Serielles Bauen als Lösung für den Wohnraummangel?
In Deutschland werden zu wenige bezahlbare Mietwohnungen gebaut. In den Ballungszentren herrscht ein enormer Nachfragedruck. Die Bauindustrie propagiert deshalb seit einiger Zeit das serielle Bauen als „Wohnraum-Booster“. Kann seriell und modular gefertigter Wohnraum zur Lösung des Wohnungs-Problems beitragen?
Das Mischen wird digital
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Die von der Ampelregierung angekündigten 400.000 Wohnungen jährlich sind ein ambitioniertes Ziel. Aber „gegen Wohnungsnot hilft nur neues Bauen“, hieß es dazu von der Bauindustrie. Woran es insbesondere mangelt, ist bezahlbarer und geförderter Wohnungsbau. Bundesbauministerin Klara Geywitz setzt bei der geplanten Wohnbauoffensive der Ampel-Koalition auf eine einheitlichere Bauweise. „Um den Prozess zu beschleunigen, werden wir Modelle für serielles Bauen starten", erklärte sie gegenüber der Presse.
Vorteil durch Vorfertigung
Beim seriellen oder modularen Bauen werden 60 bis 90 Prozent der Bauarbeiten innerhalb der Produktionsstätte abgeschlossen, wodurch das Risiko wetterbedingter Verzögerungen auf der Baustelle entfällt. Gebäude können früher bezogen werden, was zu einer schnelleren Kapitalrendite führt. Aufgrund der witterungsunabhängigen Produktion können Bauten zu jeder Jahreszeit gebaut werden.
Lange Zeit war modulares Bauen mit Vorbehalten gegenüber gleich aussehenden Standardbauten verbunden. Häufig geäußerte Kritik war die vermeintlich planerische Unfreiheit. Das ist vorbei. Dank steigender Qualität und gestalterischer Möglichkeiten erfüllt das modulare Bauen mittlerweile schon lange die Kriterien und Ansprüche moderner und nachhaltiger Immobilien. Zeitgenössische Modulbauten sind bau- und energietechnisch optimiert, konstruktiv hochqualitativ und sind konventionell errichteten Bauten ebenbürtig. Außerdem: Modular hergestellte Gebäude müssen den gleichen Bauvorschriften und -standards entsprechen wie vor Ort errichtete Bauten. Sie werden mit denselben architektonischen Spezifikationen geplant und festgelegten Materialen erbaut. Im Endzustand sind sie praktisch nicht mehr von ihren konventionell gebauten Gegenstücken zu unterscheiden. Zudem erzeugt das in der Fabrik hergestellte Gebäude deutlich weniger Abfall. Der in der Herstellung erzeugte Müll ist durch das Recycling und ständiger Kontrollen des Lagerbestandes besser verwaltbar.
Serieller Bau aus Sicht der Bau- und Immobilienbranche
Bleibt die Frage, wie die hohe Wohnungsnachfrage zu bedienen ist. Fakt ist: Es wird nicht schnell genug gebaut. Gerade 300.000 Wohnungen werden bisher pro Jahr gebaut. Ist serielles und modulares Bauen die Antwort? Können serielle und modulare Bauweisen schnell und effizient mehr bezahlbaren Wohnraum schaffen? Und wenn ja: Welche Rahmenbedingungen sind nötig für eine erfolgreiche Umsetzung? Wir sprachen darüber mit Fabian Viehrig, Experte für das serielle Bauen beim GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen e.V. sowie mit Heinrich Weitz, Fachreferent beim Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V.
B_I: Wie beurteilen Sie die im Koalitionsvertrag als Ziel genannten 400.000 Wohneinheiten jährlich? Schafft die deutsche Bauwirtschaft das, sind die Kapazitäten vorhanden?
Heinrich Weitz: Nach unserer Auffassung sind die 400.000 Wohnungen zunächst ein Wunschziel. Wir haben im Bauhauptgewerbe seit 2009, dem Tiefpunkt der Beschäftigung, 30 Prozent Personal aufgestockt, also 200.000 mehr Beschäftigte. Allerdings fast ausschließlich aus dem europäischen Ausland. Wir haben gerade erst für die Verlängerung der Balkanregelung geworben. Damit hat die Bundesregierung auch über 2020 hinaus für Staatsangehörige von Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien einen privilegierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt geschaffen. Wir glauben, dass dort noch mehr qualifizierte Fachkräfte zu gewinnen sind. Wir haben die Kapazitäten nicht von Anfang an hochgefahren, weil erst Vertrauen in die Zukunft vorhanden sein muss. In diesem Zusammenhang ist Ankündigung von 400.000 Wohnungen hilfreich. Wenn sich das serielle Bauen durchsetzt, sehe ich die Möglichkeit, dem Ziel nahe zu kommen. Dafür benötigen wir Typengenehmigungen, die in allen Bundesländern verpflichtend gelten. Insoweit sind die Länder gefragt, wenn es um eine Vereinfachung des Bauens geht.
