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Fehlstart für die Autobahn GmbH?
Am 1. Januar 2021 sollte die Autobahn GmbH des Bundes ihre Arbeit aufnehmen. Hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer einen Fehlstart zu vertreten? | Foto: BMVI

Eine Zeitlang sah es so aus, als bliebe das durchaus vielversprechende Projekt einer neuen Autobahngesellschaft mit Zylinderschaden auf der Strecke. Schuld waren hausinterne Unzulänglichkeiten im Verkehrsministerium. Die Presse ging denn auch nicht zimperlich mit dem Verkehrsminister um: „Scheuers nächstes Steuergeld-Grab“ (ntv), „Viele Projekte auf Deutschlands Autobahnen sind in Gefahr“ (Handelsblatt), „Der nächste Crash von Andreas Scheuer“ (Süddeutsche Zeitung). Gemeint war der für den 1.1.2021 vorgesehene Start der „Autobahn GmbH des Bundes“.

Die Autobahn GmbH des Bundes wurde am 13. September 2018 gegründet und nimmt ab 1. Januar 2021 ihre Tätigkeit auf. Zu ihren Aufgaben wird es gehören, Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung, Finanzierung und Vermögensverwaltung der Autobahnen in Deutschland durchzuführen. Dadurch soll erreicht werden, schneller zu planen, direkt zu finanzieren und durch kostensparende Effizienzgewinne mehr zu investieren.

Im Rahmen der Neuordnung in den Finanzbeziehungen zwischen dem Bund und den 16 Ländern wird damit die Auftragsverwaltung der Länder für die Bundesautobahnen beendet. Bisher oblag die Planung der Bundesfernstraßen den Ländern als Auftragsverwaltung des Bundes, und der Bund finanzierte ausschließlich den Bau und Betrieb der Bundesautobahn. Da nach Auffassung der Politik die Finanz- und Personalsituation in den Bundesländern unterschiedlich ausgestaltet war und einige Länder mit der Planung neuer Bauprojekte deutlich langsamer waren als andere, sollte durch eine Zentralisierung der Aufgabe für die Bundesautobahnen und für drei Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin auch die Bundesstraßen eine schnellere und effizientere Planung erzielt werden.

Mit der Fach- und Rechtsaufsicht über die Autobahn GmbH ist das Fernstraßen-Bundesamt (FBA) mit Sitz in Leipzig betraut. Dem FBA obliegen beispielsweise die Planfeststellungen im Auftrag des Bundes. Gleichzeit ist sie Dienstherrin der aus den Ländern übergewechselten verbeamteten Mitarbeiter der Autobahn GmbH.

Steigender Verwaltungsetat

Für öffentliche Ausschreibungen von Autobahn-Projekten ist die Autobahn GmbH des Bundes verantwortlich. Ob Straßenbauprojekte als ÖPP-Projekt ausgeschrieben werden, entscheidet das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). So der Plan. Doch bevor es richtig losgehen konnte, hat die Reform der Autobahngesellschaft schon ein Loch von einer halben Milliarde Euro gerissen, jetzt soll gespart werden. Bei der als Jahrhundertreform gepriesenen Überführung der Verantwortung für rund 13.000 Autobahnkilometer in eine neue GmbH haperte aus mehreren Gründen:

1. Nicht alle Planstellen können am 1.1. 2021 besetzt werden, es fehlt Personal.

2. Die Deges als Planungsgesellschaft kann zum Startbeginn nicht integriert werden.

3. Der Etat für die Verwaltung der neuen GmbH droht zu explodieren.
Statt der 16 Auftragsverwaltungen der Länder wird die neue GmbH mit zehn Niederlassungen auskommen. Offensichtlich verunsichert der Wechsel von den Straßenbauverwaltungen in die GmbH des Bundes viele Mitarbeiter. Von den geplanten 13.000 Mitarbeitern stehen bislang nur 10.000 zur Verfügung. Geplant sind 7.000 Mitarbeiter für den Betrieb der Autobahnen, 4.000 für die Planung und 2.000 Mitarbeiter in der Zentrale.

Der Etat für die Verwaltung der Autobahn GmbH ist zu 100 Prozent steuerfinanziert, so hat es der Gesetzgeber vorgesehen. Von zunächst geplanten Verwaltungskosten in Höhe von 700 Millionen Euro war der Etat für die Verwaltung der GmbH zunächst auf 1,4 Milliarden angestiegen. Doch die Kosten für den Aufbau der Behörde mit hohen Kosten für Personal und IT-Systemen verursachen einen Mehrbedarf: Um nicht wie befürchtet den Mehrbedarf aus dem Straßenbauetat zu decken, hat der Haushaltsausschuss zum Jahresende 2020 eine zusätzliche Erhöhung um 400 Millionen Euro beschlossen. Das ist zwar weniger als die geforderten 600 Millionen Euro, doch steht der Behörde für Betrieb, Planungsleistungen und Verwaltung ein Etat von immerhin 1,766 Milliarden zur Verfügung.

