Nachhaltige klimaneutrale Substrate – das Beispiel Niederlande

In den Niederlanden werden, genau wie in Deutschland, jährlich mehr als acht Millionen Kubikmeter Kultursubstrate für den Erwerbsgartenbau und Blumenerden für den Hobbygarten hergestellt. Auch dort stellt man sich seit einiger Zeit die berechtigte Frage nach der Nachhaltigkeit und den Umweltauswirkungen von Produktion und Verwendung. In einem exklusiven Beitrag für B_I galabau stellt Philip Testroet, vom Industrieverband Garten das Beispiel vor.

IVG sieht die Möglichkeit eines nachhaltigen Torfabbaus - Beispiel Niederlande
In Deutschland werden jährlich mehr als acht Millionen Kubikmeter Kultursubstrate für den Erwerbsgartenbau und Blumenerden für den Hobbygarten hergestellt. | Foto: Industrieverband Garten e.V.

In dem sogenannten „Covenant“ (dt. Pakt) geht es um die Reduzierung der Umwelteinflüsse von Substraten – dazu gehört auch eine Reduzierung des Torfanteils. Die Schritte sind dabei mittel- bis langfristig angelegt, sodass sich alle Akteure gut auf die gemeinsamen Ziele einstellen können. Das Ergebnis ist, dass von Substraten spätestens zum Jahr 2050 keine negativen Umweltauswirkungen mehr ausgehen, sie bis dahin klimaneutral sind und dass dann insgesamt mindestens 90 Prozent nachwachsende Rohstoffe eingesetzt werden müssen.

Die Parteien beim Covenant

15 Parteien haben sich im Covenant geeinigt. Die Unterzeichner der Vereinbarung sind der Verband der niederländischen Blumenerde- und Substrathersteller (VPN), die Abteilungen für Pilzzucht sowie für Bäume, Stauden und Sommerblumen von LTO-Nederland, der Gewächshausgartenbau Niederlande, Plantum, die Gartenindustrie Niederlande, der Handelsverband für organische Rückstände, der Verband der Großhändler für Blumengärtnereiprodukte, der Verband der Blumenauktionen und die Niederländische Obstbauernorganisation. Hinzu kommen die Stiftungen RHP, Responsibly Produced Peat (RPP) und Turfvrij. Getragen wird diese Kooperation auch politisch, durch die Unterschriften der Ministerien für Landwirtschaft, Natur und Lebensmittelqualität sowie für Wirtschaft und Klima.

Die Ziele

Ein Vergleich der Torfersatzquoten | Foto: Industrieverband Garten e.V.
Ein Vergleich der Torfersatzquoten | Foto: Industrieverband Garten e.V.

Um die Umweltauswirkungen der Substrate zu reduzieren, gibt es verschiedene Werkzeuge, die beschlossen wurden. Die Verwendung nachwachsender Rohstoffe wird kontinuierlich steigen, die Wiederverwendung von Substraten wird untersucht und betrieben. Besonders im Fokus stehen Innovation und Forschung sowie der verantwortungsvolle Abbau von Torf. Dieser ist, entgegen der landläufigen und immer noch festsitzenden Meinung, möglich und kann über die Zertifizierung „RPP“ (Responsibly Produced Peat) nachgewiesen werden. Im Kern geht es dabei darum, lediglich seit langer Zeit entwässerte, degradierte Flächen für den Abbau zu verwenden und im Anschluss einer sinnvollen Nachnutzung zuzuführen, im besten Fall einer Renaturierung. Lebende Moore, und damit Biodiversität, sind schon lange nicht mehr durch den Torfabbau in Gefahr. Die Niederlande haben allerdings keinen eigenen Torfabbau mehr, sondern importieren ihren Bedarf vollständig. Gleichzeitig wird die Suche und Forschung nach anderen Substratausgangsstoffen forciert. Zum Beispiel werden immer noch große Hoffnungen in den Anbau von Torfmoosen in Paludikulturen gesetzt. Diese Technik muss aber erst einmal eine wirtschaftliche Tragfähigkeit erlangen, um großflächig und im benötigten Umfang Anwendung zu finden.

Der Übergang zu nachhaltigen Substraten wird im „Covenant“ mit konkreten Zielen für die Jahre 2025, 2030 und 2050 formuliert und eingeleitet. Die kooperative Zusammenarbeit der Akteure sichert dabei das Gelingen, beschleunigt die Umsetzung und schafft Planungssicherheit und Akzeptanz. Ab 2025 sollen in den Niederlanden 100 Prozent der torfhaltigen Substrate das RPP-Label (oder ein gleichwertiges Label) tragen. Zudem wird angestrebt, den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen kontinuierlich zu erhöhen. Im Profisegment wird bis dahin ein durchschnittlicher Anteil von 35 Prozent Torfersatz angestrebt. Hobbyerden sollen 2025 im Schnitt der Branche 60 Prozent nachwachsende Rohstoffe enthalten. Die Verwendung von Kompost wird dafür auf 600.000 Kubikmeter verdoppelt. Ebenfalls hat man sich dazu verpflichtet, Verbraucherinnen und Verbraucher umfassend im Rahmen einer gemeinsamen Kampagne über die Umweltauswirkungen von Blumenerden zu informieren.

