Grüne Infrastruktur in Zeiten des Klimawandels
Alle zwei Jahre lädt die Baumschule Lorenz von Ehren zum Symposium ein und wartet mit Top-Vorträgen für rund 300 Gäste auf. Thema der nunmehr 18. Auflage war der Klimawandel, seine Auswirkungen und die daraus resultierenden Trends in der Grünen Branche.
Bereits 2017 hatte die Baumschule Lorenz von Ehren (LvE) das Thema Klimawandel auf die Agenda ihres Symposiums gesetzt. Angesichts der Dringlichkeit und der aktuellen Debatten verwundert es nicht, dass es in diesem Jahr erneut um die Auswirkungen des Klimawandels, um Anpassungsstrategien und, um ein zukunftsfähiges (Stadt)Grün ging. Der als Frage formulierte Veranstaltungstitel „Alles im grünen Bereich?“ war doppeldeutig zu verstehen, da er sowohl den Status Quo als auch die Vortragsthemen mit einbezog.
Bernhard von Ehren, geschäftsführender Gesellschafter der in 5. Generation familiengeführten Firma, machte dies in seiner Begrüßungsrede deutlich: Er sprach über die Ökosystemleistungen von Grün, über das akute Waldsterben, langanhaltende Trockenperioden, die in der Baumschule nur noch durch eine ausgeklügelte Tröpfchenbewässerung überbrückt werden können und er machte den dringenden Handlungsbedarf deutlich. Viel zu häufig seien Stadtplätze nicht ausreichend begrünt und vielerorts würden Kies- und Schottergärten angelegt.
Die „grüne Zunft“ habe hier viel in der Hand und eine ganzheitliche Planung, Ausführung sowie Pflege seien wichtiger denn je. „Wir tun alle gut daran, auch im Kleinen etwas zu tun, was den Klimawandel bremst,“ so der Baumschul-Inhaber, dessen Betrieb zu den fünf größten in Europa zählt. Der Veranstaltungstitel konnte gleichfalls so verstanden werden, dass die Bedeutung von Grün in der öffentlichen Wahrnehmung zugenommen hat.
„Green Branding“
Hubertus Schäfer und Markus Pieper, Landschaftsarchitekten und Inhaber von „Greenbox“ (Köln), stellten diese wahrnehmbare höhere Bedeutung von Grün zum Einstieg ihres Vortrags „Green Branding: Markenbildung im Freiraum“ erst einmal als gute Nachricht fest. Die Bedeutung von Freiräumen hätte deutlich zugenommen, so Schäfer: Auftraggeber würden heute zunehmend innovative Konzepte nachfragen, die Architektur und Landschaftsarchitektur im Sinne einer starken Markenbildung gesamtheitlich betrachten. Bei Campus-Projekten bspw. sollen neben der Gebäudearchitektur auch Antworten über den Freiraum für eine neue Arbeitswelt geliefert werden.
Die beiden Referenten, die mit ihrem Büro zahlreiche Wettbewerbs- und Architekturpreise eingefahren haben, zeigten viele Beispiele wie grüne Freiräume bedarfsgerecht und auf die jeweilige Umgebung abgestimmt, geschaffen werden können. Darunter auch das Freiraumkonzept für die neue Akademie und Zentralverwaltung des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) in Frankfurt/Main inklusive öffentlicher Grünanlage. Neben dem Siegerentwurf des Architekturbüros kadawittfeldarchitektur (Aachen) überzeugte mit ihrem Konzept auch das Greenbox-Team im Wettbewerb.
Grundidee war es, einen zusammenhängenden „Waldcampus“ zu schaffen: ein abwechslungsreicher Ort, der in den bestehenden Stadtwald eingebettet ist, mit ortstypischen Baumarten arbeitet und den Sportlern optimale Bedingungen zum Weiterbilden bietet. Der Spatenstich für den Neubau, der Ende 2021 öffnen soll, erfolgte Anfang Mai dieses Jahres.