Dass in dieser Situation die Führungsriege der neuen Gesellschaft wegen überhöhter Gehälter und zu teurer Mieten für Geschäftsräume ins Gerede kam, wird für den Verkehrsminister nicht hilfreich gewesen sein. Kritiker warfen dem BMVI darüber hinaus vor, den Haushaltsplan für die Autobahn GmbH als Geheimsache zu behandeln und den Wirtschafts- und Finanzplan unter Verschluss gehalten zu haben.

Die Finanzierung der Fernstraßenbauprojekte soll sich über die Einnahmen aus der Lkw-Maut und der sogenannten Infrastrukturabgabe für Pkw-Halter stattfinden. Nun ist die Erhebung einer Pkw-Maut zurzeit nicht möglich. Deshalb wird die Autobahn GmbH weitere Mittel aus dem Bundeshaushalt erhalten. Die Aufnahme von Krediten ist der GmbH jedenfalls per Gesetz untersagt. Dazu hieß es auf ausdrückliches Nachfragen des B_I baumagazins bei der Autobahn GmbH: „Bei der Autobahn GmbH ist eine Kapitalprivatisierung vom Gesetzgeber ausdrücklich ausgeschlossen worden. Ein Verkauf der Autobahn GmbH an private Investoren ist mithin nicht möglich. Bau, Betrieb und Planung der Autobahninfrastruktur ist und bleibt eine zentrale öffentliche Aufgabe.“

Seit 2016 wird der Zahlungsverkehr für den Gesamtetat der Bundesfernstraßen von der Finanzierungsgesellschaft VIFG durchgeführt. Die Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (VIFG) – eine Gesellschaft im Eigentum des Bundes mit gesetzlich geregelten Aufgaben – wurde zum 1.8.2019 in die Autobahn GmbH eingegliedert. Über die VIFG flossen noch im Jahr 2019 rund 9,5 Milliarden Euro in den Straßenbau des Bundes, nur teilweise gegenfinanziert über die Lkw-Maut in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Davon allerdings verschlangen die Kosten allein für die Erhebung der Maut schon 1,1, Milliarden Euro, so dass für den Bau, Erhaltung und Betrieb der Bundesfernstraßen rund 6,6 Milliarden Euro an den Bund überwiesen wurden. Das Kalkül: Mit der zukünftigen Pkw-Maut könnten die Kosten für die bundeseigenen Fernstraßen gedeckt sein. Denn so viel steht fest: Die für die Straßennutzung eingenommene Maut muss für die Straße ausgegeben werden.

Die Deges kann wohl erst 2028 in die Autobahn GmbH integriert werden. Ein aktuelles Projekt ist zum Beispiel der Ersatzneubau der Rader Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal. | Foto: Deges
Die Deges kann wohl erst 2028 in die Autobahn GmbH integriert werden. Ein aktuelles Projekt ist zum Beispiel der Ersatzneubau der Rader Hochbrücke über den Nord-Ostsee-Kanal. | Foto: Deges

Deges vorerst nicht mit im Boot

Schwerer wiegt, dass die Mammutbehörde zunächst auf die Eingliederung der Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) verzichten muss. Die 1991 gegründete Deges mit ihren rund 450 Mitarbeitern ist in den Bundesländern für den Neu- und Ausbau von Bundesfernstraßen verantwortlich. Sie genießt den Ruf einer kompetenten und effektiven Planungsgesellschaft. Dies hat sie bei rund 50 Aus- und Neubauprojekten unter Beweis stellen können. Die Deges betreut gegenwärtig 141 Autobahnprojekte und 52 Bundesstraßenprojekte mit einem Auftragsvolumen von 21,7 Milliarden Euro.

Geplant war, die Deges zum Startbeginn in die Autobahn GmbH zu integrieren. Laut einem Bericht des Handelsblatts ist die Deges jedoch für die Bundesländer tätig und kann nicht gleichzeitig für den Bund arbeiten, es sei denn, alle laufenden Projekte würden bei einer Verschmelzung neu ausgeschrieben werden – eine eher unrealistische Vorstellung. Nicht auszuschließen sei, dass es zu einem Baustopp auf den Autobahnen käme und eventuell zu Schadenersatzklagen. Das ließe sich nur verhindern, wenn die Deges eigenständig weiterarbeite – vorerst zumindest. Darauf hatte der Bundesrechnungshof schon vor Jahren hingewiesen. Experten gehen nun davon aus, dass die Deges wegen laufender Projekte nicht vor 2028 in die Autobahn GmbH des Bundes integriert werden kann. Effizient arbeiten könnte die Autobahn GmbH also erst in fünf oder sechs Jahren. Vorerst sollen mit Kooperationsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern Serviceleistungen der Länder eingekauft werden. Dennoch verbreitete die Autobahn GmbH Optimismus. Auf Anfrage des B_I baumagazins teilte die Gesellschaft im November 2020 mit: „Der Start der Autobahn GmbH am 1. Januar 2021 ist gesichert. Die derzeit nicht durchführbare Verschmelzung der Deges auf die Autobahn GmbH gefährdet den geplanten Start in keiner Weise.“

