Die Autobahn GmbH und Schleswig-Holstein
Auch ein Jahr nach Gründung läuft es nicht rund mit der Autobahn GmbH. Torsten Conradt, Direktor des Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr Schleswig-Holstein (LBV SH), erläutert im Interview die Sicht eines Flächenstaates.
B_I: Herr Conradt, was glauben Sie, war die Autobahn GmbH des Bundes eine gute Idee?
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Ich befürchte auch, dass die Länder zunehmend an Einfluss auf die Autobahnplanungen verlieren. Das ist bereits bei den Planungen der Bahn und bei der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung der Fall. Da wissen die Länder oft nicht, was genau geplant wird.
B_I:Es sollte ja alles schneller und effektiver werden.
T. C.: Es ist meines Erachtens ein falscher Ansatz, wenn man die Autobahn GmbH danach bewerten will, ob alles schneller geht. Das Problem liegt nicht in der Organisationsform, sondern in den gesetzlichen Grundlagen. Die GmbH wird nicht schneller planen können, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht geändert werden. Die Deges ist ja bezüglich einiger Projekte – wie etwa die A 20 in Schleswig-Holstein - so gut oder schlecht davor wie wir. Kann eine GmbH also schneller planen und bauen? Meines Erachtens ist das also keine Frage der Organisationsform der Planenden. Fakt ist: Stand heute ist noch nichts schneller gebaut worden. Mal sehen, wo die Beschleunigungseffekte bleiben.
B_I: Welche Erfahrungen haben Sie bisher konkret mit der GmbH machen können?
B_I: In der Presse war von unbezahlten Rechnungen zu lesen.
T.C.: Das gab es auch in Schleswig-Holstein. Mich erstaunt, dass der Hauptverband der deutschen Bauindustrie in dieser Frage sehr zurückhaltend mit Äußerungen ist. Vielleicht wollte man die Organisationsänderung nicht kritisieren, weil man hoffte, dass durch die Autobahn GmbH zukünftig größere Auftragsvolumina zu erwarten sein würden. Man merkt jedoch jetzt schon, dass die Abstimmungen nicht mehr in der Regel regional laufen, sondern dass z.B. die Nachtragsverhandlungen zentral in Berlin laufen. Derartige Zentralsierungen sind für die Firmen, aber auch für Ingenieurbüros nicht gerade vorteilhaft.
B_I: Der Leiter der Autobahn GmbH, Stephan Krenz, forderte unlängst „beschleunigte Verfahren“ im Zusammenhang mit der Bewältigung von maroden Brücken. Will er das Vergaberecht aushebeln?
T.C.: Das bezieht sich weniger auf die Vergabe. Ein Beispiel: Selbst für den Ersatzbau der Rader Hochbrücke bei Rendsburg über den Nord-Ostsee-Kanal muss ein Planfeststellungsverfahren durchgeführt werden. Bis heute hat aber die als effektiv geltende Deges immer noch keinen Planfeststellungsbeschluss. Die Frage ist also, wie lange Planfeststellungsverfahren für Ersatzbauwerke dauern sollen. Ein Planfeststellungsverfahren lässt sich auch nicht komplett für Ersatzbauten aufheben, weil immer in den Naturraum eingegriffen wird, sei es beim Abriss, oder bei einem temporären Ersatzbauwerk, z.B. als Behelfsbrücke. Die Frage ist also, auf welchem Rechtsweg solch ein Bauwerk genehmigt wird, und da hofft die GmbH, dass gesetzliche Vereinfachungen kommen. Die letzte Koalition hat allerdings keine besondere Planungsbeschleunigung hinbekommen. Ob das die eventuelle Ampel-Koalition schaffen wird, bleibt abzuwarten.
Wo die Autobahn definitiv einen Vorteil hat, ist der Abstimmungsprozess mit dem Bundesverkehrsministerium. Nach meinem Kenntnisstand haben die Autobahnniederlassungen nicht den aufwändigen Weg zum Verkehrsministerium für die Genehmigung von Entwürfen oder für die Genehmigung von Vergaben. Wir als Länder haben insoweit einen „Wettbewerbsnachteil“, weil wir immer vorsprechen und teilweise über ein Jahr auf Genehmigungen warten mussten, während die Autobahn GmbH auf ein Zeitfenster von vier Wochen hoffen kann.
Bedauerlicherweise haben wir bis jetzt noch keinen Hinweis, wie sich das Verhältnis der Länder zum Bundesverkehrsministerium entwickelt. Ob wir es also wie bisher auf direktem Weg mit dem Ministerium zu tun haben oder über das Fernstraßenbundesamt (der Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für die Bundesautobahnen und -straßen in Bundesverwaltung. Anm. d. Red.). Das wäre dann für uns eine weitere Entscheidungsebene, die noch einmal alles verlängert. Das widerspräche allerdings der Idee einer Vereinfachung.
B_I: Die Autobahn GmbH hat – auch aus Personalmangel – Kooperationsverträge mit den Ländern geschlossen. Was beinhaltet der Kooperationsvertrag in Schleswig-Holstein?
T.C.: Die Kooperationsverträge gibt es in unterschiedlichen Ausprägungen, etwa im Bereich der Planungen. Oder weil es teilweise nicht vorhandene Strukturen der Autobahnmeistereien gibt, wie dies im Norden von Schleswig-Holstein der Fall ist. Die Laufzeit ist unterschiedlich, einige laufen Ende des Jahres aus, wobei schon über Verlängerungen gesprochen wird.
Ein weiterer Aspekt der Kooperationsverträge ist der IT-Bereich. Die Autobahn GmbH ist dabei, ein eigenes IT-System aufzubauen. Derzeit werden aber insbesondere für die Straßenplanung noch die IT-Systeme der Länder benötigt. Das Rechnungswesen der Autobahn GmbH war wohl auch nicht auf die Vielzahl der Einzelrechnungen eingestellt und dadurch ist auch das Problem der unbezahlten Rechnungen entstanden.
B_I: Zum Personal: Wie viele Mitarbeiter sind von der LBV.SH zur Autobahn GmbH gewechselt?
T.C.: Nach einer internen Erhebung aus dem Jahr 2018 hatten wir rund 300 Vollzeitstellen für Autobahnaufgaben. Davon haben wir rund 200 an die Autobahn GmbH abgegeben. Wir haben also weniger abgeben, als ursprünglich für Autobahnaufgaben da waren. Allerdings waren 300 Stellen auch damals schon zu wenig. Inzwischen gibt es allerdings auch wieder „Rückkehrer“, trotz des eigenen Tarifvertrages der Autobahn GmbH, der deutlich über dem der Länder und sogar über dem der Kommunen und des Bundes liegt.
B_I: Abschließende Bemerkung?
T.C.: Die GmbH sollte die Interessen eines kleinen Flächenstaates nicht vernachlässigen. Meine Befürchtung ist, dass wir hinter Hamburg zurückfallen. Ich befürchte, dass das Geld primär in den Regionen ausgegeben wird, wo der Verkehr ist und das ist nicht Husum oder Flensburg, sondern Hamburg. Ich bin mir ziemlich sicher, man wird sich im Norden konzentrieren auf Hamburg.
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B_I: Vielen Dank, Herr Conradt, für das Gespräch.
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