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Bevor die Bagger kommen: Per Internet Leitungsschäden vermeiden
Vor dem Beginn von Baumaßnahmen ist die Einholung von Leitungsauskünften nicht nur in komplizierten Situationen unabdingbar. | Foto: fotolia

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Stefan Krause kennt sich aus und weiß aus Erfahrung: „Ein Schadenfall an unterirdischen Leitungen kann Baustellenstillstand heißen. Das kann bei komplizierten Leitungen wie Wasserdruckleitungen auch länger dauern. Bei grob fahrlässigen Handlungen kann auch schon mal der Versicherungsschutz futsch sein.“ Krause ist bei der Karl Möhle GmbH für Leitungserkundung zuständig. Das auf Drainagebau im landwirtschaftlichen Beriech tätige Tiefbauunternehmen bewältigt im Jahr etwa 750 Baustellen. Da sei es angebracht, vorher Erkundigungen einzuholen. „Wir nutzen seit 2004 das Erkundungsportal ALIZ, weil es Auskunft gibt über annähernd alle Leitungen. Über das Portal erreicht man alle infrage kommenden Leitungsbetreiber, und zwar ziemlich schnell.“

Über 4 Millionen Kilometer unterirdische Leitungen

Bauunternehmen sind zwar gesetzlich zur Leitungserkundung verpflichtet, oft aber ist aufgrund von Zunahme an Leitungen und Intransparenz der Eigentumsverhältnisse die Situation vor Ort schwierig. „Der erste Ansprechpartner für ein Auskunftsersuchen der Baufirmen ist häufig die Kommune“, erläutert Dr. Thomas Beisch, Technischer Leiter beim Leitungserkundungsportal ALIZ, „aber auch hier ist es aufgrund der zunehmenden Unübersichtlichkeit keineswegs mehr garantiert, dass alle Zuständigkeiten zur vorhandenen Leitungsinfrastruktur bekannt sind.“

Ziel sei es, diese Lücke zu schließen. In Zusammenarbeit mit Leitungsbetreibern seien bereits Schutzgebiete von 9.000 Versorgern in der Datenbank erfasst und würden regelmäßig aktualisiert. Schutzgebiete sind Bereiche, in denen ein Leitungsbetreiber oder eine Kommune über eine Baumaßnahme informiert werden möchte. Mit einer standardisierten Baustellenmeldung erhält der Planende oder Ausführende eines Bauvorhabens eine Liste der im Gebiet der Baustelle ermittelten Leitungsbetreiber. An diese Betreiber kann über das ALIZ-Portal automatisiert eine Anfrage auf Planauskunft weitergeleitet werden. Alle notwendigen Informationen erhält der Bauausführende von den angefragten Leitungsbetreibern direkt. Mit diesem sogenannten „One-Call-System“ übernimmt das Portal eine Vermittlerrolle für alle erforderlichen Absprachen zwischen allen Beteiligten.

Kosten für Nutzer überschaubar

Die Kosten für die Nutzung des Leitungserkundungsportals ALIZ sind vergleichsweise überschaubar: Nach einer Anfrage erhält das Bauunternehmen eine Übersicht über alle ermittelten Betreiber mit Kontaktdaten der regionalen Ansprechpartner. Diese Dienstleistung kostet 25 Euro netto. Sofern das anfragende Unternehmen das Erkundungsportal mit der Anfrage beauftragt, kostet dies pro Betreiber 1 Euro, maximal 15 Euro. Die gesamte Dienstleistung kostet dann also maximal 40 Euro.

„Leider gibt es keine Versicherungsstatistik, die erhebt, welche Schäden vermieden werden durch unser Erkundungsportal. Insgesamt scheinen jedoch Schäden an Leitungen rückläufig“, so Antje Bommhardt von ALIZ. Ebenso wichtig wie die Schadenvermeidung sei den Nutzern jedoch die Vereinfachung und damit die Zeitersparnis für die Recherchetätigkeit und die automatisierten Anfragen auf Planauskunft.

ALIZ: Die Geobasisplattform ist durch ein Raster gegliedert und gibt Auskunft über Schutzgebiete und Schutzkorridore. | Abb.: ALIZ
ALIZ: Die Geobasisplattform ist durch ein Raster gegliedert und gibt Auskunft über Schutzgebiete und Schutzkorridore. | Abb.: ALIZ

Fernleitungen besser schützen

Ein Portal speziell für Rohrfernleitungen ist BIL (Bundesweites Informationssystem zur Leitungsrecherche). Die Gründungsmitglieder der BIL eG haben als Betreiber von Fernleitungen besonders damit zu kämpfen, dass der Bauwirtschaft in Deutschland keine vollständige Information über Lage und Verlauf unterirdischer Fernleitungen vorliegen. Falls sogar Katastrophenschutzeinsätze durchgeführt werden müssen, weil sich dem Bauunternehmen die Leitungslagen erst an offenen Grabungen zeigen, entstehen weitere erhebliche Aufwände. Umgekehrt machen es Namensänderungen, Umorganisationen und unbekannte Versorgungsgebietsgrenzen auch der Bauwirtschaft nicht eben leicht, die richtigen Unternehmen und Ansprechpartner zu identifizieren.

