Wie Sie typische Fallstricke bei Nachträgen vermeiden
Nachträge führen besonders oft zu Streit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Ob Pauschal-, VOB und BGB-Verträge: Auftragnehmer sollten Fehler bei der Nachtragstellung vermeiden, um ihre Ansprüche durchzusetzen.
Planer sind nur Menschen, jede Baustelle ist anders, vor der Hacke ist es dunkel: Es gibt praktisch keine Baustelle ohne Nachträge. Und weil Auftraggeber meist nur ungern mehr zahlen als ursprünglich vereinbart, führen Nachträge besonders oft zu Streit und sind eigentlich in jedem Bauprozess anzutreffen.
Viele Auftragnehmer verlieren aber eigentlich berechtigte Ansprüche, weil sie bestimmte formale oder inhaltliche Fehler machen. Typische, aber nicht minder schwerwiegende Fehler und ihre Vermeidung sind Gegenstand dieses Artikels.
Pauschalvertrag: Nicht veralbern lassen
Bei Pauschalverträgen lehnen Auftraggeber Nachträge gerne mit einer Begründung ab, die sich grob so zusammenfassen lässt: „Bei Pauschalverträgen kann es keine Nachträge geben und gibt es keine Nachträge.“ Das ist juristisch nicht ganz richtig – es gibt auch bei Pauschalverträgen Nachträge. Die VOB/B sieht etwa eine Anpassung der Vergütung in zwei Fällen vor: In § 2 Abs. 7 VOB/B wird zuerst in Absatz 1 das unzumutbare Abweichen der ausgeführten von der beauftragten Leistung beschrieben. In der Praxis ist dies eher ein Ausnahmefall. Viel wichtiger ist der Absatz 2, danach gelten die Regelungen von § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B auch für Pauschalverträge. Und die Regelungen von § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B sind die ganz normalen Regelungen für Nachträge bei Auftraggeberseitig angeordneten geänderten oder zusätzlichen Leistungen.
Ausgangspunkt jedes Nachtrages ist, dass die tatsächlich ausgeführte von der beauftragten Leistung abweicht – bei § 2 Abs. 5 und Abs. 6 VOB/B aufgrund einer Anordnung des Auftraggebers. Und auch bei Pauschalverträgen führt jede (noch so kleine) Änderung zu einem Nachtrag.
Welche Leistungen sind abgedeckt?
Nicht jeder Pauschalvertrag umfasst alles, was für ein fertiges Bauwerk nötig ist. Welche Leistungen genau abgedeckt sind, ist jeweils an der Formulierung des betroffenen Vertrages festzustellen. Die Beschreibung der vertraglichen Leistung kann sehr weich und umfassend sein („Ein schlüsselfertiges Bürogebäude“) oder sehr genau unter Verwendung von Plänen, Leistungsverzeichnissen, Bemusterungslisten etc. erfolgen.
Ob es sich um eine zusätzliche Leistung handelt, hängt oft von sog. Vollständigkeitsklauseln ab: „einschließlich aller hierfür erforderlichen Leistungen und Nebenleistungen“. Dabei gilt: Je genauer eine Leistung beschrieben ist, desto leichter ist nachzuweisen, ob eine zusätzliche Leistung vorliegt. Wurde die Leistung also nur durch ein Leistungsverzeichnis beschrieben und dann pauschaliert, ist jede geänderte oder zusätzliche Leistung nachtragswürdig. Bei einer eher weichen Leistungsbeschreibung ist es da schon schwieriger. Bestellt der Auftraggeber ohne jegliche nähere Beschreibung ein „schlüsselfertiges Wohnhaus“, so gehören hierzu bestimmt Bodenplatte etc. – aber wie ist es mit der Außenanlage oder einer Satellitenschüssel? Wer führt den Anschluss an Abwasserkanäle etc. aus? Solche Fragen führen immer wieder zu Diskussionen, und zwar je weicher die Leistungsbeschreibung ist, desto häufiger.
Keine schwammige Leistungsbeschreibung!
Daher sollten scheinbare Vorteile einer weichen und daher weiten Leistungsbeschreibung nicht zu ungenauen oder schwammigen Leistungsbeschreibungen verleiten, weil diese andererseits das Feststellen von Mängeln oder fehlenden Leistungen erschwert. Im Beispiel des „schlüsselfertigen Wohnhauses“: Wie sollen die Sanitärelemente aussehen, wie die Eingangstür?
Auftragnehmer sollten sich also nicht mit dem Schreckgespenst „Pauschalvertrag“ einschüchtern lassen. Greift ein Auftraggeber durch Anordnungen ändernd ein, kommt es auch beim Pauschalvertrag zu berechtigten Nachträgen.
Zwischen VOB/B-Hammer und BGB-Amboss
Die Diskussion um VOB/B-Verträge und BGB-Verträge wird hier und an anderer Stelle schon lange geführt. Bei Nachträgen ist eine besondere Falle zu vermeiden:
Der Auftraggeber Axsohart hat mit dem Bauunternehmer Beerich einen VOB/B-Vertrag abgeschlossen. Beerich hat diese Leistungen in einen BGB-Vertrag seinem Subunternehmer Subaglein übertragen. In einer Baubesprechung ordnet der Auftraggeber eine Leistungsänderung an. Statt hellgelb soll das Gebäude weiß angestrichen werden. Als B diese Änderung mit S bespricht, will S diese Änderung nicht akzeptieren. Er sagt, er habe die Farbe schon lange gekauft und weiß sei hässlich. Man müsse ihm schon viel Geld zahlen, damit er so etwas Hässliches baut, er habe einen Ruf zu verlieren.
