Sind Stahlbauteile aus China geeignet für deutsche Brücken?
Der Landesbetrieb Straßenbau des Landes Nordrhein-Westfalen, Straßen NRW, hat der Porr Deutschland GmbH den Bauauftrag für die A1-Rheinbrücke Leverkusen „aus wichtigem Grund“ gekündigt. Straßen NRW hält die für den Einbau in die Brücke vorgesehenen Stahlbauteile für irreparabel mangelhaft. Die Auftragnehmerin weist die Vorwürfe entschieden zurück und verlangt volle Bezahlung.
Das Mischen wird digital
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Im Oktober 2017 hatte die Porr Deutschland GmbH als Generalunternehmer den Zuschlag für den Neubau der Autobahnbrücke über den Rhein bei Leverkusen erhalten. Die Auftragssumme betrug 363 Mio. €. Als Nachunternehmer für die Lieferung der für den Brückenbau erforderlichen Stahlbauteile hatte Porr den Stahlbauer China Railway Shanhaiguan Bridge Group beauftragt.
Bei deutschen Stahlbauern ist diese Konstellation auf Ablehnung gestoßen. Das bauforumstahl, der Verein der die Interessen von Stahlbauern und -herstellern vertritt, bemängelte im Januar 2018 Fehler in der Ausschreibung. Es sei versäumt worden, in der Ausschreibung die in Deutschland üblichen Normen und Qualitäten zu fordern. Insbesondere vermisst der Verband, dass die ZTV-ING (Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Verkehrsbauten) und das Q1-Gütesiegel der Deutschen Bahn Bestandteile der Ausschreibung waren. Mit dem Gütesiegel werden für den Bau von Brücken zugelassene Stahlbauer zertifiziert. Die Vorwürfe des bauforumsstahl gipfelten in der Forderung nach einer Neuausschreibung der Zulieferung für die Stahlbauteile.
Verkehrsministerium unter Rechtfertigungsdruck
Dem widersprach Verkehrsminister Wüst. In seiner Antwort auf Fragen eines Abgeordneten des Landtages vom März 2018 wies Verkehrsminister Wüst darauf hin, dass sehr wohl die Inhalte der ZTV-ING Bestandteil der Ausschreibung waren. Ergänzend führte er aus, dass bei einer EU-weiten Ausschreibung keine „regionalen Bezugspunkte oder Herstellungsländer vorgegeben werden können“. Es dürften ausschließlich technische Qualitätsanforderungen definiert werden.
Im nordrhein-westfälischen Landtag blieb die Vergabe des Auftrags an Porr mit dem chinesischen Hersteller als Nachunternehmer weiterhin Gegenstand von Diskussionen. Begleitet wurde dieser Prozess durch zahlreiche Veröffentlichungen in der Presse, in denen sehr schnell vom „China-Schrott“ für den Brückenbau die Rede war. Das Verkehrsministerium geriet offensichtlich unter einen Rechtfertigungsdruck wegen der Auftragsvergabe.
In seinem Bericht vom 13. Mai 2020 an den Verkehrsausschuss des Landes NRW hat Verkehrsminister Hendrik Wüst noch einmal ausführlich Stellung bezogen. Darin legt er ausdrücklich Wert auf die Feststellung, dass aufgrund des Vergabeverfahrens der Auftraggeber Straßen NRW keine Möglichkeit hatte, auf die Auswahl der Nachunternehmer Einfluss zu nehmen. Der chinesische Stahlbauer konnte alle erforderlichen Nachweise und Zertifikate erbringen. „Die übermittelten Auskünfte und Nachweise boten ... keinen Anlass, an der vorgesehenen Qualitätssicherung zu zweifeln. Der Auftrag musste an die Porr vergeben werden“, heißt es in dem Bericht des Ministers an den Verkehrsausschuss.
Wie konnte es trotzdem zu der Kündigung des Auftrags kommen?
Der Start der Baustelle stand unter einem ungünstigen Stern. Wechselweise Hoch- und Niedrigwasser des Rheins behinderten die Tiefensondierungen zur Kampfmittelsondierung, die den Gründungsarbeiten für die Brückenpylonen vorhergehen mussten. Das Resultat war ein Jahr Verspätung für die Baustelle.
