz samt allem Schnickschnack messen. Das verrät der Blick auf die technischen Daten: Nicht nur Achsanzahl, Nutzlast, Gesamtgewicht und Ladevolumen sind beim DAF 1902 DS halbiert, auch beim Antriebsstrang sieht es düster aus. Hubraum, Leistung und Ganganzahl hat der moderne DAF XDC-Fahrmischer mindestens doppelt so viel in petto wie der Zwerg aus Zeiten vor der ersten Ölkrise. Beim Motordrehmoment steht sogar fast der vierfache Wert in den Papieren. In keinem Truck-Quartett hätte der kleinen Racker eine Chance auf einen Gewinn.
Oldtimer-DAF erregt Aufsehen
Was 1968 das Non-Plus-Ultra galt, ist heute nicht mal Mittelmaß. Nur bei den Sympathie-Werten macht der A 1902er einen Stich. Nicht wenige – jung wie alt – schauen sich bei Schleichfahrt im dichten Stadtverkehr nach dem Oldie um und bekommen einen langen Hals. Schick in Schale geworfen und ohne einen Rostfleck sorgt der weißlackierte Schönling mit blau-weißer Mischer-Trommel für gerade einmal 4 m3 Frischbeton für Aufsehen. Klar, so einen Eyecatcher bekommt man auch in Holland nicht alle Tage zu Gesicht.
Vom Museum auf die Straße mit dem Fahrmischer Kikker DAF A 1902 DS und 165 PS aus 5,78 Liter Hubraum. | Foto: Bart Lijten
Sein Eigentümer hat ganze Restaurier-Arbeit geleistet. Offensichtlich gab es nicht viel zu tun. Obwohl mehr als ein halbes Jahrhundert alt, standen beim Gang ins Museum nur 600 Fahrkilometer auf dem Tacho. Die Firma Stolk in IJmuiden teilte den Wagen beim Bau von zwei SeehafenPiers an der Nordseeküste nur für den stationären Betrieb ein. So rollte dieser DAF-Mischer später ohne große Gebrauchsspuren in die heiligen Hallen des Lkw-Herstellers. Andere Fahrmischer hatten weniger Glück, wurden sie doch aufgrund ihres teuren Aufbaus oft bis zum Auseinanderfallen genutzt.
Abenteuerlicher Einstieg in den Kikker-DAF
Nach einer Fahrpause darf der Journalist selbst ans Steuer des Schätzchens. Schon das Einsteigen ist eine Kunst und nicht ganz ungefährlich. Keine Berufsgenossenschaft würde das heute noch durchgehen lassen. Um den „Frosch“ zu entern, wandert der rechte Fuß auf die Trittstufe hinter dem Kotflügel. Eine schmale Griffstange an der B-Säule hilft, das Gleichgewicht zu halten. Jetzt stellt sich das linke Bein auf die dünne Kante des Kotflügels. Um nicht abzurutschen, ist das abgerundete Blech mit Gummi überzogen. Die freie Hand ergreift das Lenkrad und mit etwas Schwung ist der stahlgefederte Einfachsitz erreicht.
Riskante Kletterpartie ins beengte Fahrerhaus des DAF A 1902 DS der 60er Jahre. | Foto: QUATEX
Kikker-DAF: Historischer Charme in der Kabine
Das dünne weiße Speichenlenkrad lässt einen freien Blick auf die Rundinstrumente zu. Großer Drehzahlmesser links, großer Tacho rechts. In der Mitte zwei kleine Anzeigen für den Bremsdruck. Wichtig: die Temperaturanzeige fürs Kühlwasser ganz links in der einfach gehaltenen Armaturentafel. Ganz rechts zwischen diversen Drucktasten prangt noch eine kleine Tankanzeige. Die Scheibenwischermotoren sitzen direkt im Glas der kleinen Frontscheibe. Als Kuriosum stellt sich der Antrieb der Mischertrommel heraus. Ihn übernimmt eine Frontzapfwelle, die vorne an der Kurbelwelle des Motors angeflanscht ist. Sie treibt die Hydraulikpumpe an, die unter einem Blechkasten auf der vorderen Stoßstange platziert ist. Vor dort aus verlaufen aufwendig unter der Kabine verlegte Hydraulikschläuche nach hinten zum Trommelantrieb, der über Zahnräder und Kette wie bei einem Fahrrad funktioniert.