Die Mitarbeiter der neuen Autobahngesellschaft sehen offensichtlich ebenfalls optimistisch in die Zukunft. Ein Straßenwärter einer norddeutschen Autobahnmeisterei stellte fest: „Das Land war immer ein guter Arbeitgeber, aber die Strukturen sind festgefahren. Das ändert sich hoffentlich bei einem kompletten Neustart in einer neuen Gesellschaft.“

Morgenrot oder eher Götterdämmerung? Die Überführung der Verantwortung für rund 13.000 deutsche Autobahnkilometer in eine neue GmbH macht Probleme. | Foto: mastermind76 auf pixabay
Morgenrot oder eher Götterdämmerung? Die Überführung der Verantwortung für rund 13.000 deutsche Autobahnkilometer in eine neue GmbH macht Probleme. | Foto: mastermind76 auf pixabay

Nächstes Debakel?

Von den im Bundestag vertretenen Parteien wollte die Redaktion des B_I baumagazins wissen, wie sie über die Reform der Bundesfernstraßen denken.

Die SPD-Fraktion begründete ihre Nicht-Antwort mit Geheimhaltungsverpflichtungen ihrer Verantwortlichen. Die Fraktion der CDU bekannte, keine Stellungnahme abgeben zu können, verwies jedoch auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion zu dem Thema. Von der AfD-Fraktion ging lediglich eine Bestätigung unserer Anfrage ein. Wir geben in Auszügen die Stellungnahmen der Fraktionen wieder, die uns geantwortet haben.

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

„Die Reformkosten sind mit über 480 Millionen Euro gewaltig. Doch das Scheitern der Reform kommt den Bund nun besonders teuer zu stehen. Weil es die Bundesregierung nicht geschafft hat, wesentliche Aufgaben in der Autobahn GmbH zu zentralisieren, muss der Bund nun den Ländern viele Millionen Euro zahlen, damit sie diese Aufgaben schultern. Dass das bis heute nicht transparent dargestellt wurde, ist ungeheuerlich. Der Autobahn GmbH fehlen an allen Ecken und Enden Leute, die ab Januar die Projekte managen. Eine Vielzahl der Stellen ist noch immer nicht besetzt.“

Fraktion Die Linke

„Wir haben die Zentralisierung der Aufgaben der Bundesfernstraßen beim Bund abgelehnt, weil wir damit eine Öffnung für weitere Privatisierungen sahen. Zudem kritisieren wir den weiteren Ausbau des Fernstraßennetzes, da wir die Bundesrepublik straßenmäßig für erschlossen halten (bis auf wenige Ausnahmen). Das finanzielle Volumen in ÖPPs im Autobahnbau- und betrieb hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt. Waren im Etat 2010 Projekte mit Verpflichtungsermächtigungen von rund 8 Milliarden Euro enthalten, so sind es im Etat-Entwurf 2020 Projekte im Wert von 19 Milliarden Euro erfasst. Damit sind 13 Autobahnabschnitte in privater Hand, in Thüringen wurden bereits 17,5% der Autobahnen privat gebaut und betrieben (Quelle: Handelsblatt 1.10.2020). Mit dem Projekt B 247 in Thüringen will man demnächst ein Pilotprojekt für Bundesstraßen mit ÖPP starten. Man kann jedoch konstatieren, dass die Zeit, die der Autobahn GmbH für den Aufbau gegeben wurde, viel zu kurz bemessen ist.“

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Fraktion der FDP

"Verkehrsminister Scheuer erlebt bei der Autobahn GmbH sein nächstes Debakel. Bundesrechnungshof und FDP haben mehrfach vor der Gefahr eines Scheiterns der beabsichtigten Fusion mit der Deges gewarnt. Scheuers Ministerium beharrte aber auf dem ursprünglichen Plan. Jetzt ist die Reform faktisch gescheitert und der neuen GmbH fehlt die notwendige Planungsexpertise. Hinzu kommt, dass der GmbH nach internen Papieren Mittel für Bauprojekte fehlen."

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