Als nächsten Schritt sollen bis zum Jahr 2030 85 Prozent nachwachsende Rohstoffe in den Hobbyerden eingesetzt werden. Als Basis der Entscheidung dient eine unabhängige Untersuchung der Verfügbarkeit von Rohstoffen, welche die Uni Wageningen durchführt. Anhand dieser Ergebnisse werden die umsetzbaren Torfreduktionsziele für den professionellen Markt im Jahr 2030 erst noch festgelegt. Die Regierung in Den Haag hat sich dazu bekannt, mit einer guten, flankierenden Politik den Prozess zu unterstützen.

Die Erstellung von Ökobilanzen (LCA) mittels eines speziell dafür entwickelten Systems soll bei der Einschätzung und Kontrolle des Paktes helfen. Es wäre wichtig, dass dieses LCA-System eine breite Anwendung in den Niederlanden wie auch in Deutschland findet, um die Umweltauswirkungen von Rohstoffen zu einem nachvollziehbaren Parameter bei deren Auswahl zu machen.

Zum Vergleich: Die deutsche Substratbranche hatte sich im Jahr 2020 per Selbstverpflichtung dazu entschlossen, im Hobbybereich bis 2030 70 Prozent und im Profibereich 30 Prozent nachwachsende Rohstoffe einzusetzen.

Substrate sind unverzichtbar

Substrate sind unerlässlich, um die Begrünung der urbanen Räume zu realisieren. Die meisten Pflanzen, die für diese Anwendungen produziert werden, wachsen in Gartenbaubetrieben in organischen Substraten. | Foto: Industrieverband Garten e.V.
Substrate sind unerlässlich, um die Begrünung der urbanen Räume zu realisieren. Die meisten Pflanzen, die für diese Anwendungen produziert werden, wachsen in Gartenbaubetrieben in organischen Substraten. | Foto: Industrieverband Garten e.V.

Professionelle Substrate generieren eine höhere Produktion und eine effizientere Nutzung von Wasser, Land, Energie, Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln. Substrate, und das wird häufig vergessen, sind essenziell für die Lebensmittelproduktion. Weite Teile der Gemüse- und Salatproduktion sind auf Presstöpfe mit einem hohen Schwarztorfanteil angewiesen. Im Bereich der Champignonzucht ist man von Deckerden aus Nasstorf abhängig.

Weiterhin sind Substrate unerlässlich, um die Begrünung der urbanen Räume zu realisieren, also Grüne Infrastruktur und grüne, lebenswerte Städte zu schaffen. Das ist wiederum essenziell für unsere Anpassung an den Klimawandel. Die meisten Pflanzen, die für diese Anwendungen produziert werden, wachsen in Gartenbaubetrieben in organischen Substraten. Ähnlich verhält es sich auch mit jungen Bäumen in Forstbaumschulen, die später im Wald für die Aufforstung eingesetzt werden. Ansätze und Forschungsvorhaben zur Torfreduktion in all diesen Bereichen laufen, die Umsetzung in die Praxis benötigt aber noch deutlich mehr Zeit.

Ein Apell des IVG

Eine Strategie, die rein auf einen vollständigen Torfausstieg abzielt, ist schlicht zu einseitig und nebenbei klimapolitisch im globalen Kontext wirkungslos, sagt der IVG | Foto: Industrieverband Garten e.V.
Eine Strategie, die rein auf einen vollständigen Torfausstieg abzielt, ist schlicht zu einseitig und nebenbei klimapolitisch im globalen Kontext wirkungslos, sagt der IVG | Foto: Industrieverband Garten e.V.

Eine EU-einheitliche Vorgehensweise scheint aktuell in weiter Ferne. Die Niederlande haben einen möglichen, pragmatischen Weg zu mehr Nachhaltigkeit aufgezeichnet, der natürlich nicht 1:1 auf Deutschland übertragbar ist. Aber es wäre auch für Deutschland angezeigt, den Weg zu nachhaltigeren Substraten zusammenzugehen ohne dabei einen einzelnen Rohstoff komplett auszuschließen. Die Politik hätte hier die Chance, Augenmaß zu beweisen und wissenschaftsbasierte Entscheidungen zu treffen, indem man sich soweit möglich an den Niederlanden orientiert und mit den Akteuren auf einen Kompromiss einigt.

Eine Strategie, die rein auf einen vollständigen Torfausstieg abzielt, ist schlicht zu einseitig und nebenbei klimapolitisch im globalen Kontext wirkungslos. Der Einfluss auf das Klima durch die Torfnutzung im Gartenbau und Hobbygarten ist mit weniger als 0,2 Prozent der deutschen Emissionen marginal. Für einen übereilten Torfausstieg, wie ihn sich die Bundesregierung wünscht, sind zudem die Anwendungen im Gartenbau zu komplex und die Anforderungen der Kulturführung, des Handels und der Verbraucherinnen und Verbraucher zu hoch. Erschwerend hinzu kommt die vielzitierte fehlende Verfügbarkeit der Torfersatzprodukte in Qualität und Quantität, die sich zu einer Rohstoffkrise entwickeln könnte. Dem Gartenbau und der Substratindustrie müssen schnellstmöglich neue Planungssicherheiten ermöglicht werden.

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Der Autor: Philip Testroet, Referatsleiter Gartenbau und Umwelt, Industrieverband Garten (IVG) | Foto: Industrieverband Garten (IVG) e.V.
Der Autor: Philip Testroet, Referatsleiter Gartenbau und Umwelt, Industrieverband Garten (IVG) | Foto: Industrieverband Garten (IVG) e.V.

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