Kikker-DAF Cockpit: Im Oldie sind die Rundinstrumente am richtigen Platz und gut ablesbar. Die Lenkung hat schon Servounterstützung. | Foto: QUATEX
Mit Gefühl: Auf Spritztour mit dem Kikker-DAF
Die kurze Spritztour mit dem 16-Tonner stellt sich als harte Arbeit heraus, auch wenn sein 165-PS-Motor die Fuhre ganz ordentlich auf Trab hält. Das Zwischenkuppeln beim Hochschalten im unsynchronisierten Sechsgang-Getriebe von ZF klappt ohne Probleme. Auch der Schuss Zwischengas beim Herunterschalten wird nicht vergessen. So werden die Getriebewellen auf möglichst gleiche Drehzahl gebracht, damit die Zähne leichter und ohne Zahnweh ineinandergreifen können. Einmal begriffen, ist es wie Fahrradfahren. Das verlernt man auch nicht. Nur sofort den gewünschten Gang zu finden, stellt sich auf den ersten Metern als Härtefall heraus. Der Griff zum Schaltstock führt nach hinten auf Höhe der Rückenlehne des Fahrersitzes. Mehr fühlen als sehen, ist angesagt. Der klapprige und lang gebogene Schalthebel lässt sehr viel Spielraum zu. Die Schaltwege nach einfachem H-Muster sind weit, die Gassenführung ungenau. Da knirscht schon mal ein Zahn im Getriebe.
Zum Schalten wandert der Griff blind nach hinten, wo der lange, dünne Schaltstock direkt aus dem Getriebe emporragt. | Foto: QUATEX
Im zweiten Gang geht’s los. Die erste Stufe ist für die Leerfahrt mit dem Zweiachser zu kurz übersetzt. Bei Tempo 15 erfolgt der Wechsel in den Dritten. Die Vier liegt ab 20 km/h drin und zwischen 30 und 40 km/h übernimmt die fünfte Stufe. Schon ab Tempo 45 auf gerader Strecke darf der Sechste ran. Mit ihm geht’s bis maximal 70 km/h, dann wird das Fahrwerk unruhig und die Lenkung schwammig. Und sehr laut wird’s außerdem, eine Unterhaltung fast nur noch schreiend möglich. Ein klingelndes Mobiltelefon hört ohnehin niemand mehr. Und immer wieder pfeift der Kompressor ab, weil der Druck in den Luftkesseln zu groß ist. Er läuft ständig mit, eine Abschaltung gibt es für ihn nicht.
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DAF XDC: Im Vergleich zum Kikker-DAF „purer Luxus“
Viel leichter geht die Arbeit im moderne DAF XDC von der Hand. Obwohl der Einstieg viel höher ausfällt, geht‘s über drei breite rutschsichere Trittstufen wesentlich müheloser hinauf. Haltestangen links und rechts helfen dabei. Innen erwartet den Fahrer ein luftgefederter Komfortsitz, verstellbares Multifunktionslenkrad, digitale Displays, Klimaanlage und ein DAF Corner View für die perfekte Sicht um die Kabine herum. Darüber hinaus unterstützt den Mann am Lenkrad eine ganze Sammlung an Assistenzsystemen. Purer Luxus im Vergleich zum „Frosch“.