Fabian Viehrig: Wir halten die 400.000 Wohnungen für sehr ambitioniert, vor dem Hintergrund von bisher 300.000 Wohnungen. Also ambitioniert, aber nicht unerreichbar. Aber wir brauchen dazu Weichenstellungen. Das kann das Ministerium aber nicht allein, weil Bauen auch viel Länder- und viel Kommunalsache ist. Bleibt zu hoffen, dass das Ministerium Weichen stellt und Signale sendet, auch in die Bauindustrie, damit serielle, modulare, industrielle Formen des Bauens mehr Schlagkraft bekommen.
Aber wir haben nicht nur das Thema Baukapazitäten und Baupreise, die uns behindern, sondern auch das Thema Bauflächen, was uns am meisten Probleme bereitet. Gerade in den Boomtowns wie Berlin oder München sind Flächen knapp und teuer. Der Punkt ist, wie wir das aufgelöst bekommen.
B_I: Welche Hemmschwellen sehen Sie noch?
Viehrig: Zum Beispiel das Vergaberecht und die Zulassung von Bauprodukten. Da kann der Bund mitgestalten und auch Weichen stellen. Beim Thema Flächen wird das schwieriger. Es bleibt also nur, auf den vorhandenen Flächen mehr zu bauen und zu verdichten. Das aber ist ein gesellschaftliches Problem, weil häufig mit Protesten zu rechnen ist. Ein weiteres Problem ist der Bau von höheren Gebäuden. Das würden wir gerne tun, dann wird Bauen aber deutlich teurer, weil die Anforderungen an höhere Gebäude, also über 22 Meter, sehr schnell ansteigen und wir es dann mit der Hochhausrichtlinie zu tun haben.
B_I: Es gibt ja durchaus Vorbehalte gegen die Bauweise…
Weitz: Anfangs wurde das modulare und serielle Bauen als Plattenbau 2.0 bezeichnet, man befürchtete eine spätere erschwerte Vermietbarkeit. Das war ein Vorurteil, denn auch modulares Bauen kann gut aussehen. Ein großer Vorteil der seriellen oder modularen Wohngebäude ist ihre gute Qualität, außerdem weisen sie weniger Mängel auf. Eine Voraussetzung für schnelleres und günstiges Bauen ist außerdem eine durchgängige Digitalisierung der Baubranche und Bauverwaltungen.
B_I: Die Preise sind aktuell enorm gestiegen. Könnte das serielle Bauen auch bei den Baupreisen punkten?
B_I: Im Jahr 2018 wurde eine Rahmenvereinbarung für serielles und modulares Bauen ausgeschrieben. Würden Sie aus heutiger Sicht die Vereinbarung als Erfolg bezeichnen?
Weitz: Anfangs gab es, wie schon erwähnt, eine Abneigung gegen die Serienbauweise. Eine Fehleinschätzung, wie sich mittlerweile herausgestellt hat. Denn auch modulares Bauen kann ansprechend aussehen. Beim seriellen Bauen werden vorgefertigte Bauteile genutzt. Das gab es schon in den 1970er Jahren, als bis zu 700.000 Wohnungen im Jahr gebaut wurden. Das war nur durch massenhafte Nutzung von Betonfertigteilen möglich. Modulares Bauen ist noch einmal etwas anderes: Dabei werden Raumkörper auf hohem qualitativem Niveau in Fabriken vorgefertigt. Auf den Baustellen werden diese dann nur noch zusammengefügt. Bei der Rahmenvereinbarung wird sehr stark auf modulares Bauen gesetzt. In nur drei Wochen werden Module vor Ort aufeinandergestellt. Der Vorteil bei dieser Fertigungsmethode ist vor allem die sehr schnelle Erstellung. Das hat bereits zu Aufträgen einer großen Wohnungsbaugesellschaft geführt, die bei Nachverdichtung in Ballungsräumen auf das serielle Bauen zurückgegriffen hat, weil die Belastung der umliegenden Bewohner durch die Baumaßnahme zeitlich deutlich reduziert wird.
Viehrig: Ich würde es als Erfolg bezeichnen, aber nicht in dem Sinne, dass in Deutschland nun nur noch seriell gebaut wird. Wir haben zuletzt rund fünf Prozent des GdW-Bauvolumens über den Rahmenvertrag gebaut, also etwa 1.500 Wohneinheiten pro Jahr. Allerdings muss man berücksichtigen, dass die Rahmenvereinbarung eine zähe Anlaufphase hatte, weil beispielsweise die Grundstücke fehlten. Ich hätte mir natürlich mehr gewünscht. Die Vereinbarung läuft - nach fünf Jahren Laufzeit - im Mai 2023 aus und wird dann wahrscheinlich 5.000 Wohneinheiten geschafft haben. Weil die Rahmenvereinbarung dem Vergaberecht unterliegt, kann sie nicht einfach verlängert werden. Wir arbeiten in diesem Jahr an einer Folgevereinbarung, die möglicherweise anders ausfällt, weil wir heute andere Prämissen stärker berücksichtigen müssen, zum Beispiel das nachhaltige Bauen. Aber das systematische, moderne Bauen bleibt im Vordergrund. Auch wenn das mitunter fälschlicherweise mit Platte 2.0 bezeichnet wird.
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B_I: Vielen Dank, Herr Weitz und Herr Viehrig, für das Gespräch.
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