Für und Wider einer bundesweiten Baumschutzsatzung

Mit einer Baumschutzverordnung, auch Baumschutzsatzung genannt, soll verhindert werden, dass schützenswerte Bäume beschädigt oder sogar entfernt werden. Bisher sind Städte und Kommunen, die eine Baumschutzverordnung erlassen haben, noch in der Minderheit. B_I galabau-Redakteurin Sonja Bauer spricht mit der Baumkontrolleurin und Forst Dipl.-Ing. Angela Burkhardt-Keller über Baumschutzverordnungen und das Für und Wider einer bundesweit einheitlichen und verbindlich gesetzlich geregelten Baumschutzsatzung.

Baumschutzverordnungen auf dem Prüfstand
Bäume brauchen Schutz, sowohl auf öffentlichen wie auf privaten Flächen. | Foto: pixabay

Eine Baumschutzverordnung/Baumschutzsatzung geht über die im Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) getroffenen Regelungen zur Baum- und Gehölzpflege hinaus. So verbietet das BNatSchG in § 39 das Abschneiden oder „auf den Stock Setzen“ von Bäumen, Hecken, Gebüschen oder anderen Gehölzen in der Zeit vom 01. März bis 30. September und erlaubt lediglich leichte Form- und Pflegeschnitte. Nicht erfasst von diesem saisonalen Fällverbot sind jedoch Bäume, die sich auf gärtnerisch genutzten Grundflächen befinden. Das sind nach aktueller Rechtsprechung sowohl Flächen, die im Gartenbau erwerbswirtschaftlich genutzt werden, als auch Hausgärten.

Mit ihren Naturschutz- bzw. Landschaftspflegegesetzen ermöglichen die Bundesländer Städten, Gemeinden oder Kreisverwaltungen das Erlassen von Baumschutzverordnungen bzw. Baumschutzsatzungen. Warum wird von dieser Möglichkeit bisher noch so wenig Gebrauch gemacht?

Dipl.-Ing. (Forst) Angela Burkhardt-Keller: „Die Begeisterung für Bäume hat mich zu einem Studium der Forstwirtschaft geführt. Beim BUND Naturschutz (BN) in Bayern e. V. beschäftige ich mich seit zehn Jahren mit dem Thema Baumschutz im Siedlungsraum und betreue die Baumschutzhotline des BN. Kontakt: stadtbaum@bund-naturschutz.de | Foto: BN Bayern
Dipl.-Ing. (Forst) Angela Burkhardt-Keller: „Die Begeisterung für Bäume hat mich zu einem Studium der Forstwirtschaft geführt. Beim BUND Naturschutz (BN) in Bayern e. V. beschäftige ich mich seit zehn Jahren mit dem Thema Baumschutz im Siedlungsraum und betreue die Baumschutzhotline des BN. Kontakt: stadtbaum@bund-naturschutz.de | Foto: BN Bayern

Angela Burkhardt-Keller: In vielen Kommunen herrscht starke Unsicherheit hinsichtlich Baumschutzverordnungen (BSVO). Das spiegelt sich auch in unserer Kommunalbefragung wider. Es gibt viele Vorurteile und Bedenken, die sich bei näherer Untersuchung aber als haltlos herausgestellt haben. Am häufigsten wird von den Gegnern argumentiert, dass eine BSVO kontraproduktiv sei. Es wird beispielsweise behauptet, dass Bäume, die nach einer Einführung einer BSVO unter Schutz stünden, vorab bereits gefällt werden. Dazu haben wir in unserer Befragung keine Belege gefunden.

Bäume vor der Messe Augsburg spenden Schatten und laden zum Verweilen ein. | Foto: bs
Bäume vor der Messe Augsburg spenden Schatten und laden zum Verweilen ein. | Foto: bs

Die Kommunalbefragung des Bund Naturschutz (BN) im Jahr 2018 in Bayern zielte vor allem darauf ab, die Verbreitung, Ausgestaltung und Effektivität von Baumschutzverordnungen zu untersuchen. Dabei stellte sich heraus, dass in den Kommunen, die eine BSVO erlassen haben, eine sehr große Mehrheit von deren Wichtigkeit überzeugt ist. Unter welchen Voraussetzungen können BSVO einen wichtigen Beitrag zum Erhalt von Bäumen leisten?