„Zeitgemäße Gehölzpflanzungen“
Ökosystemleistungen würden als Selbstverständlichkeit betrachtet und seien bis dato nicht eingepreist. Fichten (Picea), Birken (Betula) und Buchen (Carpinus) seien schwer geschädigt, was in diesem Jahr u. a. auch an der massenhaften Samenbildung zu sehen sei. „Wir müssen nicht nur wissen, welches Grün wir etablieren wollen, wir müssen es auch pflegen können“, so Prof. Krieger. Für die „High Line“ in New York, eine stillgelegte Hochbahntrasse, die zu einer Parkanlage umgebaut wurde, stünde für die Pflege ein Budget von 3 Mio. Dollar/Jahr zur Verfügung – allein für den ersten Teilabschnitt: Ein Beispiel, das in Hamburg und wohl auch bundesweit seinesgleichen suche. An der „High Line“ machte er gleichfalls deutlich, dass sich ein Blick auf den Bestand für neue Pflanzplanungen „lohnt“.
Die auf der ehemaligen Gleisanlage etablierte Ruderalvegetation mit typischen Pioniergehölzen wie Birken wurde abgeräumt und im Zuge der Neupflanzung zum Teil wieder hergestellt. Das Pflanzkonzept, das der niederländische Gartendesigner Piet Oudolf entwickelt hat, war durch Spontanvegetation inspiriert. „Was man an diesem Beispiel sehr schön sehen kann, ist, dass wir mit Bildern arbeiten, an die wir gewöhnt sind und diese neu interpretieren“, so Krieger. Viele weitere Pflanzprojekte, die mit vorhandener Vegetation arbeiten, präsentierte Krieger nicht ohne darauf aufmerksam zu machen, dass heute kaum noch Sträucher zu sehen sind. „Ich bin der Meinung, dass wir mehr Strauchpflanzungen brauchen“, so der Appell des Referenten, der in diesem Zusammenhang auf eine erfolgreiche Züchtungsforschung von Pfeifensträuchern (Philadelphus) von über 100 Jahren hinwies. Darüber hinaus brauche es dynamische Konzepte, die neue Forschungserkenntnisse berücksichtigen, um jetzt eine zukunftsfähige klimawandeltaugliche Gehölzauswahl zu treffen.
Ein systematischer Versuch dies zu tun, hat Krieger für das Bezirksamt Hamburg Harburg unternommen. Das „Pflanzungen“-Team hat eine Empfehlungsliste für die Auswahl von Straßenbäumen entwickelt. Praktiker erhalten damit eine Grundempfehlung möglicher Baumarten für bestimmte Straßenzüge. Das „Alleenkonzept Harburg“ sieht außerdem alternative Gehölze vor, die sich am Habitus der grundsätzlich empfohlenen Baumarten orientieren. Das Projekt ist 2013 gestartet und bis dato noch nicht abgeschlossen.
„Greenpass“: Klimaresilient planen und bauen
Doris Schnepf (CEO) und Bernhard Scharf (CTO) vom Unternehmen Green4Cities (Wien) stellten in ihrem Vortrag „Der Greenpass und Bäume: der Goldstandard für lebenswerte Städte“ eine softwarebasierte Lösung vor, mit der erstmals die Aus- und Wechselwirkungen von Gebäudekörpern oder ganzer Planungsquartier mit grüner und blauer Infrastruktur auf das Mikroklima im Außenraum punktgenau quantifiziert und vor allem auch wirtschaftlich bilanziert werden können. Mit der „Greenpass-Methode“ kann die Effektivität von Maßnahmen dargestellt, das Optimum im Sinne einer klimaresilienten Planung ermittelt und diese letztlich zertifiziert werden.
