Iveco eDaily - einer wie keiner
Pritsche oder Kipper, vielleicht eine Doppelkabine, Tonnagen auch mal oberhalb von 3,5 Tonnen und eine anständige Anhängelast im Schlepp. So wünscht sich der GaLaBau große Transporter. Auch als E-Transporter, der flüsterleise und ohne Abgasemissionen durch den Park gleitet. Der eDaily ist der erste E-Transporter, der all diese Wünsche gebündelt erfüllt. Experte Randolf Unruh hat ihn für die B_I galabau exklusiv unter die Lupe genommen.
Tief hängen die Wolken über der Fabrik, dunstig ist das Wetter. Dabei liegt die Zukunft des Antriebs für große Transporter auf Kurz- und Mittelstrecken längst nicht mehr im Nebel. Der batterieelektrische Antrieb setzt sich durch und Iveco zeigt mit dem neuen eDaily, wie er für große Transporter funktioniert. Prompt setzt er sein gewohntes Haifischgrinsen auf, unterstrichen von blauen Lamellen im Kühlergrill – er hat zweifellos was vor.
Batteriepakete mit 35, 70 oder 105 kWh beim Iveco eDaily
Vor dem Start lohnt ein wenig Theorie. Sie gehört ohnehin beim Erwerb eines Stromers mit Blick auf Varianten, Nutzlast und Reichweite zum Pflichtprogramm. Die Finanzen bleiben, da Verhandlungssache, diesmal außen vor. Im Kontrast zur Magerkost manch anderer renommierter E-Hersteller mit eher schlappen Einheitsmodellen in den vergangenen Jahren hat Iveco für den eDaily eine üppige Speisenkarte entwickelt. Alle Radstände und alle Kastenwagen sowie Fahrgestelle sind elektrifiziert lieferbar. Es gibt ein, zwei oder drei Batteriepakete mit 35 und 70 sowie 105 kWh nutzbarer Kapazität. Sogar ein Nachschlag für die kleineren Akku-Variante ist möglich, denn Batterien sind bei größerem Streckenbedarf nachrüstbar. Obendrauf packt Iveco ab zwei Batteriepaketen eine sehr respektable Garantie auf bis zu 250.000 Kilometer.
Dazu lohnt sich der Blick auf technische Kniffe. Die kompakte Einheit aus Motor und Eingang-Getriebe mit fester Übersetzung von 4:1 wird ebenso wie die Akkus von FPT in Turin zugeliefert und ist hinter den Batterien angedockt. Sie treibt über eine kurze Kardanwelle eine konventionelle Daily-Hinterachse aus den Verbrennern an. Mit diesem Dreh sind unterschiedliche Achsübersetzungen möglich, das gibt es sonst nirgendwo. Somit lässt sich die Motorkraft von 140 kW und 400 Nm (bei einer Batterie: 100 kW und 300 Nm) wie bei einem klassischen Verbrenner einsatzgerecht zuschneidern.
Iveco eDaily: Ordentlich Power für den GaLaBau
Kein gewichtiger Schutzrahmen beim Iveco eDaily nötig
Zusätzlich kehrt sich ein typischer Nachteil des Daily als Kastenwagen plötzlich in einen Vorteil um. Bringt die klassische Rahmenbauweise dieses Transporters üblicherweise arg viel Gewicht auf die Waage, so liegt der Fall hier anders: Alle wesentlichen Batterie- und Antriebskomponenten sind innerhalb des schützenden Rahmens angesiedelt. Ein zusätzlicher gewichtiger Kokon wie anderswo kann weitgehend entfallen.
Auch die Batterien lohnen einen genauen Blick. Die drei Akkupakete wiegen jeweils 260 Kilogramm. Ihre Zellen stammen von der deutschen Tochter des US-Herstellers Microvast. Auffällig sind sowohl die beachtliche Energiedichte von 265 Wh/kg als auch eine hohe nutzbare Kapazität von 95 Prozent der Bruttoangabe im Prospekt.