Angela Burkhardt-Keller: Grundvoraussetzung ist, dass Bürger:innen, Politiker:innen und die Verwaltung einer Gemeinde sich der Bedeutung von Bäumen in der Kommune bewusst sind. Das reicht vom Aspekt des ästhetischen Erscheinungsbildes, über die klimatische Funktion der Bäume bei sommerlicher Hitze und anderen positiven Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, bis hin zur Förderung der Artenvielfalt durch Bäume. Dann braucht es einen breiten Konsens und den Willen zum Schutz und zum Erhalt der Bäume in der Kommune. „Eine Baumschutzverordnung ist nur so gut, wie die Akteur:innen, die sie umsetzen“ lautet eine Binsenweisheit zu diesem Thema.

Inwiefern kann durch Baumschutzverordnungen die Qualität der Baumpflege sichergestellt werden?

Angela Burkhardt-Keller: Der große Vorteil von Baumschutzverordnungen ist, dass Bürgerinnen und Bürger, die Probleme mit Ihren Bäumen haben, sich an die Kommune wenden können und eine fachkundige Beratung erhalten. Dadurch lassen sich oft Lösungen finden, für die es gar keine Genehmigung braucht.

Außerdem können BSVO den Schnitt von Bäumen dahingehend regeln, dass zum Beispiel Schnittmaßnahmen, die das natürliche Erscheinungsbild eines Baumes stark verändern, einer Genehmigung bedürfen. Das bedeutet vielfach in der Praxis, dass Kappungen nicht genehmigt werden. Anders sieht es bei starken Rückschnitten aus Sicherheitsgründen aus. Ist beispielsweise ein Kronensicherungsschnitt geplant, der die Entfernung von größeren Kronenteilen notwendig macht, kann der genehmigt werden.

Baumveteran im Firmengarten der Bullinger Gartengestaltung in Donauwörth. | Foto: bs
Baumveteran im Firmengarten der Bullinger Gartengestaltung in Donauwörth. | Foto: bs

Lässt sich mit einer Baumschutzverordnung auch der Baumschutz auf Baustellen einfordern?

Angela Burkhardt-Keller: Ja das ist prinzipiell möglich. Besonders effektiv ist es, wenn die Maßnahmen zum Baumschutz bei privaten Bauvorhaben als Auflage Teil der Baugenehmigung sind. Dann kann bei mangelndem Baumschutz sogar ein Baustopp verhängt werden.

Bei der bayerischen Kommunalbefragung wurden auch Angaben zu den Schwächen der jeweiligen Baumschutzverordnungen gemacht. Dabei antworteten 51,4 Prozent das Hauptproblem liege in der mangelnden Kontrolle und Durchsetzung. 14,3 Prozent waren der Meinung, im Fall von bestehendem Baurecht werde die Baumschutzverordnung faktisch Makulatur. 11,4 Prozent bemängelten, dass nur bestimmte Bäume geschützt seien, häufig keine Nadel- und Obstbäume. 5,7 Prozent sahen Akzeptanzprobleme bei der Bevölkerung. Zusätzlich gab es Einzelaussagen, die Höhe der Ausgleichszahlungen sei zu niedrig und der angesetzte Stammumfang sei zu gering. Wie beurteilen Sie diese Antworten?

Angela Burkhardt-Keller: Es zeigt sich, dass Baumschutzverordnungen nicht nur auf dem Papier bestehen dürfen. Es braucht eine Sensibilisierung der Beteiligten in diesem Bereich und den Willen zur Umsetzung, wenn der Baumbestand nicht weiter zurückgehen soll.