Konkret: Werden zum Beispiel Hitzeinseln in der Simulation ermittelt, können diese durch die Wahl einer anderen Baumart, einer anderen Anordnung der Gebäudekörper oder Materialwahl bereits vor Baubeginn minimiert werden. Städtebauliche Wettbewerbsentwürfe können in Hinblick auf Klimaresilienz geprüft und miteinander verglichen werden und Städte wiederum mit klimaoptimierten Stadtquartieren werben. An der Greenpass-Methode hat Green4Cities, das sich als internationales Kompetenzzentrum für urbane grüne Infrastruktur versteht, mithilfe von EU-Fördermitteln rund zehn Jahre gearbeitet – mit Erfolg wie Bernhard Scharf deutlich machte: Über 40 Projekte seien mit Greenpass, die aus verschiedenen Servicetools besteht und mit CAD/GIS-Daten arbeitet, bereits erfolgreich abgewickelt worden.
Im letzten Jahr wurde die Greenpass GmbH schließlich ausgegründet. Ziel sei es jetzt, so Doris Schnepf, die Technologie zum europäischen Standard für lebenswerte Städte zu machen. In Deutschland ist Greenpass-Mitgründer Peter Küsters, der gleichfalls Botschafter des Bundesverbands Gebäudegrün (BuGG) und FLL-Mitglied im Arbeitskreis Dachbegrünungen ist, nicht nur Greenpass-Lizenznehmer, sondern damit auch ein sogenannter Urban Climate Architect (UAC). Mit Greenpass, so Küsters, könne nun die Wertigkeit von Grün mit Zahlen und Daten belegt und bewiesen werden, dass Grün kein Luxus ist, sondern eine Notwendigkeit angesichts des Klimawandels.
Fünf vor oder nach Zwölf?
Fakten inwiefern der Klimawandel bereits wirkt, lieferte zum Abschluss des LvE-Symposiums der pointierte Vortrag vom bekannten Meteorologen und ARD-Wettermoderator Sven Plöger. „Gute Aussichten für morgen: Wie wir den Klimawandel bewältigen und die Energiewende schaffen“ lautete der Vortragstitel des Keynote-Speakers in Anlehnung an sein gleichnamiges Buch. Ein durchaus optimistisch klingender Titel, der auch so gemeint war, wie Plöger gleich zu Beginn deutlich machte. Wichtig sei es, so Plöger, dass wir bezogen auf alle Klimaveränderungen, die uns drohten, nicht davon sprechen, es sei fünf nach Zwölf.
Vielmehr sei Optimismus gefragt. Denn: Bei aller Zeitknappheit müssten wir begreifen, dass wir immer noch Zeit haben unsere Klimaziele zu erreichen. „Es ist fünf vor Zwölf“, sagte Plöger mit dem Verweis darauf, dass beim Zwei-Grad-Ziel noch 720 Mrd. t CO2 in die Atmosphäre passen würden. „Derzeit emittieren wir 36 Mrd. t CO2/Jahr. Das ist zwar immer noch viel zu viel, aber rein rechnerisch haben wir 20 Jahre Zeit, um den globalen Klimawandel abzuschwächen“, so der Wetterexperte. Beim 1,5-Grad-Ziel,was eigentliches Ziel sein muss, bliebe uns ein entsprechender Handlungsspielraum von zehn bis 15 Jahren. „Wir müssen nur jetzt ins Handeln kommen, an konstruktiven Lösungen arbeiten und Einzelinteressen überwinden“, so Plöger und erklärt wie absurd es doch manchmal ist, wenn SUV-Fahrer bei z.B. einem Körpergewicht von 85 kg auch gleich 3000 kg Stahl mitnehmen. Mit vielen weiteren Pointen lockerte Plöger seinen Vortrag auf. Doch am Ende seines Vortrags ist auch klar, dass die Weltbevölkerung am „Allmende-Problem“ nicht nur jetzt , sondern auch gemeinsam arbeiten muss. „Der Klimawandel ist keine Katastrophe, sondern ein Frühwarnsystem unseres Planeten“, so Plöger
Gedeiht die grüne Branche?
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