Rohrleitungsbau am Teilchenbeschleuniger
Hier soll in Zukunft mit Antiprotonen und Ionen geforscht werden: Am GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt entsteht derzeit auf 20 Hektar das Beschleunigerzentrum FAIR (Facility for Antiproton and Ion Research). Ein „hochkomplexes Mega-Bauprojekt“ laut GSI, Hauptgesellschafter der internationalen FAIR GmbH, „ein Projekt ohne Vorbild“ laut dem Münchner Unternehmen Porr, das seit 2018 in einer Arge mit der österreichischen Konzernschwester Porr Bau GmbH die erweiterten Rohbauarbeiten für den Anlagenbereich Nord ausführt.
Der dreizellige Tunnel wurde in offener Stahlbetonbauweise errichtet. Die Tunnelsohle liegt bis in 18 Meter Tiefe. Im äußeren Tunnelbereich läuft der supraleitende Beschleunigerring, in den Technik- und Versorgungstunneln innen sind unter anderem Leitungen für Strom und flüssiges Helium, Netzgeräte, Brandschutzgeräte sowie Messtechnik untergebracht. Dazwischen liegt ein sieben Meter dickes Paket aus Beton bzw. einer Magerbetonmischung. Eine weitere 10 Meter hohe Erdüberschüttung bedeckt das Paket.
Das Grundwasser steht auf dem Baufeld oberflächennah mit Flurabständen zwischen 2 und 5 Metern an. Für die Absenkung des Grundwassers um bis zu 12 Meter wurde mit rund 170 Entnahmebrunnen und mehr als 70 Infiltrationsbrunnen die größte Wasserhaltung Europas installiert. Um die Grundwasserabsenkung und den Zwischenlagerbedarf für den Erdaushub auf das Nötigste zu beschränken, wurde die Baugrube Nord in Teilbaugruben unterteilt. Gegen den Uhrzeigersinn wurden acht Teilbauabschnitte auf jeweils rund 200 Meter nacheinander fertiggestellt.
Bis zu sechs Meter dick sind die Betondecken. Allein im Anlagenbereich Nord wurden 230.000 m³ Spezialbeton bei einer Gesamtmenge von 310.000 m3 verbaut. Um während der gesamten Lebensdauer den Durchtritt von Wasser zu verhindern, wurde der Tunnel fugenlos als monolithisches Betonbauwerk errichtet und mit 117.500 m2 Frischbetonverbundfolie für die lückenlose Außenabdichtung umhüllt.
Bis 12 Meter Erde mit einer definierten Mindestrohdichte sind im gesamten Anlagenbereich aufgeschüttet, unter anderem auch als gestalterisches Element. Die Gebäude sollen sich möglichst in die umgebende Natur einfügen, für die Renaturierung des Geländes wird der gesamte Aushub wiederverwendet. Um gleichartige Bodenverhältnisse wie im ursprünglichen Bodenbestand und in der direkten Nachbarschaft der Baustelle zu erhalten, dürfen die Bodenfraktionen strukturell nicht verändert werden. Aus diesem Grund wurde der Aushub auf getrennten Bodenmieten zwischengelagert.
Außergewöhnliche Verlegetechnik für den Teilchenbeschleuniger
Zahlreiche Leitungen treten fünf Meter über Sohle aus der Tunneldecke aus und werden bis zu einer Höhe von 13 Metern senkrecht aufwärts geführt. Die Verfüllung der Baugrube erfolgt in einzelnen, verdichteten Schichten. Auf diesen temporären Bauebenen lagern die mitgeführten Leitungen, bis sie in ein neu zu errichtendes Gebäude eingebracht oder weiter in die Höhe geführt werden.
Vielfalt und Vielzahl der Materialen
Für die Be- und Entlüftung werden von der Porr rund 4.400 Meter HDPE-Wickelrohr mit Durchmessern bis DN 2000, Längen von sechs Metern und Wandstärken von 13 Zentimetern verlegt. Profilstärken und Wanddicken wurden speziell für das FAIR-Projekt dimensioniert, um sicherzustellen, dass das Tragsystem aus Rohrleitung und umgebendem Boden die hohen Lasten durch die Überschüttung aufnimmt.