Was heißt dies in der Praxis? Laut der realitätsnahen WLTP-Norm fährt der eDaily als Kipper mit einem Batteriesatz und halber Nutzlast als 3,5-Tonner etwa 120 Kilometer weit. Zu wenig? Mit zwei Batteriepaketen schafft er bereits 235 Kilometer. Bei voll ausgeladenen 4,25- bis 7,2-Tonnern beläuft sich die Reichweite je nach Batteriebestückung auf 110 bis 300 km.
Doch auch er ist kein Alleskönner. Eher verhalten ist zum Beispiel die Ladeleistung: Serienmäßig spendiert Iveco ein Ladegerät für den Anschluss an die Wechselstrom-Wallbox mit 11 kW. Auf Wunsch dürfen es 22 kW sein. Das genügt für die Aufladung über Nacht im Betrieb. Für den Energieschub unterwegs sind Gleichstrom-Schnellladungen mit maximal 80 kW möglich. Was Iveco schnell nennt, ist tatsächlich eher matt.
Iveco eDaily: Starten mit Zündschlüssel
Fahrtrichtung und die Rekuperationsstufen wählt der Fahrer über einen kurzen Knauf à la Automatikgetriebe. Diese Wahl der Verzögerung vom Segeln bis zum Einpedalmodus ist ein wenig kompliziert. Zumal auch für den Vortrieb auf Tastendruck drei Varianten zur Verfügung stehen. Damit spricht der eDaily wahlweise furios, gemäßigt oder etwas lethargisch an. Die Ökovariante erreicht 90 km/h, die Vollwert-Powerstufe Tempo 120. Ausgenommen sind die seitens des Gesetzgebers begrenzten schweren Kaliber. Aktiven Fahrern wird die vielfältige Auswahl zusagen, doch wer im Arbeitsalltag einfach alles in der Normalstufe belässt, macht wenig falsch. Denn damit zieht der beladene eDaily ebenso gelassen wie nachdrücklich von dannen und verzögert ähnlich einem Diesel beim Gaswegnehmen.
Heckantrieb birgt Vorteile beim Iveco eDaily
Das uralte Straßenpflaster der ersten Proberunde aus großen Platten filtert der beladene Transporter souverän weg, unterstützt von seiner optionalen luftgefederten Hinterachse in Soft-Einstellung. Die elektrische Lenkung trifft das rechte Maß aus Leichtgängigkeit und Präzision. Der Wendekreis ist überschaubar, Vorteil Heckantrieb. Bei niedrigem Tempo kennt der eDaily kein Ruckeln und lässt sich im Kriechmodus wie bei einem Automatikgetriebe spielerisch beherrschen, untermalt von den dezenten Sphärenklängen des akustisch warnenden Avas-Systems. Im innerstädtischen Trubel geht sein Herannahen trotzdem fast unter. Sofort erschrickt sich eine Seniorin, als der eDaily für sie am Zebrastreifen hält. Vielleicht ist sie aber einfach von Transporter-Fahrern kein höfliches Verhalten gewohnt.
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20.000 Iveco eDaily im Jahr
Auch drinnen geht es leise zu, kaum ein Pfeifen oder Sirren ist zu vernehmen, nochmals Vorteil Heckantrieb. Und der Stromverbrauch? Nach einer Dreiviertelstunde hartem Stadtverkehr hat der eDaily gerade mal rund 15 Kilometer zurückgelegt und lediglich 3 Prozent seiner Batteriekapazität eingebüßt. Das entspricht einem Energieverbrauch von kaum mehr als 20 kWh. Prompt blinzelt bei der Rückkehr zum Ausgangspunkt ein wenig die Sonne hervor und das Haifischgrinsen des Iveco eDaily erscheint noch ein wenig breiter. Der Nebel lichtet sich, auch was die Zukunft des Transporters betrifft. Schließlich hat er etwas vor: Das frisch eingerichtete FPT-Werk in Turin ist auf eine Kapazität von 20.000 eDaily im Jahr ausgelegt. In all den vielen Varianten, die Profis bisher bei großen E-Transportern vermisst haben.
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