Tarifeinigung am Bau bringt „Ruhe an der Front“
Noch nie verliefen die Lohntarifverhandlungen für das Bauhauptgewerbe so zäh wie in diesem Jahr. Eine Einigung der Tarifparteien gelang erst in der Schlichtung. Was haben die langen Verhandlungsmonate am Ende gebracht? Und was folgt daraus für die Bauwirtschaft? Ein Kommentar.
Das Mischen wird digital
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Tja. Das war´s. Die Tarifrunde 2021 für die Bauwirtschaft. Manch einer rieb sich am Ende verwundert die Augen, dass alles doch noch so schnell ging. Immerhin hatten wir in diesem Jahr eine der längsten Tarifrunden seit Dekaden. Mit durchaus bemerkenswerten und spannenden Begleiterscheinungen.
Man mag sich vor Augen halten, dass Tarifverträge im Wortsinne Verträge zwischen Parteien sind. Hierfür gibt es eingespielte Regeln, wenn der Tarifvertrag gekündigt wurde. Deshalb ist es durchaus naheliegend, eine Tarifrunde darauf zu fixieren, was sedes materiae (jur.: „Sitz des Gegenstandes“, Anm. der Red.) ist. Gekündigt wurde von der Gewerkschaft IG Bau der Lohntarifvertrag. Mit einer Forderung von 5,6 %. Das also war das inhaltliche und formale Verhandlungsziel.
Wegezeitentschädigung Thema in den Spitzengesprächen
Problem: Materie in verschiedenen Tarifverträgen geregelt
Im Februar dieses Jahres lag dann ein Vorschlag vor. Den die IG Bau jedoch überraschend als völlig untauglich und inkompatibel mit der eigenen Zielsetzung verwarf. Seit der ersten Verhandlungsrunde dominierte daraufhin das Thema Wegeentschädigung jede Verhandlungsrunde. Über Entgelt wurde dabei, wenn überhaupt, selten gesprochen. Obwohl das doch der zentrale Verhandlungsgegenstand war. Daraus ergab sich für alle Beteiligten allerdings die weitere Problematik, über ein Paket sprechen zu müssen, bei dem der eine Teil in einer allgemeinverbindlichen Vertragsmaterie, dem BRTV, der andere Teil im Lohntarifvertrag geregelt ist und zusammengebracht werden musste. Und wegen der Allgemeinverbindlicherklärung (AVE) Verfahrensfragen auch in Ansehung der genau in diesen Zeitraum fallenden Bundestagswahl berücksichtigen musste. Denn erst der neue Bundesarbeitsminister würde eine AVE zeichnen können.
IG Bau sperrt sich in freien Verhandlungen
Eine Paketlösung zu verhandeln mit Belastungen des Lohnes und damit der Baupreise, jeweils isoliert und nicht in einem Gesamtpaket mit auch für die Arbeitgeberseite tragbaren Obergrenzen, das war für den Verhandlungspartner IG Bau am Ende eine so unzureichende Verhandlungsbasis, dass sie nach Monaten gemeinsamer Verhandlungsrunden das Scheitern erklärt hat.
Wieder einmal ist festzustellen, dass einseitig durch die IG Bau und seit vielen Jahren in deren kontinuierlicher Praxis eine Tarifverhandlung nicht in freien Verhandlungen zu Ende geführt werden konnte, sondern wiederum in schwierigen Schlichtungsgesprächen moderiert werden musste. An dieser Stelle ist durchaus die Frage einmal denknotwendig, wie Verhandlungsökonomie wieder eingeführt werden kann. Vielleicht ist es am Ende auch dieser Einsicht geschuldet, dass die Vertragsparteien Ruhe an der Front haben einkehren lassen, indem sie einen längerfristigen Tarifvertrag bis 31. März 2024 vereinbart haben.
Laufzeit bis 2024 mildert die Lohnsteigerung
Verhandlungen zum Mindestlohn stehen noch aus
Mit etwas höheren Löhnen im Osten als im Westen wird die Schere im Bau weiter geschlossen, so dass absehbar ist, dass in einigen Jahren tarifpolitisch eine bundeseinheitliche Lohnstruktur vorhanden ist. Um die lohn- und tarifpolitischen Implikationen allein dieses Teilbereiches nicht noch weiter im Rahmen der Schlichtung zu belasten, wurde die Mindestlohnthematik ausgeklammert – sie muss in diesem Jahr separat anschlussverhandelt werden.
Gleichwohl man den Eindruck haben konnte, dass das Teilergebnis beim Lohn auch arbeitgeberseitig als Teil eines Gesamtpaketes durchverhandelt war, schien ein Scheitern der Schlichtung wegen der Wegeentschädigung immer wieder greifbar nahe zu sein. So haben sich jedenfalls die Verhandlungsführer der IG Bau auch in der Öffentlichkeit ausgelassen. Quasi in letzter Sekunde und in Ansehung eines Schlichterspruchs, der nach dem Verlauf der Schlichtung wohl bei der IG Bau auf Ablehnung gestoßen wäre, konnte doch noch in Spitzengesprächen eine Lösung hierzu erreicht werden. Diese musste nach klaren Arbeitgebervorstellungen von den Kleinbetrieben bis hin zu den großen Unternehmen auch für die tägliche Praxis handhabbar einfach und überschaubar gestaltet sein. Dies ist gelungen.
Wegestreckenentschädigung im BRTV verankert
Die entsprechenden Sätze für die Wegeentschädigung nach dem Motto mehr netto vom brutto für Arbeitnehmer in den Verpflegungsaufwand hinein zu rechnen, ist trotz der steuerrechtlichen Fragen, die damit verbunden waren, aus Sicht aller Beteiligten ein gelungener Ansatz. Die Verrechnung der nunmehrigen Kosten durch Entfall des Zuschlages im BRTV und im Lohntarifvertrag macht die Steigerung der jetzt vereinbarten weiteren Kostenbelastung bei Arbeitgebern gleichwohl erträglich. Und sorgt im Wortlaut für Rechtssicherheit. Nicht jedem wird diese Belastung schmecken. Immerhin bedeutet dies eine Verteuerung, die erst einmal über den Markt und den Preis wieder eingespielt werden muss. Um die tarifgebundenen Betriebe insoweit nicht schlechter gegenüber den nicht tarifgebundenen zu stellen, waren sich die Tarifvertragsparteien insoweit einmal einig, die gefundenen Kompromisslinien im allgemeinverbindlichen BRTV zu verankern. Und damit verbindlich als Mindestbedingungen für die Wegeentschädigung für alle Baubetriebe einheitlich in Deutschland vorzugeben. Diese sollen zum Anfang 2022 in Kraft gesetzt werden. Mit ausreicht Zeit im Vorlauf, dass sich alle Baubetriebe und Unternehmen hierauf einrichten können.
Fazit: Ein vernünftiger Kompromiss
Tarifverträge sind Kompromisse. Auch diesmal war die Diskussion um die Annahme des Schlichtungsergebnisses im Wesentlichen auf Arbeitgeberseite davon geprägt, ob und in welchem Umfang die vereinbarten Mehrkosten an Baupreise in der jetzigen Situation weitergegeben werden können. Mit Blick auf Planungssicherheit in Zeiten, in denen unklar ist, wie sich die Baumaterialkosten entwickeln, die politischen/normativen Regelungen für den Bau zur CO2-Minderung fortgeschrieben werden, damit weitere Kosten produzieren, war am Ende breite Zustimmung mit Blick auf die Laufzeit vernünftig.
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