Modernes Cockpit mit digitalen Instrumenten, Multimedia-Display und verstellbarem Multifunktionslenkrad im DAF XDC. | Foto: QUATEX
Kein Vergleich auch Motorleistung und Schaltung. Stehen beim Oldie rund 10 PS pro Tonne zur Verfügung, kann der moderne Mischer mit immerhin 14 PS pro Tonne dienen. Der taufrische Paccar MX-11 mit 10,8 l Hubraum und 450 PS Spitzenleistung grummelt im Leerlauf nur leise vor sich hin. Jetzt den rechten Lenkstockhebel von Neutral auf „D“ gestellt, den Rest übernimmt das Traxon-Getriebe automatisch und reagiert sofort auf des Fahrers Fuß am Gaspedal. Manuelle Eingriffe sind jederzeit möglich. Fürs Verzögern des Vierachsers dient eine kraftvolle Motorbremse, die bei Bedarf von der Betriebsbremse unterstützt wird. Von solcher Finesse kann das Museumsschätzchen mit DAF DS 575 unter der Haube nur träumen. Der Reihensechser muss ohne Motorbremse auskommen.
DAF XDC, der "Urenkel" vorn und sein "Urgroßvater" dahinter - zwei Betonmischer auf Tour rund um Eindhoven. | Foto: Bart Lijten
75 Jahre DAF
Ein halbes Jahrhundert Lkw-Entwicklung hat bei DAF Wunder bewirkt. Heute entstehen in Eindhoven Lastwagen, die mit Komfort, Wirtschaftlichkeit und Sicherheit glänzen können. Das war in den Anfängen des Lkw-Baus nicht abzusehen. Den Grundstein legte DAF schon 1928. In den ersten Jahren war das Eindhovener Unternehmen auf Reparaturen und Anhängerbau spezialisiert. Der erste Lkw A30 der Van Doorne's Aanhangwagenfabriek – kurz DAF – rollte 1949 aus der Halle. Zunächst lief der Dreitonner als nacktes Fahrgestell mit Motor, Kühler und Kühlergrill vom Band. Der Bau der Fahrerhäuser übernahmen Aufbauhersteller. Erst 1953 begann DAF, eigene Kabinen zu entwickeln. Kurz darauf folgten die ersten eigenen Dieselmotoren. Anfang der 60er-Jahre überraschten die Niederländer mit dem DAF 2600, der mit großem Haus und Bett ganz auf internationale Transporte ausgerichtet war. In den 1980er Jahren folgte der legendäre DAF 95 für den Fern- und Schwerlastverkehr. Er brachte es mit den für damalige Verhältnisse riesigen Kabinen Space Cab und Super Space Cab zu viel Ruhm und Ehre, was sich mit den heutigen XF, XG und XG+ zu wiederholen scheint.
Zwischen den DAF-Fahrmischern liegt über ein halbes Jahrhundert Entwicklungsarbeit. Trommelgröße, Gesamtgewicht und Achsanzahl haben sich inzwischen verdoppelt. | Foto: QUATEX
DAF Fahrmischer im Vergleich - gestern und heute
Fahrzeug
DAF A 1902 DS 4x2
DAF XDC 450 FAD 8x4
Baujahr
1968
2023
Kabine
Frontlenker-Fahrerkabine, mit Einstieg über Radkästen hinter Vorderachse, Sitze mit Feder-Dämpferbein, abnehmbare Motorhaube im Fahrerhaus, Mini-Dachluke, Rückwandfenster
XD-Tagesfahrerhaus mit Einstieg über 3 Trittstufen vor Vorderachse, Stahlstoßstange, Rückwandfenster, Bordsteinfenster rechts, DAF Corner View, luftgefederte Komfortsitze, digitales Fahrerdisplay
Motortyp
DAF DS 575, Euro 0, Sechszylinder-Reihendiesel mit Turboaufladung
Paccar MX-11, Euro 6, Sechszylinder-Reihendiesel mit Turboaufladung, Ladeluftkühlung, Common-Rail-Einspritzsystem