3.000 Meter hitzebeständige C-Stahl-Rohre bis DN 1200 werden innerhalb und außerhalb der Gebäude als Entrauchungsleitungen geführt. Als dritte wesentliche Leitungsart werden 100.000 Meter hochflexible Kabelschutzrohre bis DN 160 durch alle Ebenen und zwischen den einzelnen Bauwerken verlegt. Bis zu 36 Rohre lagern im Paket auf Stahlgerüsten.
Setzungen zu minimieren ist ein Thema, das die Konstruktion der gesamten Anlage und auch den Rohrleitungsbau beherrscht. Die neuen Gebäude (inklusive Rohbau Süd) werden eine Gesamtfläche von 150.000 m2 belegen. Das Setzungsverhalten der Gründung aller Bauwerke darf nur minimal voneinander abweichen, um die Forschungsergebnisse nach der Inbetriebnahme nicht zu gefährden. Die aufgrund von Probebelastungen rechnerisch prognostizierten Endsetzungen lagen bei rd. s = 5 cm für den Beschleunigerring SIS100 und bei bis zu s = 16 cm für die übrigen Forschungsgebäude (Wolfgang Kissel, 2017). Baubegleitende Setzungsmessungen sollen diese Berechnungen verifizieren.
Neben den daraus resultierenden Herausforderungen an den fugenlosen Bau der gesamten Anlage müssen die vom Außenbereich an die Außenwand anschließenden Rohrleitungen der Gewerke Elektro und Lüftung auf die Setzungen ausgelegt werden. Rund 2500 Elektroleerrohre werden mittels druckwasserdichten Gummipressdichtungen an das Gebäude angeschlossen. Die Abdichtungsebene wurde bis zu 37 cm in die Außenwand versetzt, um Differenzsetzungen aufnehmen zu können.
Bei den 141 Einführungen der Lüftungsleitungen werden neben starren Einführungen auch Kompensatoren verbaut. Die Kompensatoren bis zu einem Durchmesser von 2400 mm gewährleisten eine behinderungsfreie Vertikalverschiebung durch den Ringspalt zwischen dem Mauerrohr und der Medienleitung.
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Ein Projektleiter kümmert sich in Zusammenarbeit mit den Bauleitern ausschließlich um die Logistik. Mehr als 100 individuell gefertigte Passstücke müssen zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle bereitgestellt und die Rohre auf diversen einbaunahen Lagerflächen zwischengelagert werden. Der Transport der rund 730 gewickelten Großrohre nach Darmstadt erfordert mehr als 360 LKW-Fahrten.
Teilchenbeschleuniger FAIR: Großprojekt mit hohen Qualitätsansprüchen
Trotz der enormen Dimensionen müssen die Leitungen präzise in ihrer Lage und mit dem berechneten Gefälle gesichert und angeschlossen werden. Dazu wird jedes Rohrstück einzeln eingemessen. Die Bodenverdichtung mit einer geforderten Proctordichte von 98 % wird für jede einzelne Schicht mit dynamischen Lastplattendruckversuchen (nach TP BF-StB Teil B 8.3) mit Fallgewicht nachgewiesen. Vergleichend erfolgen Proctorversuche mit Bodenproben im Labor, im Rahmen der Qualitätssicherung teilweise auch durch Fremdfirmen. Auch das Verbinden der einzelnen Rohrstücke erfordert höchste Sorgfalt. Trotz der sandhaltigen Luft auf der Baustelle müssen die Schweißverbindungen ebenso dicht sein wie die Rohre an sich. Daher sind auch Dichtheitsprüfungen jeder einzelnen Schweißnaht gegen eindringendes Wasser obligatorisch.
Quelle: Porr
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