Um also Rohrfernleitungen bei Tiefbauarbeiten besser zu schützen und einen transparenten und einheitlichen Service in der Leitungsauskunft anzubieten, wurde von deutschen Leitungsnetzbetreibern aus den Bereichen Chemie, Gas und Öl gegründet. Das seit 2016 zur Verfügung stehende Netzauskunftsportal will der Bauindustrie Informationen über die im Boden verlegten Rohre, Kabel und Leitungen per Webzugriff verfügbar machen, und zwar bundesweit und kostenlos. „Im Umfeld von Tiefbauarbeiten kommt es leider immer noch vor, dass ein Bagger eine Leitung oder ein Rohr trifft“, berichtet BIL-Geschäftsführer Jens Focke. Zudem seien äußere Verletzungen der Rohre oft nicht sofort erkennbar und später schwer zuzuordnen, so dass eventuelle Sanierungskosten beim Betreiber hängenbleiben. Sie sind oft Jahre später betroffen, sollten sich im Rahmen der Überwachungs- und Inspektionsmaßnahmen Schäden an der unterirdisch verlegten Infrastruktur herausstellen.

Aufgrund der genossenschaftlichen Struktur ist der Service kostenlos. Zwischenzeitlich gibt es 42 Mitgliedsunternehmen. Nach eigenem Bekunden haben sich die Portalbetreiber auch für andere Branchen geöffnet wie Stadtwerke, Kabelbetreiber, Telekommunikationsunternehmen.

Neben der Datenschnittstelle stellt BIL den Nutzern eine System-Schnittstelle zur Verfügung. Im einfachsten Fall wird von BIL die Anfrageinformation in den Mail-Server des Teilnehmers zum Abruf der vollständigen Anfragedokumentation übermittelt.

Mit Infrest zügig informiert

Das webbasierte Leitungsauskunftsportal Infrest (Infrastruktur eStrasse) ist aus einem ÖPP-Projekt von Netzbetreibern im Raum Berlin/Brandenburg entstanden. Ähnlich dem ALIZ-Portal bietet es Bauunternehmen eine einfache und komfortable Lösung, Leitungsauskünfte und Genehmigungen für ihre Baumaßnahmen bei Leitungsnetzbetreibern einzuholen und Meldungen zu versenden. Nach eigenen Angaben liegt der Schwerpunkt des Portals noch auf den neuen Bundesländern. „Derzeit können wir Auskünfte von etwa 2.700 Netzbetreibern anbieten, langfristig wollen wir 8.000 Betreiber anbieten“, sagt Jürgen Besler von Infrest. Mit nur einer digitalen Anfrage erreichen registrierte Nutzer alle teilnehmenden Leitungsnetzbetreiber und Behörden ausschließlich in deren Zuständigkeitsbereich. Diese antworten, je nach Anbindung, direkt über das Portal oder per Post, Fax oder E-Mail. Der mit Leitungsanfragen verbundene Aufwand werde erheblich reduziert. Die bisher zeitintensiven einzelnen Leitungsanfragen per Post, E-Mail oder Fax an jeden Leitungsnetzbetreiber und jede Behörde entfallen vollständig – die Aufgabe der gezielten Zuleitung der Anfragen übernimmt das Leitungsauskunftsportal Infrest.

Ein Baustellenatlas ermöglicht die transparente Koordinierung von Bautätigkeiten. Bauausführenden Unternehmen, Leitungsnetzbetreiber sowie Wohnungsbaugesellschaften können jederzeit die Ereignisplanungen im Baustellenatlas eigenständig einsehen und eigene Maßnahmen entsprechend anpassen. Aktuell stattfindende Maßnahmen oder langfristige Planungen können direkt abgeglichen werden. Die Zusammenführung von Daten über aktuelle, in der Planung befindliche oder abgeschlossene Maßnahmen und deren derzeitigen Status erfolgt auf einer übersichtlich gestalteten Karte, versehen mit Sachdaten.

Auch hier sind die Kosten für die Nutzer überschaubar. Ein Premiumzugang pro Kalenderjahr kostet Euro 25 netto und weitere Euro 1,90 pro Leitungsanfrage. Eine einmalige Anfrage hingegen kostet Euro 3 pro Netzbetreiber.

Infrest: Suchmaske und Karte mit Bauvorhaben im Baustellenatlas. | Abb.: Infrest
Infrest: Suchmaske und Karte mit Bauvorhaben im Baustellenatlas. | Abb.: Infrest

Nutzung steht noch am Anfang

Auskunftsportale verzeichnen kräftige Zuwachsraten, sowohl was die Anfragen als auch die Neuregistrierung betrifft. Antje Bommhardt: „Ich glaube, dass diese Portale in ihrer Nutzung noch am Anfang stehen und die Durchdringung in der Bauwirtschaft vielleicht bei 15-20% liegt, wenn auch mit sehr starken Wachstumsraten. Hier ist der deutliche Wunsch der Bauwirtschaft nach solch einer Dienstleistung zu erkennen. Dennoch können wir jetzt schon jährlich 300.000 gefährdete Leitungen identifizieren und durch unsere Anfragen auf Planauskunft dazu beitragen, dass sie geschützt werden.“

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Leitungsportale nicht vernetzt

Bei Tiefbauarbeiten sollte es nicht nur um Kostenvermeidung durch eventuelle Schäden an unterirdischen Leitungen gehen, sondern auch um die Wahrung eines Sicherheitsbedürfnisses, vor allem wenn es um Leitungen für sogenannte „kritische Medien“ wie Gas, Öl und andere geht. Leitungsauskunftsportale sind unverzichtbare Dienstleister und sollten möglichst umfassend informieren, im Idealfall hätte ein Bauunternehmer mit einem einzigen Auskunftsportal zu tun, das flächendeckend über alle notwendigen Informationen verfügt. In der Praxis wird jedoch von der Bauwirtschaft bemängelt, dass Betreiber von unterirdischen Leitungen zunehmend eigene Onlineportale aufbauen und die Nutzung erzwingen möchten. Dies führt zu einem deutlichen Mehraufwand für die Baufirmen. Wünschenswert wäre, wenn die Auskunftsportale über Schnittstellen zu verschiedenen GIS-Systemen verfügen, die von verschiedenen Leitungsbetreibern genutzt werden.

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