Bei Bauvorhaben können Bäume oft nicht erhalten werden, das ist richtig. Allerdings können gerade die Regelungen zu Ersatzpflanzungen und Ausgleichszahlungen für gefällte Bäume aus der Baumschutzverordnung den Bauherren/ die Bauherrin in die Pflicht nehmen: es muss für Ersatzbaumpflanzungen auf dem Grundstück gesorgt werden. Falls das nicht möglich ist, muss eine Ausgleichszahlung an die Kommune geleistet werden. Damit können dann auf öffentlichem Grund Bäume gepflanzt werden.

Eine Baumschutzverordnung ist immer ein politischer Kompromiss, aber auch ein fortlaufender Prozess. Eine kritische Betrachtung ist daher wichtig. Dadurch werden Änderungen und Verbesserungen möglich und Kommunen machen davon auch regelmäßig Gebrauch.

Klimahain Nürnberg im Jahr 2020. | Foto: bs
Klimahain Nürnberg im Jahr 2020. | Foto: bs

Wird bei Baumaßnahmen das Verpflanzen von Bäumen auf dem Grundstück ermöglicht?

Angela Burkhardt-Keller: Ja, denn ein fachgerechtes Verpflanzen auf demselben Grundstück stellt kein Entfernen dar. Erkennbar beispielsweise in der Baumschutzverordnung München §3 (2). https://stadt.muenchen.de/rathaus/stadtrecht/vorschrift/901.pdf

Auf die Frage, wie Baumschutzverordnungen verbessert werden könnten, wurden zwei Antworten besonders häufig genannt: Es wurde einerseits eine größere Flexibilität der Baumschutzverordnungen sowie eine Lockerung starrer Vorschriften gefordert und andererseits eine bundes- oder zumindest landesweit vereinheitlichte und verbindliche gesetzliche Regelung. Bergen diese zunächst widersprüchlichen Vorschläge aus Ihrer Sicht Umsetzungspotenzial?

Angela Burkhardt-Keller: Baumschutzverordnungen können von den Kommunen sehr individuell ausgestaltet werden. Das bedeutet eine große Flexibilität. So können verschiedene strukturelle Unterschiede hinsichtlich des Baumbestandes aber auch der personellen und finanziellen Ausstattung der Gemeinde berücksichtigt werden.

Gleichzeitig wünschen sich die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung auch Orientierung wie eine BSVO aussehen könnte, wenn sie die Einführung planen. Hilfreich wären hier eine Musterbaumschutzverordnung auf Länderebene, der Austausch unter den Kommunen und Fortbildungsangebote für die Verantwortlichen, die sich mit der Einführung einer Baumschutzverordnung befassen. Nicht zuletzt braucht es eine gute Öffentlichkeitsarbeit um die Bürger:innen zu informieren und zu beteiligen.

In Zeiten des Klimawandels steigern Bäume die Wohn- und Aufenthaltsqualität innerorts maßgeblich. | Foto: bs
In Zeiten des Klimawandels steigern Bäume die Wohn- und Aufenthaltsqualität innerorts maßgeblich. | Foto: bs

Was könnte die Einführung einer bundesweit einheitlichen und verbindlich gesetzlich geregelten Baumschutzsatzung erschweren?

Angela Burkhardt-Keller: Das Bewusstsein für die Dringlichkeit des Baumerhalts auf öffentlichen und privaten Flächen in unseren Kommunen ist in der Politik nicht ausreichend vorhanden. Da Baumschutzverordnungen in den privaten Raum eingreifen, vermeiden viele Politiker:innen dieses Thema. Dazu kommen möglicherweise Fragen nach Gesetzgebungskompetenzen, Zuständigkeiten und damit auch die Diskussion um Personal und Geld.

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Was wünschen Sie sich für den Baumschutz bundesweit?

Angela Burkhardt-Keller: Die Dringlichkeit des Baumerhalts in unseren Siedlungsräumen in der Klimakrise muss auf der obersten politischen Ebene ankommen. Wir müssen mehr in den Erhalt und die Neupflanzung von Bäumen investieren, um weiterhin lebenswerte Dörfer und Städte zu erhalten. Das betrifft die öffentlichen wie die privaten Flächen.

Vielen Dank, Frau Burkhardt-Keller, für das Gespräch.


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