Ende 2018 wurden dann auch noch asbestbelastete Bauteile an der Brücke festgestellt, die den Rückbau der alten Brücke nach Ansicht der Auftragnehmerin erschwerten und die in den Ausschreibungsunterlagen nicht erwähnt worden waren, da Straßen NRW anscheinend davon keine Kenntnis hatte.
Das alles mündete in einer Nachtragsforderung der Porr in Höhe von 263 Mio. € und dem Verlangen nach einer Bauzeitverlängerung um 56 Monate. Diese Forderungen zog die Porr im April 2020 zur Prüfung zurück, allerdings mit dem Vorbehalt sie erneut vorzulegen.
Der Stahlbau sorgte für Spannungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmerin. In China sollten Hohlbaukästen aus Stahl entstehen mit einer Länge von 24 bis 28 m und einem Querschnitt von ca. 4,5 x 4,5 m. Sie sind mit Kopfbolzendübeln bestückt, über die eine schubfeste Verbindung mit dem später aufzubringenden Beton der Fahrbahnplatte hergestellt wird.
Zur Sicherung der Qualität der Stahlbauteile war die Porr zur Eigenüberwachung der Produktion in China verpflichtet. Porr übertrug diese Aufgabe an den TÜV-Rheinland. Zusätzlich beauftragte Straßen-NRW zwei Ingenieurbüros mit der Fremdüberwachung des Produktionsprozesses vor Ort in China.
Unterschiedliche Beurteilung von Mängeln
Sowohl die Eigenüberwachung als auch die Fremdüberwachung stellten Fehler bei der Produktion der Stahlbauteile fest. Streit gab es allerdings darüber, wie diese Mängel zu bewerten seien. Darüber gab es nach dem Bericht des Verkehrsministers diverse Treffen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer.
Porr und der TÜV-Rheinland waren der Meinung, dass die Mängel nicht so gravierend seien, dass sie durch Nacharbeit nicht beseitigt werden könnten. Unter Vorbehalt stimmten auch die Fremdüberwachung des Auftraggebers Straßen-NRW der Verschiffung der ersten Stahlbauteile nach Rotterdam zu.
In Rotterdam prüfte dann ein dritter Gutachter, beauftragt von Straßen NRW, erneut die Stahlbauteile. Der Gutachter kam zum Ergebnis, dass die Stahlbauteile nicht verwendbar seien und neu produziert werden müssten.
Dazu war die Porr GmbH nicht bereit. Sie hält die Vorwürfe, die schließlich in der Kündigung des Auftrags mündeten, für ungerechtfertigt. „Gutachten renommierter Stahlbau-Experten und der TÜV Rheinland bestätigen, dass eine Beseitigung der festgestellten Fehlstellen unproblematisch vorgenommen werden kann. Eine Neuproduktion aller Stahlbauteile sei entsprechend der Gutachten nicht notwendig und nicht nachvollziehbar,“ erklärt Porr. Die beanstandeten Mängel seien im voluminösen Stahlbau immer anzutreffen. „Der TÜV Rheinland hat in seiner Presserklärung vom 18.4.2020 bestätigt, dass eine Beseitigung der Fehlstellen unproblematisch vorgenommen werden kann und hält alle Stahlteile für nachbesserungsfähig“, macht Porr geltend.
Das Unternehmen verweist auch darauf, dass der Stahlbauer China Railway Shanhaiguan Bridge Group ein renommiertes international agierendes Unternehmen für Stahlbrücken sei. Weltweit hat das Unternehmen Brücken errichtet. Es sei nach allen europäischen und deutschen Normen zertifiziert.
Neue Ausschreibung mit Porr-Beteiligung
Die Porr gibt sich kämpferisch und will ihren Rechtsstandpunkt und ihre wirtschaftlichen Interessen nachdrücklich vertreten. Porr hat von ihrem vertraglichen Recht Gebrauch gemacht, eine Schiedsbegutachtung durch eine staatlich anerkannte Prüfstelle zu beantragen. „Sollte es weiterhin keine Verständigung geben, kann so eine neutrale Klärung … herbeigeführt werden“, gibt die Porr sich optimistisch.
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Inzwischen wurde der Bau der Autobahnbrücke neu ausgeschrieben. Im Unterschied zur ersten Ausschreibung soll jetzt der Stahlbauer im Rahmen einer Arbeitsgemeinschaft als vollwertiger Auftragnehmer für das Angebot geradestehen. Die Porr GmbH beteiligt sich auch an der neuen Ausschreibung.
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