In diesem Fall hat der Bauunternehmer B ein Problem. Beim VOB/B-Vertrag kann der Auftraggeber einseitig die Leistung ändern, beim BGB-Vertrag müssen sich die Vertragspartner einig werden. Die VOB/B enthält eine Regelung für die Fortschreibung der Preise (anhand der Kalkulation), beim BGB ist alles Verhandlungssache. Von seinem Auftraggeber erhält B also nur die Mehr- und Minderkosten (also durchaus die Kosten für den doppelten Farbeinkauf), mehr aber nicht. Sein Subunternehmer scheint aber nicht willig zu sein, auf dieser Basis einer Vertragsänderung zuzustimmen. Im schlimmsten Fall muss der Bauunternehmer seinem Subunternehmer kündigen und die Leistung noch einmal beauftragen. Und weil es eine ordentliche Kündigung wäre, kann der Subunternehmer die vereinbarte Vergütung abzüglich ersparter Kosten geltend machen – B müsste also die Farbe und wohl noch mehr zweimal bezahlen. Ein unkompliziertes Durchreichen der Änderungsanordnung ist jedenfalls nicht möglich, sein Nachtrag beim Bauherren hilft dem Auftragnehmer also nur teilweise.
Unflexible Vertragsabwicklung
Für Bauunternehmen als Auftragnehmer sind BGB-Verträge eher vorteilhaft, weil Verhandlungen über Nachträge vorab geführt werden müssen. Ein Nachteil ist aber die unflexible Vertragsabwicklung, die auch nicht der gefühlt normalen Umgangsweise entspricht: Kurzfristige mündliche Absprachen auf der Baustelle entsprechen nicht der meist vertraglich vorgesehenen Schriftform und berücksichtigen auch nicht die (abschließende) Einigung über Leistung, Leistungsumfang, Preis und ggf. entstehende Folgen für Bauzeiten und daraus resultierende Kosten. Daher sind schnelle und flexible Absprachen eigentlich nicht vertragsgerecht möglich. Und als Auftragnehmer muss ein Bauunternehmen insbesondere darauf achten, dass nicht mit dem Bauherren die VOB/B vereinbart ist und gegenüber dem Nachunternehmer das BGB – die möglichen Probleme hat das Beispiel gezeigt.
Nicht beauftragte Leistungen
Es geht bei „nicht beauftragten Leistungen“ natürlich nicht um Leistungen, die ein Bauunternehmer einfach aus Lust und Laune ausführt, gewissermaßen freiwillig am Feierabend. Es geht vielmehr um viele sehr problematische Fälle, bei denen der Auftragnehmer vom Vertrag abgewichen ist und eine Anordnung des Auftraggebers nicht vorliegt – oder nicht nachgewiesen werden kann. Typischer Fall sind etwa „Anordnungen“ des bauleitenden Ingenieurs:
Der schon im ersten Auftrag genannte Auftraggeber Axohart hat einen bauleitenden Ingenieur Isjasogud. I weist den Bauunternehmer Beerich an, einen unbedingt und sofort notwendigen Bodenaustausch im Bereich der geplanten Bodenplatte auszuführen. Als B diese Leistungen bei A abrechnet, will A davon nichts wissen: I habe keine Vollmacht und dürfe keine Anordnungen mit Kostenfolge erteilen.
Jedenfalls mit einem hat der Auftraggeber recht: Der bauleitende Ingenieur durfte diese Anordnung nicht erteilen – jedenfalls nicht ohne eine ausdrückliche oder unausgesprochen erteilte Vollmacht. Was tun?
Eine Hilfe bietet dem Auftragnehmer hier § 2 Abs. 8 VOB/B – der einer BGB-Regelung entspricht, die bei BGB-Verträgen natürlich sowieso eingreift. Wenn eine zusätzliche oder geänderte Leistung erforderlich ist, um die beauftragte Leistung auszuführen, so kann der Auftragnehmer auch ohne eine Anordnung die Zusatzkosten geltend machen. Ganz wichtig ist aber, dass der Auftragnehmer dem Auftraggeber diese Leistung unverzüglich einzeigen muss. Hieran scheitern leider viele Ansprüche aus § 2 Abs. 8 VOB/B.
Prüffähige Abrechnung
Hat man nachgewiesen, dass man einen Nachtrag geltend machen darf, ist die Höhe die zweite Hürde. Und an dieser scheitern noch einmal viele Nachträge. Nach der VOB/B kann der Auftragnehmer bei einem Nachtrag seine Mehr- und Minderkosten auf der Grundlage der Kalkulation abrechnen. Dies umfasst übrigens auch die Kosten von Bauzeitänderungen! Aber der Auftragnehmer muss eben auch vortragen, welche Kosten kalkuliert waren und welche Kosten statt dessen bzw. zusätzlich angefallen sind. Und hierzu muss die Kalkulation schon eine gewisse Detailtiefe haben – und die wird leider von vielen Unternehmen weder vorab noch bei der Nachtragsberechnung erreicht.
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Vorbehalt bei Bauzeitkosten
Will ein Auftragnehmer mit einem Sachnachtrag auch bauzeitliche Kosten geltend machen (z.B. bei Verlängerung einer Lieferfrist und daraus resultierendem Baustillstand), so muss er dies entweder mit dem Sachnachtrag machen oder sich diese Kosten vorbehalten – nachträglich kann er sie sonst nicht mehr durchsetzen.
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